Beim Annual Dinner für die Förderer von Avenir Suisse sprachen drei hochkarätige Referenten über den Staat als wirtschaftlichen Akteur.

«Das gibt uns eine völlig neue Perspektive», schwärmte Philipp Hildebrand, Direktionspräsident der Schweizerischen Nationalbank. Zum Annual Dinner für die Förderer lud Avenir Suisse in den Prime Tower ein, das gegenwärtig höchste Gebäude der Schweiz, das die Förderin Swiss Prime Site in Zürich-West erstellt hat und das am 1. Dezember mit der Inbetriebnahme des Restaurants «Clouds» endgültig eröffnet wird. Auf dem 34. Stock, der künftig für Tagungen und Sitzungen offensteht, herrscht gegenwärtig auf knapp 120 Meter Höhe noch eine atemberaubende 360-Grad-Rundsicht. «Ein solcher Ort beflügelt», scherzte Andreas Schmid, Präsident der Förderstiftung – «wenn man keine Höhenangst hat».

Annual Dinner 2011 Avenir Suisse

Einen Überblick sollten die Gäste aber auch sonst bekommen: Einerseits über die Arbeit von Avenir Suisse, die laufenden Projekte, die verstärkte Kommunikation und den Ausbau des Personals, anderseits über die Tätigkeit des Staates in der Wirtschaft. Avenir Suisse arbeitet derzeit an einer Studie zum Service Public. Und beim Annual Dinner äusserten sich drei hochkarätige Referenten zum Staat als wirtschaftlichem Akteur.

Philipp Hildebrand hob die Unabhängigkeit der Nationalbank heraus. Zu Beginn warf er die Frage auf: «Ist die Unabhängigkeit der SNB so gross, dass sie letztlich ausserhalb des demokratischen Systems steht?» Die Unabhängigkeit ist weder absolut noch bedinungslos. So legt die Nationalbank regelmässig beim Parlament Rechenschaft ab und informiert die Öffentlichkeit, betonte Hildebrand: «Ich wage die These, dass die Nationalbank noch nie so transparent gewesen ist wie heute.» Die SNB brauche die Unabhängigkeit, um ihren Auftrag optimal erfüllen zu können. Doch diese Stellung sei latent gefährdet: «Es war richtig, dass die Notenbanken weltweit mit den Regierungen eng zusammenarbeiteten. Das Risiko besteht nun jedoch darin, dass bei der Politik damit falsche Erwartungen geweckt worden sind», warnte Hildebrand. Die Entscheide der Notenbanker dürften stets nur von ihrem Auftrag geleitet sein: der Preisstabilität.

Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch, eben als Staatssekretärin angetreten, stellte den Gästen vor, was das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco für den Standort Schweiz leistet: mit dem Sicherstellen eines liberalen Arbeitsmarktes, dem Fördern der Exporte durch Osec und Exportrisikogarantie, dem Entwickeln einer KMU-freundlichen Politik, die der Bundesrat im September mit einem Bericht vorstellen will. Als bisherige Beauftragte für Handelsabkommen ging die Staatssekretärin aber vor allem auf die Doha-Runde der WTO ein. Diese drohe nach zehn Jahren einzuschlafen, vor allem weil die Schwellenländer mit ganz neuen Ansprüchen aufträten: «Ich hoffe, dass die Verhandlungen irgendwann wie Dornröschen mit einem Kuss aufgeweckt werden.» Umso wichtiger würden die Freihandelsabkommen und vor allem die Beziehungen zur EU, mahnte Ineichen-Fleisch: «Wir können es uns nicht leisten, nichts zu tun.»

Avenir Suisse Annual Dinner 2011

Der SRG-Generaldirektor Roger de Weck hob hervor, sein Unternehmen sei nach dem Milizprinzip ein privater Verein mit Verfassungsauftrag. Für diesen Service Public gebe es vier Gründe. Erstens leiste die SRG einen wesentlichen Beitrag zu einem «öffentlichen Raum Schweiz» und zum Zusammenhalt eines heterogenen Lands: Sie erfülle den Auftrag des Gesetzgebers, der deutschen, französischen und italienischen Schweiz gleichwertige Radio- und TV-Programme zu bieten (und der rätoromanischen Schweiz ein Mindestangebot). Die SRG sorge dafür, dass die kleineren Sprachgruppen bei Radio und TV nicht benachteiligt würden; das sei ein Beitrag zur Stabilität der Schweiz. Zweitens lasse sich in den audiovisuellen Massenmedien nur mit öffentlicher Finanzierung «qualité populaire» erzielen, Qualität für ein breites Publikum. Privates Fernsehen sei in Europa durchwegs Boulevard-TV. Nach dem Boulevard-Prinzip wird nur das Interessante aufgegriffen: das, was sich verkauft, was “zieht”. Im Service public hingegen wird neben dem Interessanten auch das Relevante aufgegriffen, das dann journalistisch interessant aufbereitet werden muss. In einer komplexer werdenden Welt geht es darum, das breiteste Publikum mit solcher Komplexität vertraut zu machen – ein Beitrag zur Qualität der Demokratie. Drittens verstehe sich das Medienhaus SRG auch als Kulturhaus, mit grossem Einsatz für die Literatur, die Musik und erst recht den Film: «Die SRG hat in den vergangenen 14 Jahren mehr als eine Viertelmilliarde in den Schweizer Film investiert. » Dieses Engagement sichere die Zukunft einer schweizerischen audiovisuellen Produktion. Und viertens müsse die SRG angesichts neuer globaler Wettbewerber wie Google und Facebook punktuelle Kooperationen mit kleineren und grösseren Schweizer Medienhäusern eingehen, um beispielsweise gemeinsam Internet-Werbung zu vermarkten und die Infrastrukturkosten zu senken. Nur so könne sich der Medienplatz – dessen Zukunft ungewiss sei – behaupten. Die Schweiz debattiere über Strategien für den Finanz-, den Werk- und den Hochschulplatz in der Globalisierung. Sie diskutiere aber über den Medienplatz, ohne den globalen Wettbewerb zu berücksichtigen, dies obwohl der Anteil von Google am Schweizer Internet-Werbemarkt 60 Prozent übersteige. Hier sei ein Paradigmenwechsel fällig. «Die vielleicht stärkste Legitimation der SRG ist aber ihr Erfolg», unterstrich de Weck. Das Sorgenbarometer der Credit Suisse – eine repräsentative Umfrage – zeige, dass Radio und Fernsehen die beiden Schweizer Institutionen seien, die am meisten Vertrauen geniessen. Die Zahlungsmoral beim Begleichen der Billag-Rechnungen sei besser denn je, das sei ein klares Zeichen der Akzeptanz. «Die öffentliche Meinung über die SRG ist weit besser als die veröffentlichte.»