Gemäss einer Umfrage des Instituts MIS-Trend, die von Groupe Mutuel in Auftrag gegeben wurde, haben zwei Drittel der Bevölkerung Vertrauen in das Drei-Säulen-System. Diese Zuversicht fällt aber je nach Säule sehr unterschiedlich aus. Nur 61 Prozent vertrauen auf die finanzielle Stabilität der AHV, auf die berufliche Vorsorge hingegen 66 Prozent und auf die Säule 3a 74 Prozent.

Angesichts der Bedächtigkeit und der Fehlschläge bei den Reformen überlassen die Schweizerinnen und Schweizer die Lösung ihrer Vorsorgeprobleme nicht länger der Politik. Gemäss derselben Umfrage gehen 41 Prozent der befragten Personen davon aus, dass sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen müssen, bevor dies der Staat (34%) oder der Arbeitgeber (19%) tun. Diese Philosophie der geteilten Verantwortung entspricht der diversifizierten Struktur der drei Säulen in der Altersvorsorge.

Die in solchen Umfragen geäusserten Meinungen müssen jedoch mit Vorsicht genossen werden. Die Aussagen verpflichten denjenigen, der sie macht, zu nichts. Ausserdem verlangt es der Zeitgeist, solche Fragen entsprechend zu beantworten. Es bleibt also abzuklären, ob die Schweizerinnen und Schweizer sich tatsächlich so verhalten, wie sie es behaupten.

Starker Anstieg der Einkäufe

Bei der 2. Säule scheint dies der Fall zu sein. Innerhalb von zehn Jahren stieg die jährliche Einkaufssumme durch Versicherte in Festanstellung von vier auf sechs Milliarden Franken. Auch wenn in dieser Zeitspanne die Zahl der in der 2. Säule Versicherten stark gestiegen ist, stellt dies eine Zunahme des durchschnittlichen Einkaufs pro Person um knapp 30 Prozent dar: Der Betrag stieg von 1100 Franken pro versicherter Person im Jahr 2008 auf 1400 Franken im Jahr 2018.

Der Zuwachs der Einkäufe belegt das grosse Vertrauen in die Stabilität der 2. Säule, trotz des akuten Reformbedarfs. Diese Entwicklung kann durch weitere Faktoren erklärt werden: Erstens stiegen in dieser Zeit die teuerungsbereinigten Löhne, was höhere Ersparnisse ermöglichte.

Zweitens sind die BVG-Mindestzinssätze zwar tief, sie bleiben aber interessant im Vergleich zu den gegen null strebenden Zinsen, die Banken auf Sparkonten anbieten.

Und drittens ist ein demografischer Effekt zu beobachten: Die geburtenstarken Babyboomer-Generationen kommen nämlich in ein Alter, in dem das Thema Vorsorge an Bedeutung gewinnt. Mit den sinkenden Umwandlungssätzen der umhüllenden Pensionskassen wird das Aufstocken des Altersguthabens zur Wahrung des Rentenniveaus zu einer Priorität für zahlreiche künftige Rentnerinnen und Rentner.

Das Alter ist weniger weit weg, als man denkt. (Joshua Earle, Unsplash)

Schwankendes Interesse für 3a-Lösungen

Auch die Guthaben in der 3. Säule, sei es auf einem Bankkonto oder bei einer Versicherung, verzeichnen einen starken Anstieg. Sie haben sich zwischen 2008 und 2018 verdoppelt und stiegen von 61 auf 123 Mrd. Franken, obwohl die Erwerbsbevölkerung in dieser Zeit nur um 14 Prozent wuchs. Die Zukunft wird weisen, ob sich dieser Trend fortsetzt.

Im Gegensatz zur 2. Säule wird bei der 3. Säule kein Mindestzinssatz vorgegeben. Mit dem Einbruch der Zinsen zögern viele Personen, ihr Geld bis zur Pensionierung in der 3. Säule zu blockieren. Auch zwischen den Regionen schwankt das Interesse für diese Form des Sparens. Gemäss einer Studie der Credit Suisse investieren 61 Prozent der Deutschschweizer regelmässig in ihre 3. Säule gegenüber 54 Prozent der Romands und nur 44 Prozent der Tessiner. 2014 wurden die höchsten jährlichen Einzahlungen im Kanton Appenzell Innerrhoden (im Schnitt rund 2300 Franken) verzeichnet, die tiefsten im Kanton Jura (im Schnitt rund 1200 Franken).

Nicht untätig abwarten

Zahlreiche Schweizerinnen und Schweizer nehmen also ihr Schicksal selbst in die Hand, doch dies bedeutet nicht, dass sich die Politik auf ihren Lorbeeren ausruhen darf. Die Umfrage von MIS-Trend ergab eine beunruhigende Erkenntnis: 52 Prozent der Bevölkerung gehen davon aus, dass «ihr Lebensstandard (auch nach der Pensionierung) unter oder gar deutlich unter demjenigen ihrer Eltern» liegen wird. Nur 19 Prozent rechnen mit einer Verbesserung. Dieses mangelnde Vertrauen in den Wohlstand des Landes muss uns zu denken geben, denn die beste Form der Vorsorge besteht – unabhängig von der Säule – darin, eine Stelle zu haben.

Die Grabenkriege rund um die Reformversuche von AHV und BVG haben zu einer Verstrickung in eine Logik der Umverteilung und zur Verteidigung von Errungenschaften geführt. Um aber unsere Vorsorge langfristig zu garantieren, müssen wir an die Erfolgsfaktoren anknüpfen, die zum schweizerischen Wohlstand geführt haben.

Es wird Zeit, dass die Politik wieder optimistischere Zukunftsvisionen entwickelt, die auf einer Öffnung gegenüber unseren Nachbarn und anderen Handelspartnern beruhen. Ein Rückzug ins Reduit ist keine Option. Auch zukunftsweisende Technologien sollten gefördert statt im An­satz erstickt werden.

Dieser Beitrag ist in der «Schweizer Personalvorsorge», Ausgabe 11/20, erschienen.