Vielleicht wird man in hundert Jahren einmal auf die heutige Zeit zurückblicken und sich wundern, wie oft damals das Adjektiv «smart» verwendet wurde. Am häufigsten dürfte die Wortkombination Smartphone vorkommen, aber auch im Zusammenhang mit der Landwirtschaft, Nahrungsmitteln oder der Mobilität ist davon die Rede. Vieles ist Marketing, zukünftige Menschen werden deshalb in hundert Jahren auf unsere heutige Zeit zurückblicken und wahrscheinlich einen Gesichtsausdruck zwischen belustigt und milde lächelnd haben. Denn die Zukunft dürfte noch «smarter» werden.

Was bedeutet «smart» heute? In den meisten Fällen steht es für etwas Neues, Pionierhaftes, Visionäres, Überlegenes und Intelligentes. Treiber der «Smartness» ist die Digitalisierung, die neue Lösungsansätze und Geschäftsmodelle ermöglicht.

Innovatives Management

Im Zusammenhang mit Energie – darauf liegt der Fokus im Folgenden – ist die Begriffserweiterung «smart» längst angekommen. In der Branche ist die Rede von einem «Smart Grid», das Strom in eine «Smart City» überträgt, in der lauter «Smart Homes» mit «Smart Meters» stehen. «Smart Energy» heisst in diesem Kontext neue Lösungen für Verbraucher, oft angeboten von neuen Unternehmen. Und diese müssen nicht zwingend aus der Energiebranche stammen: In der Pole-Position sind Informations- und Telekommunikationsunternehmen, die sich mit der Übertragung und der intelligenten Verarbeitung von Daten auskennen. Potenziale ergeben sich aus dem innovativen Management von Energieerzeugung, Energiespeicherung und -übertragung, Verbrauchssteuerung und Abrechnung. Der Verkauf reiner Kilowattstunden dürfte dann vorbei sein. In Zukunft werden stärker an den Konsumentenbedürfnissen orientierte Angebote dominieren, die Mehrnutzen stiften, zum Beispiel der Verkauf von Wärme, Mobilität oder die Synchronisation ganzer Produktionsprozesse.

Smartness ist keine heutige Erfindung: Prüftransformator des Institutes für Elektrotechnik im alten Physikgebäude der ETH Zürich (1933). ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv

Weitere Folgen sind denkbar: So wird die Installation von immer mehr regelbaren «Smart Meters» eine gegenüber heute viel feinere Steuerung der Lasteinschränkungen oder Abschaltungen bei einem Energieengpass erlauben. Es ist denkbar, dass Stromkonsumenten zukünftig ihr durch den Anbieter garantiertes Sicherheitsniveau der Versorgung selbst wählen und dafür zusätzlich bezahlen und bei einer Verletzung im Gegenzug eine Entschädigung in der entsprechenden Höhe kassieren. Die Nachfrager könnten sogar bestimmen, welche Bedarfsgruppen im Haushalt in einem Notfall zuerst abgeschaltet würden. Die Präferenzen würden dann viel genauer erfasst, die Konsumentensouveränität stiege. Gegenüber heute wären damit auch volkswirtschaftlich relevante Effizienzgewinne realisierbar, da die Strominfrastruktur nicht mehr auf den absoluten Krisenfall ausgelegt werden müsste, sondern sich stärker an der unter normalen Umständen zu erwartenden Auslastung orientieren könnte.

Doch ist die Schweizer Politik bereit, «Smart Energy» eine Chance zu geben? Zumindest in Bern ist sie ein Thema und dies bereits seit längerem: Ganze 283 Einträge zählt die Website der Bundesversammlung zu «Smart» und «Energie» in den letzten zehn Jahren. Doch dies ist nichts im Vergleich zur Stichwortsuche mit dem Begriff «Energie» alleine, die über 16 000 Treffer anzeigt. Bei genauerer Betrachtung scheint die politische Debatte eher durch Dogmatisches und weniger durch Visionäres wie der «Smart Energy» geprägt zu sein. Dabei wären neue Ansätze zwingend notwendig, um unsere Energiepolitik neu auszurichten. Zwar gab sich die Schweiz eine Energiestrategie 2050 und als erstes Massnahmenpaket wurde das viel diskutierte Energiegesetz umfassend revidiert. Das zweite Paket erlitt aber bereits im Parlament Schiffbruch, der weitere Weg der Strategieumsetzung ist deshalb unklar.

Grundsätzlich bewegt sich die Energiepolitik in einem Trilemma zwischen Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit unter Restriktion der technischen, oft auch physikalischen Machbarkeit. Eine nahezu hundertprozentige Versorgungssicherheit lässt sich nur mit immensen Kosten erreichen und kann – je nach eingesetztem Energieträger – das Ziel der Nachhaltigkeit beeinträchtigen. Es ist deshalb eine Illusion zu meinen, mit der Energiepolitik könnten die genannten Ziele konfliktfrei und gleichzeitig erreicht werden. Eine Möglichkeit wäre, statt teilweise detaillierter Markteingriffe – wie beispielsweise bei der energetischen Gebäudesanierung – vermehrt die Produzenten und Konsumenten entscheiden zu lassen. Energiepolitik beschränkt sich dann auf das Setzen von Rahmenbedingungen.

Drei Grundsätze

Folgende Grundsätze können die Leitlinie definieren helfen:

• Erstens: Versorgungssicherheit heisst Offenheit und Kooperation. Dazu gehören Massnahmen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit der Schweiz durch eine Diversifikation der Bezugsquellen und Eigentümerschaft. Dies bedingt auch den Abschluss von weiteren Abkommen mit anderen Staaten, zu denken ist insbesondere an das Strommarktabkommen mit der Europäischen Union. Angesichts der Tatsache, dass rund 70 Prozent unserer Energie importiert werden muss, irritiert die Stossrichtung der Schweizer Politik mehr als sie beruhigt. Ein Beispiel ist die kürzlich vorgebrachte Forderung, die Strom-Infrastruktur der «Lex Koller» zu unterstellen, d. h. ausländischen Investoren den Zugang zu verbieten. Gleichzeitig wird beklagt, dass niemand gewillt ist, grosse Summen in die Schweizer Wasserkraft zu investieren, weshalb regelmässig der Ruf nach weiterer, staatlicher Unterstützung zugunsten des «Herzstücks» der Schweizer Energiebranche erschallt.

  • Zweitens: Für das Ziel der Nachhaltigkeit müssen Marktverzerrungen abgebaut werden. Dies bedeutet, klimaschädigende Emissionen zu verteuern, gleichzeitig aber die Subventionen und viele damit verbundene Förderprogramme abzubauen. Denn die so ausgeschütteten Gelder verletzen das Gebot der Technologieneutralität. Die politisch gesetzten ökonomischen Anreize zugunsten bestimmter Technologien erschweren den Durchbruch von Ideen in den nicht geförderten Bereichen. Dazu können auch – heute noch nicht bekannte – «Smart Energy»- Lösungen gehören. Bei der Verteuerung des Ausstosses von Klimagasen sollte die Effizienz einer Massnahme im Vordergrund stehen, also die höchstmögliche Reduktion von Klimagasen zu den tiefsten Kosten. Gerade in einem Land mit bereits hohen Kosten für jede zusätzlich eingesparte Tonne Klimagase wäre die Möglichkeit einer Kompensation im Ausland sinnvoller. Dies ergibt nicht nur ökonomisch mehr Sinn, sondern bringt unter dem Strich auch dem Klima mehr.
  • Drittens: Die Wirtschaftlichkeit durch mehr Wettbewerb steigern. Dieser Punkt ist der stärkste Treiber für Innovationen. In der Schweiz sind essentielle Reformen auf der Hälfte der Wegstrecke liegengeblieben, so hätte die vollständige Strommarktöffnung ursprünglich bereits im Jahr 2014 erfolgen sollen. Aber noch immer versorgen staatlich dominierte Akteure als Monopole die privaten Haushalte und das Kleingewerbe. Die Gefahr ist real, dass durch die verzögerte Liberalisierung des zweiten Teils des Strommarktes Schweizer Anbieter den Anschluss an die internationale Konkurrenz verlieren. Im Gegensatz zu ihren Wettbewerbern müssen sie sich mit ihren Angeboten für Kleinbezüger noch nicht im freien Markt bewegen. Die Konkurrenz verfügt hingegen über einen Startvorteil, weil sie auf gemachte Erfahrungen im Ausland zählen kann.

Begrifflichkeiten hin oder her: Für den Durchbruch von «Smart Energy»-Lösungen benötigen wir eine «Smart Energy Policy». Dies ist gerade für die Schweiz wichtig, deren Wohlstand zu grossen Teilen und wiederholt daraus entstanden ist, intelligente Lösungen zu entwickeln, zu industrialisieren und international als marktfähige Produkte zu verkaufen. Packen wir hier und jetzt die sich bietenden Chancen der «Smart Energy», indem wir dafür die geeigneten politische Rahmenbedingungen schaffen.

Dieser Beitrag ist am 30. Juni 2018 in der Verlagsbeilage der «Finanz und Wirtschaft» zum Forum «Smart Energy 2018» erschienen.