Die Covid-Krise hatte auch ihr Gutes. Öffentliche und private Akteure bündelten zur Bekämpfung des Virus ihre Kräfte in einem noch nie dagewesenen Ausmass, auch wenn der Kooperationsgrad sich von Kanton zu Kanton unterschied.

Die Überlastung der Intensivstationen konnte nur dank des Engagements von Ärzten und Pflegefachpersonen aus der gesamten Versorgungskette vermieden werden: in Arztpraxen, Pflegeheimen und Spitex-Organisationen.

Die Krise hat uns die Vorteile eines von der Basis her organisierten Gesundheitssystems vor Augen geführt: Wer täglich mit den Patienten zu tun hat, kann die Erbringung medizinischer Leistungen besser anpassen als die Experten in den kantonalen und eidgenössischen Ämtern. Natürlich ist das System nicht perfekt, und es gibt zahlreiche Ineffizienzen und finanzielle Anreize, die gegen die Interessen der Prämienzahler, der Steuerzahler und manchmal auch der Patienten arbeiten.

Die richtigen Rahmenbedingungen

Bevor man jedoch nach mehr staatlichen Eingriffen ruft, um diese Defizite kompensieren zu wollen, sollte man bedenken, dass Staatsversagen ebenso häufig vorkommt wie Marktversagen. Die oft kritisierten Medikamentenpreise werden nicht von der Pharmaindustrie, sondern durch das Bundesamt für Gesundheit festgelegt. Letzteres genehmigt auch die Krankenversicherungsprämien. Ein Überangebot an Spitälern wird durch politische Entscheide (z.B. die Abstimmung über die Beibehaltung von Spitalstandorten im Kanton Zürich) oder durch die Finanzierung fragwürdiger gemeinwirtschaftlicher Leistungen aufrechterhalten, wobei der Kanton Waadt den unglücklichen Rekord für die höchsten Ausgaben pro Einwohner in der Schweiz hält.

Die Qualität der ambulanten Pflege, sowohl in häuslichen Pflegeeinrichtungen als auch in Arztpraxen, ist eine Blackbox. (Unsplash)

Anstatt den Gesundheitssektor bis ins kleinste Detail zu regulieren, indem der Staat Spitallisten oder Mindest- und Höchstdichten von Ärzten nach oft willkürlichen Kriterien festlegt, sollte er Rahmenbedingungen entwickeln, die den grössten Beitrag zur Gesundheit pro investiertem Franken garantieren. Dieses Wertverhältnis ist jedoch kaum dokumentiert. Für einen Sektor mit einer Wertschöpfung von über 80 Mrd. Fr. pro Jahr – das entspricht in etwa dem gesamten BIP Luxemburgs – ist die mangelnde Transparenz in Bezug auf die Qualität unseres Gesundheitssystems überraschend.

Messung von Qualität und Relevanz

Zwar erheben die Spitäler Qualitätsindikatoren (ANQ), und Pflegeheime ziehen seit kurzem nach. Ihre Kennzahlen beschreiben jedoch hauptsächlich die klinische Qualität der Behandlungen, nicht deren Relevanz. Darüber hinaus bleibt die Qualität der ambulanten Versorgung, sowohl in Spitex-Organisationen als auch in Arztpraxen, eine Blackbox.

Die medizinischen Fachgesellschaften sind aufgerufen, in diesem Bereich mehr Licht ins Dunkel zu bringen. «Choosing wisely» und «smarter medicine» sind Ansätze, die in die richtige Richtung weisen. Unerlässlich aber ist ein wissenschaftlich und politisch breit abgesichertes Konzept zur Qualitätsmessung sowohl der Indikation wie auch der  Behandlung. Andernfalls besteht das Risiko fort, dass der Einsatz wertvoller Ressourcen nur zu einem suboptimalen Ergebnis führt. Ohne diese Qualitätsmessungen fehlen sonst auch den Ärzten die evidenzbasierten Argumente, um ihr Handeln im Alltag zu legitimieren oder den wachsenden bürokratischen Anforderungen zu begegnen. Qualitätsmessung ist nicht nur für das Wohl der Patienten, sondern auch für die Nachhaltigkeit unseres liberalen Gesundheitssystems unerlässlich.