Kraftwerksüberkapazitäten und die konjunkturelle Schwäche in weiten Teilen Europas drücken seit längerem auf die Strompreise im Grosshandel. Belastend wirkt darüber hinaus die wachsende Produktion von subventionierten erneuerbaren Energien wie Wind und Photovoltaik, die mit Vorrang ins Netz eingespiesen werden und konventionelle Kraftwerkskapazitäten aus dem Markt drängen. Dies reduziert die Auslastung und damit die Wirtschaftlichkeit der fossil-thermischen Kraftwerke, die über den Markt finanziert werden. In Deutschland aber auch anderen europäischen Ländern fordern daher Kraftwerksbetreiber seit kurzem zusätzliche Subventionen für die Bereitstellung von Produktionskapazitäten, die auch in Zeiten fehlenden Winds zur Verfügung stehen und die nötige Systemstabilität garantieren.

In begrenztem Ausmass gibt es solche Kapazitätszahlungen an Kraftwerksbetreiber bereits heute. Im Rahmen der Erbringung von Systemdienstleistungen beschaffen Netzbetreiber wie Swissgrid sogenannte Regelenergie bei den Kraftwerksbetreibern, die nicht nur für eine allfällige Produktion sondern auch für die blosse Vorhaltung von Kapazitäten entschädigt werden. Die Regelenergie wird vom Netzbetreiber abgerufen, um kurzfristige Abweichungen des vorgesehenen Angebots bzw. der Nachfrage auszugleichen. Der eng definierte Regelenergiemarkt alleine schafft jedoch nur beschränkte zusätzliche Investitionsanreize. In verschiedenen liberalisierten Strommärkten wurden daher schon vor einigen Jahren (mit mehr oder weniger Erfolg) weitere Anreizinstrumente etabliert, sogenannte Kapazitätszahlungen oder Kapazitätsmärkte.

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Konventionelle Energie auf Abruf

Solche zusätzlichen Ertragsmöglichkeiten wurden jedoch noch nicht mit einem wachsenden Anteil erneuerbarer Energien begründet, sondern vielmehr in der vermuteten fehlenden Wirtschaftlichkeit von Kraftwerken, die nur bei ausserordentlich starken Nachfragespitzen zum Einsatz kommen. Die durch Kapazitätszahlungen zusätzlich geschaffenen Kraftwerke sollten im Grunde verhindern, dass während Perioden mit sehr hoher Nachfrage besonders starke Preisausschläge resultieren. Aus ökonomischer Perspektive entspricht dies einer Art Preisobergrenzenregulierung. Umgekehrt bedeutet dies, dass Kapazitätsmärkte in erster Linie dann nötig sind, wenn der Regulator bzw. Gesetzgeber eine Preisobergrenze bereits festgelegt hat, so dass in Zeiten der Spitzennachfrage keine besonders hohen Preise resultieren können, die für einen Ausgleich von Angebot und Nachfrage im Netz sorgen. Aber genau diese hohen Preise bräuchte es, um die notwendigen Investitionsanreize für flexible Kraftwerke sowie (Pump-) Speicherwerke oder umgekehrt bei den Konsumenten Anreize für spezifische Verbrauchsreduktionen während den Spitzenlastzeiten zu schaffen.

Die Herausforderung durch die subventionierten erneuerbaren Energien ist mit den fehlenden Investitionsanreizen für Spitzenlastkraftwerke vergleichbar. Dies lässt sich einfach illustrieren. Wird die Produktion von Wind und Photovoltaik von der Gesamtnachfrage abgezogen, resultiert eine geringere Residualnachfrage, die von den konventionellen Kraftwerken gedeckt werden muss. Viele konventionelle Kraftwerke kommen nur noch während einer besonders hohen Residualnachfrage zum Einsatz. Die Subventionierung von konventionellen Kraftwerken entspricht daher einer faktischen Preisregulierung – die Preisspitzen werden gebrochen, die -ausschläge reduziert. Ob und wie effektiv dies in der Praxis umgesetzt werden kann, ist jedoch fraglich. Schliesslich sind die Strommärkte grenzüberschreitend, so dass Subventionen in einem Land nur beschränkten Einfluss auf die Preise haben. Vor allem ein kleines Land wie die Schweiz könnte mit einem eigenen Kapazitätsmarkt kaum Einfluss auf die Preise im Inland nehmen.

Auch die Verbraucher sollten sich an Marktpreise gewöhnen

Als Alternative zum Kapazitätsmarkt bietet sich in erster Linie eine konsequentere und unverzerrte Anwendung von Marktpreisen an. So sollten die Tarife der Endkunden noch enger an die Preise im börslichen Handel (Spotmarkt) gekoppelt werden, so dass den Konsumenten stärkere Anreize vermittelt werden, ihren Verbrauch an das momentane Angebot im Markt anzupassen. Das gelänge etwa durch den Einsatz von Smart-Grid-Lösungen. Gerade in der Schweiz, wo die Tarife durch die Gestehungskostenregel in der Grundversorgung faktisch reguliert werden, ist man jedoch heute von derart flexiblen Preismodellen weit entfernt.

Zudem sollten die Marktpreise für alle Produzenten relevant sein, also auch für die Betreiber von neuen erneuerbaren Energien. Diese erhalten bisher sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz eine feste Vergütung pro eingespiesener Energie. Damit aber werden keine sinnvollen Produktionsanreize vermittelt. Schliesslich würde kein Windkraftbetreiber seine Anlage bei starkem Wind vom Netz nehmen, etwa um diese zu warten. Doch gerade dann könnte eine Ausserbetriebnahme sinnvoll sein, da die Netze überlastet sind und die Strompreise womöglich ins Bodenlose (oder gar Negative) fallen.

Mit wachsendem Anteil subventionierter erneuerbarer Energien nehmen die Markt- bzw. Investitionsverzerrungen zu. Die mit den Subventionen zusammenhängenden Effizienzverluste liessen sich durch eine Anpassung des bisherigen Systems der festen Einspeisevergütung reduzieren. Sinnvollerweise müssten allfällige Förderbeiträge in Form einer fixen, einmaligen Zahlung erfolgen, während der Erlös aus dem Markt eine zusätzliche variable Entschädigung darstellt, die korrekte Produktionsanreize vermittelt. Dieser Umbau der Kostendeckenden Einspeisevergütung wäre denn auch ein erster Schritt hin zum dringend nötigen Abbau der Subventionswirtschaft im Strommarkt. Denn längerfristig sollten alle Technologien ohne Subventionen auskommen.