Die Schweiz spannte in den letzten drei Jahrzehnten ein dichtes Netz an Freihandelsabkommen (FHA) weltweit. Der Erfolg dieser aktiven Aussenhandelspolitik kann am relativen Anteil des Freihandels am gesamten Handelsvolumen gemessen werden (vgl. Grafik).
FHA mit reifen oder sehr kleinen Volkswirtschaften verleihen dem Schweizer Aussenhandel wenig Impulse, können aber zur Absicherung des bestehenden Handelsniveaus beitragen. Für einen Anstieg sorgte 2014 die Inkraftsetzung des FHA mit China und den GCC-Staaten (v.a. Vereinigte Arabische Emirate). Der 1988 bis 2015 durch Freihandelsabkommen abgedeckte Importanteil am gesamten Aussenhandel der Schweiz stieg von rund 81 % auf 88 %, der Exportanteil vergrösserte sich von 64 % auf 77 %.
Den grössten Sprung nach vorne in der Schweizer Handelsstatistik (1990 – 2015) verzeichnete China (inkl. Hongkong und Macau), das von Platz zehn der wichtigsten Handelspartner auf Platz vier vorrückte (7,7 %). Absolut ist der Aussenhandel mit China um stattliche 685 % gewachsen, die Zahl für Deutschland im gleichen Zeitraum betrug 64 %. Das Handelsvolumen zwischen China und der Schweiz erreicht inzwischen eine Grössenordnung, die vergleichbar ist mit den Beziehungen zu Italien oder Frankreich. Insgesamt wuchs der Schweizer Aussenhandel im Berichtszeitraum um 116 % auf knapp 370 Mrd. Fr.
Freihandelspartner mit unterschiedlichen Faktorkosten
Global betrachtet wurden erste, ökonomisch bedeutende regionale Handelsabkommen von ähnlichen Staaten abgeschlossen, beispielsweise der Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) von 1957 oder die Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) im Jahr 1960. Lange dominierten, abgesehen von Rohstoffen, Industrieländer den Welthandel. Sie hatten vergleichbare Produktionsstrukturen und Faktorkosten, unter Umständen aber eine unterschiedliche Spezialisierung. Der Handelsnutzen war für eine breite Bevölkerung spürbar, ohne dass ganze Branchen durch die neue Konkurrenz in ihrer Existenz bedroht wurden. Beispielsweise führte die Handelsliberalisierung zwischen Deutschland und Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg nicht zum Verschwinden der deutschen bzw. französischen Automobilindustrie. Im Gegenteil, die Branche wuchs in beiden Ländern. Im Kontext ähnlicher Staaten stimmt die klassische ökonomische Theorie, die besagt, dass bei Handelsliberalisierung grundsätzlich alle beteiligten Länder profitieren.
Die Situation änderte sich grundlegend mit der aussenwirtschaftlichen Öffnung aufstrebender Märkte wie den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China), weil dadurch den arbeitsintensiven Tätigkeiten wenig qualifizierter Arbeitnehmer in den Industrieländern eine spürbare Konkurrenz auf dem Weltmarkt erwuchs und in der Folge ganze Branchen ihre Produktion in den Industrieländern um- oder ganz einstellten.
Gemischte Resultate für die USA
Neue Studien (Acemoglu et al. sowie Autor, Dorn und Hanson) schätzen, dass in den USA aufgrund chinesischer Importe seit Ende der 1990er Jahre rund 2 bis 2,4 Millionen Arbeitsplätze abgebaut wurden. Insbesondere in der Textil- und Schuhindustrie, der Herstellung von Lederwaren, Möbeln, Spielwaren und Heimelektronik ging die Zahl der Beschäftigten massiv zurück. Typischerweise handelt es sich dabei um Branchen mit einem harten Preiswettbewerb und eine Produktion, die auf viele, gering qualifizierte Arbeitnehmer setzt. Chinesische Firmen waren mit einem Heer an günstigen Arbeitskräften und einer drastisch erhöhten Produktivität wettbewerbsfähiger als viele US-Unternehmen und gewannen rasch Marktanteile.
Zu den Gewinnern der Importe aus China gehören zweifellos die US-Konsumenten, weil ihnen heute ein breiteres und insgesamt günstigeres Produktsortiment zur Verfügung steht. Dass in der amerikanischen Bevölkerung dennoch ein Unbehagen gegenüber einer weiteren aussenwirtschaftlichen Öffnung besteht, hat, zumindest teilweise, mit zwei Gründen zu tun: Erstens erfolgte die Verdrängung amerikanischer Produkte durch chinesische Importe relativ rasch, zweitens gab es einen nur ungenügenden Ausgleich zwischen den Gewinnern und Verlierern der Handelsöffnung. Trotz der hohen Arbeitsmarktflexibilität konnten die verlorengegangenen Stellen nicht schnell genug durch andere Branchen kompensiert werden. Ausserdem bietet das amerikanische Sozialsystem im Vergleich mit Europa ein weniger starkes Auffangnetz.
Positive Wirkungen für die Schweiz
Es ist aus mehreren Gründen falsch, solche Studienresultate ohne Einschränkungen auf die Schweiz zu übertragen: Die Bedeutung der erwähnten Branchen ist in der Schweiz gering, und die Konkurrenzierung durch Massenprodukte aus dem Ausland hat bereits vor einiger Zeit zu Strukturanpassungen geführt. Die verbliebenen Schweizer Anbieter verfolgen oft eine Nischenstrategie mit hochpreisigen und qualitativ erstklassigen Produkten. Die Konkurrenz durch Hersteller von Massenartikeln ist beinahe inexistent.
Das Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und China führte deshalb nicht zu negativen strukturellen Verwerfungen im grossen Massstab. Eher konnten hochspezialisierte Branchen wie die Pharma-, Maschinen- oder Uhrenindustrie von der Öffnung profitieren und China als Absatzmarkt besser erschliessen. Die Schweiz profitiert erheblich vom Freihandel mit China: Er stellt für Schweizer Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber europäischen und amerikanischen Konkurrenten dar, sichert damit Arbeitsplätze im Inland und bietet den Konsumenten mehr Auswahl und tiefere Preise bei einzelnen Produkten.
Die Integration in globale Wertschöpfungsketten, gefördert durch Freihandelsabkommen, ist eine der wichtigsten Ursachen für die Prosperität der Schweiz. Politische Angriffe auf aussenwirtschaftliche Abkommen unterminieren deshalb auch immer die Wohlstandsbasis der Schweiz.
Weiterführende Informationen finden Sie in der Avenir-Suisse-Studie «Handel statt Heimatschutz – Eine 3-Säulen-Strategie für die Aussenwirtschaft der Schweiz» (2016).