Nachdem vergangene Woche der grösste Schweizer Stromkonzern ein Gesuch um Staatshilfe stellte, versuchte die politische Linke rasch via Sonntagsmedien das Narrativ zu verbreiten, wonach der liberalisierte Strommarkt Ursprung allen Übels sei. Das ist ökonomischer Unsinn. Unbestritten ist dagegen, dass die Axpo mit der notfallmässigen Sicherung einer Kreditlimite von über vier Milliarden Franken beim Bund eine neue Welle von behördlichen Regulierungsbestrebungen auslösen wird. In «Bundesbern» überbietet man sich derzeit mit Forderungen, wie der Stromkonzern zukünftig zu strukturieren sei. Doch anstelle eines Marktversagens liegt vielmehr ein Multi-Organversagen der Politik vor – vorab auf Ebene der Kantone.

Staatsbetrieb in Nöten

Die Axpo ist ein Staatsbetrieb und befindet sich im Besitz der Nordostschweizer Kantone. Allein der Kanton Zürich ist Anteilseigner mit fast 37%. Zweitgrösster Miteigentümer ist der Nachbarkanton Aargau. Die Eigentümerinteressen sollten primär durch die Kantonsregierungen wahrgenommen werden – tun sie aber nicht! Sämtliche Kantonsregierungen geben sich äusserst schmallippig gegenüber Medienanfragen, warum sie nicht rechtzeitig Gegensteuer beim Aufbau der Handelspositionen der Axpo gegeben haben. Diese entsprechen kaum dem öffentlichen Auftrag, sondern rein der vermeintlichen Gewinnerzielung. Noch Ende August liess der grösste Anteilseigner gegenüber dem Zürcher Kantonsparlament verlauten, dass die Axpo-Unternehmensführung die aufgrund der Marktsituation erforderlichen Vorkehrungen zur Liquiditätssicherung getroffen habe. Dass die Axpo-Verantwortlichen ihr Handelsgeschäft spekulativ und in deutlich zu grossem Umfang betrieben, scheint den kantonalen Eigentümervertretern entgangen zu sein. Eine verantwortungsvolle Public Corporate Governance sieht definitiv anders aus.

Staumauer des Pumpspeicherwerks Limmern der Axpo. (ETH Bibliothek Zürich, Bildarchiv)

Bei der 100% im öffentlichen Besitz stehenden Axpo zeigt sich exemplarisch, wie die Abhängigkeit von der Politik zu Missmanagement führen kann. Verstärkt wird dieser Effekt dadurch, dass die Axpo wie die weiteren Staatsbetriebe de facto über eine Staatsgarantie verfügen – diesmal wahrgenommen durch den Bund und nicht durch die überforderten Kantone. Die originär verantwortlichen Kantonsregierungen haben heute darum umso grösseren Erklärungsbedarf. Fortan hat nämlich der Bund fast sämtliche Hebel in der Hand, um über die weiteren Geschicke der Axpo zu bestimmen und nicht mehr die Kantone als Eigentümer. Was man gerne dem Management privater Unternehmen vorwirft, vollziehen hier die Kantonsregierungen exemplarisch: Sie schleichen sich aus der Verantwortung.

Interessenkonflikte der Politik als Eigentümer und Regulator

Es ist insbesondere die Mehrfachrolle der Politik als Eigentümer und Regulator, die zu  schwerwiegenden Interessenkonflikten führt. So haben die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ) als Miteigentümerin der Axpo die Pflicht, dem Kanton einen «angemessenen Anteil des Bilanzgewinns» auszuschütten. Die Bedürfnisse der Kunden nach einer kostengünstigen Energieversorgung in Zeiten stark steigender Strompreise sind nachrangig. Staatliche Gewinnabschöpfung bei staatlichen Unternehmen im Monopol sind nichts anderes als eine Schattensteuer – unumgänglich für die Konsumenten, aber man verkauft es politisch gerne als «Grundversorgung» oder «Service public».

Zur Axpo-Liquiditätskrise kommt hinzu, dass national wie kantonal unter dem Titel «Energiewende» eine dirigistische Politik vorangetrieben wird, die zu stark steigendem Strombedarf führt und die Versorgungssicherheit weiter erodieren lässt. Die klimapolitisch motivierten Eingriffe durch Subventionen und Technologieverbote führen zu sichtbaren Marktverzerrungen.

In kurzer Zeit verwickelte man sich in ein Labyrinth aus polit-programmatischen Widersprüchen. Den Stromfresser E-Mobilität fördert man mit millionenschweren Anschubfinanzierungen, die zu signifikanten Mitnahmeeffekten führen; nur ein paar Wochen später erfolgt die gouvernementale Empfehlung für kurzes kaltes Duschen, um Strom zu sparen. Das kommt einer Infantilisierung der Bevölkerung gleich!

Regionalpolitik statt Versorgungssicherheit

Heute erschallt der Ruf nach Ausbau von einheimischen Energieträgern wie der Wasserkraft. Doch mit dem Wasserzins, der mit einer halben Milliarde Franken zu Buche schlägt, wurden über Jahre hinweg potenzielle Investoren abgeschreckt. Profiteurin war die Alpen-Opec. Regionalpolitik hat hier traditionsgemäss Vorrang gegenüber Versorgungssicherheit.

Die heutige gefährdete Versorgungslage wie auch die Schieflage der Axpo einfach als Marktversagen hinzustellen, greift viel zu kurz. Vielmehr liegt ein hausgemachtes Politikversagen vor: So ist es offensichtlich nicht gelungen, die drei Regelungsbereiche Markt, Versorgung und Eigentum in Einklang zu bringen. Die Schweiz bezahlt heute den Preis dafür, dass sie zu Beginn der 2000er Jahre ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat und etliche Liberalisierungsprojekte auf halbem Weg stehen geblieben sind. Das Resultat sind politische «Schönwetterkonstrukte» wie die Post-Finance oder – eben – die Axpo, die einer Krise nicht standhalten können.

Die aktuellen Probleme sind zu einem guten Teil hausgemacht und müssen entsprechend selbst gelöst werden. Um die Lage zu stabilisieren, ist nicht mehr staatlicher Dirigismus, sondern mehr Innovation und Wettbewerb sowie clevere, zeitgemässe Regulierung gefragt: durch die konsequente Entpolitisierung des heute dominierenden staatlichen Eigentums an Produktion, Übertragung und Verteilung des Stroms, durch eine vollständige Marktöffnung und Einführung der Wahlfreiheit für alle Konsumenten sowie nicht zuletzt durch die Auflösung der zahlreichen Interessenkonflikte der staatlichen Instanzen. Andernfalls wird es auch in Zukunft regelmässig zu teuren staatlichen Rettungsschirmen kommen, für die am Schluss allein der Steuerzahler die Zeche zahlen muss.