Für lange Zeit war die Rolle der öffentlichen Hand beim Bau und Betrieb der Verkehrsinfrastruktur in den meisten Ländern Europas allumfassend: Der Staat war Eigentümer der «nationalen» Fluglinie und der «staatlichen» Eisenbahngesellschaft, und er schützte als Regulator deren Monopolstellung, statt den Wettbewerb zu fördern. Er baute und betrieb die physische Infrastruktur in Form von Flughäfen, Häfen sowie des Strassen- und Schienennetzes. Die verschiedenen Rollen des Staates als Financier, Betreiber und Regulator waren dabei, häufig auf verschachtelte und wenig transparente Weise, miteinander verknüpft.

Aber Wettbewerb und Privatsektorbeteiligung als Kernprinzipien der liberalen Wirtschaftsordnung wirken auch im Bereich der Verkehrsinfrastruktur: Erstens bringen private Investoren frisches Kapital für den Bau neuer und Privatisierungserlöse beim Verkauf bestehender Infrastruktur – in Zeiten überbordender Staatsverschuldung eine willkommene Entlastung der öffentlichen Finanzen. Zweitens fördern das Profitmotiv und die Kontrolle durch den Kapitalmarkt die Kostendisziplin in Form professioneller Planung und Steuerung von Bauprojekten, schlanker Verwaltungsstrukturen beim Betrieb etc. Und drittens ist der Wettbewerb eine Triebfeder von Effizienz und Innovation.

Gleichzeitig gilt: Für reine Marktlösungen ist Verkehrsinfrastruktur oft nicht geeignet, denn in vielen Fällen handelt es sich hier um «natürliche Monopole», d.h. der Bau einer parallelen Infra­struktur lohnt sich aufgrund der hohen Fixkosten nicht. Strassen- und Schienensysteme sind «Netzwerkindustrien», die integral gemanagt werden müssen – und sich eben nicht beliebig in einzelne Investmentpakete aufteilen lassen. Wichtige Bereiche des Verkehrssystems haben die Eigenschaften von öffentlichen Gütern bzw. werden aus politischen Erwägungen heraus – z.B. soziale Gerechtigkeit oder Kohäsion des Landes – subventioniert. Andere gelten als strategisch für die nationale Sicherheit (z.B. Flughäfen) oder sind aus Sicherheitsgründen stark reguliert (z.B. Flugverkehr).

Bei der Privatisierung von Verkehrsinfrastruktur geht es folglich nicht um einfache «Verkäufe». Erstens gibt es eine Vielfalt unterschiedlicher Privatisierungsinstrumente mit diversen Mischformen zwischen öffentlich und privat. Zweitens sind die Rahmenbedingungen, unter denen eine Privatisierung stattfindet, entscheidend. Konkret bedeutet das: Sie sollten eingebettet sein in eine Sektorstrategie und flankiert durch eine clevere Regulierung. Drittens spielt die Qualität, mit der Privatisierungsprojekte vorbereitet und implementiert werden, eine entscheidende Rolle für den Erfolg einer Privatisierung. Im Idealfall sind positive Effekte auf die Staatsfi­nanzen, die Effizienz des Verkehrssektors und volkswirtschaftliche Grössen wie Investitionen oder Wertschöpfung zu erwarten.

Bevor man das Für und Wider von Privatisierungen diskutiert, sollte man zunächst einige jener Probleme rekapitulieren, die mit staatlichem Eigentum und Betrieb von Verkehrsinfrastrukturen verbunden sind. Denn es geht letztlich um die Frage: Wo können es private Unternehmer besser?

Missmanagement: Grossflughafen Berlin

Kaum ein anderes Investitionsprojekt illustriert die Schwächen von Politik und Verwaltung bei der Durchführung komplexer Bauprojekte eindrücklicher. Vier Wochen vor der geplanten Eröffnung 2007 wurde diese wegen Bau- und Planungsmängeln abgesagt – und selbst zwölf Jahre später ist noch immer unklar, wann bzw. ob der Flughafen je eröffnen wird. Die Kosten explodierten von 2 Mrd. Euro auf inzwischen 7,5 Mrd. Euro. Ursprünglich sollte das Projekt vor Baubeginn an einen Investor verkauft werden. Nach einem Bieterwettbewerb waren die Verträge bereits ausgehandelt, bevor die Landesregierungen von Berlin und Brandenburg sich gegen einen «Verkauf des Tafelsilbers» entschieden. Wäre es zu diesem Verkauf gekommen, hätte eine effektivere Projektsteuerung unter privatem Management das Debakel vermutlich verhindert – zumindest aber wären für die zusätzlichen Kosten private Eigentümer statt der Steuerzahler aufgekommen. Mit den Privatisierungserlösen hätten zudem Staatsschulden getilgt werden können.

Politischer Aktivismus: das Swissair-Grounding

Ebenfalls kostspielig für den Steuerzahler wurde ein Fall staatlicher Industriepolitik: die Rettung der Swissair nach ihrem Grounding. Der Schweizer Staat pumpte 1,7 Mrd. Franken in die nationale Fluglinie, bevor sie für einen Spottpreis an die deutsche Lufthansa ver­äussert wurde. Unter dem Management der bereits privatisierten Muttergesellschaft gelang der Swiss ein Wiederaufstieg wie Phoenix aus der Asche – sie wurde zur Cashcow der Lufthansa-Gruppe.

Der Stolz der Nation kostete den Staat 1,7 Mrd. Franken: Boeing 747-257 B, HB-IGB «Zürich» in Zürich-Kloten vor dem Swissair-Grounding. (ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv)

Hätte der Schweizer Staat die Swissair nicht gerettet, hätten andere Fluggesellschaften ihre ursprünglichen Strecken übernommen, so wie dies kürzlich nach der Pleite der deutschen Air Berlin geschah, die sich dadurch unterm Strich kaum negativ auf die deutsche Luftfahrtbranche auswirkte. Übrigens: Mit dem für die Rettung der Swissair verwendeten Geld hätte man zum damaligen Börsenkurs theoretisch eine Mehrheit an der Lufthansa-Gruppe erwerben können.

Fehlgeleitete Investitionen: föderales Wunschkonzert auf Strasse und Schiene

Ein Grundproblem staatlicher Hoheit über die Verkehrsinfrastruktur ist eine Politisierung von Investitionsentscheiden. In den letzten Jahrzehnten wurden in der Schweiz für den Ausbau der Bahn- und Strasseninfrastruktur immer neue Milliardenpakete geschnürt. Bei der Auswahl der finanzierten Projekte spielten dabei oft mehr regionale Proporzerwägungen als verkehrspolitische Kriterien eine Rolle. So ging etwa die Fabi-Vorlage für die Finanzierung und den Ausbau der Bahninfrastruktur mit 3 Mrd. Franken ins Parlament und kam dort mit 6 Mrd. Franken wieder heraus. Warum? Nur durch die Verdoppelung konnten genug kantonale Wunschprojekte und damit die Mehrheit im National- und Ständerat gesichert werden! Zwei der grössten Ausbauprojekte im Nationalstrassennetz waren in der letzten Dekade der Bau der Transjurane (6,5 Mrd.) und der Bau der Autobahn im Oberwallis (2,5 Mrd.). Durch diese Luxusprojekte wurden 9 Mrd. Franken in kaum befahrene Nebenstrecken des Nationalstrassennetzes gepumpt – während sich der Verkehr auf der stark frequentierten Mittellandachse A1 auf immer mehr Kilometern staute.

Mangelnde Kostenwahrheit: hochsubventionierter Schweizer öV

Ein strukturelles Problem staatlich betriebener Infrastruktur ist oft fehlende Kostenwahrheit und damit einhergehende intransparente Subventionsströme. So liegt etwa der Kostendeckungsgrad beim Personenverkehr auf der Schiene in der Schweiz bei nur 41 Prozent, d.h. der Nutzer zahlt von den von ihm verursachten Kosten weniger als die Hälfte. Die verbleibende Lücke muss jedes Jahr durch Subventionen in Milliardenhöhe geschlossen werden, mit einem selbst für Experten schwer durchschaubaren Geflecht von Transfers auf allen drei Staatsebenen. Gegen staatliche Zuschüsse für klar definierte Service-public-Leistungen ist im Grundsatz nichts einzuwenden. Problematisch sind jedoch intransparente Subventionstatbestände und politische Verantwortlichkeiten, die zu «Subventionsspiralen» führen können, wie sie exemplarisch im Schweizer öV zu beobachten sind.

Bürokratie und Klientelismus: Staatsbahnen in Italien und Österreich

Die staatlichen Eisenbahngesellschaften in Italien und Österreich sind Beispiele dafür, wie komplexe Staatsbetriebe mit diffusem Service-public-Auftrag und verschachtelten Finanzierungsstrukturen zu Milliardengräbern werden können – durch einen Cocktail aus politischer Einflussnahme, staatlicher Verwaltungsbürokratie, mächtigen Gewerkschaften und Klientelismus. Beide Gesellschaften waren über Jahrzehnte gekennzeichnet durch einen massiven Personalüberhang, Privilegien für Staatsbedienstete wie Frühpensionierungen, ein komplexes Netzwerk aus unternehmerischen Aktivitäten jenseits des Kerngeschäftes etc. und in der Folge durch enorme Ineffizienzen und finanzielle Defizite. In beiden Fällen mündete diese Misere letztlich in umfassenden Restrukturierungen – begünstigt durch die Umsetzung der bislang vier «Bahnpakete» der EU. Diese erfordern unter anderem eine buchhalterische und organisatorische Trennung von Infrastruktur und Verkehr, Regelung des Netzzugangs etc.

Teil 2: «Public Private Partnership: Lernen aus Misserfolgen»

Dieser Beitrag ist in der März-Ausgabe 2019 des Magazins «Schweizer Monat» erschienen.