Die Wirtschaftskommission des Ständerats (WAK-S) hat letzte Woche beschlossen, dass sie die Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuervorlage 17) mit der Sanierung der AHV verknüpfen möchte. Nicht dass Kuhhändel und sachfremde Gegengeschäfte schon seit jeher nicht Teil des politischen Betriebs gewesen wären, doch der gegenseitige Stimmenkauf mit der formellen Vermengung zweier so unterschiedlicher Baustellen ist neu und kommt einer Absage an die (finanz-)politischen Sitten gleich.

Eingeschränkte Entscheidungsfreiheit

Nicht nur wird das Prinzip der Einheit der Materie eklatant verletzt. Dieses besagt, dass sachfremde Gesetzesanpassungen, bzw. politische Beschlüsse nicht in einer einzelnen Abstimmungsvorlage dem Volk vorgelegt werden dürfen. Wie sollte ich beispielsweise als Stimmbürger abstimmen, wenn ich die Steuervorlage befürworte, aber den AHV-Teil ablehne? Der Stimmbürger wird damit deutlich in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt. Kantonale Vorlagen, welche die Einheit der Materie verletzen, hat das Bundesgericht auch schon mal kassiert, auf Bundesebenen ist dies jedoch nicht möglich.

AHV-Sanierung im Schlepptau der Steuervorlage 17 – oder umgekehrt? (The New York Public Library / Wikimedia Commons)

Noch gravierenden ist das Präjudiz, das ein solches Vorgehen zeigt, nämlich dass die Zustimmung zu einem spezifischen Geschäft jederzeit «erkauft» werden kann. Spinnen wir den Gedanken weiter: Plötzlich wird eine Erhöhung der Ausgaben für Bildung und Forschung mit einer Ausweitung der Landwirtschaftsunterstützung verbunden. Oder die Beschaffung neuer Kampfjets wäre durch eine gleichzeitige Erhöhung der Kinderzulagen immun gegen ein Referendum von linker Seite, egal ob das die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger so goutieren würden. Es ist absehbar, dass sich die Stabilität des Bundeshaushalts damit langfristig als das grosse Opfer herausstellen würde, denn «verknüpft» wird in der Regel kaum mit politischen Anliegen zur Senkung von Ausgaben.

Von diesen Überlegungen abgesehen, ist der erarbeitete «Kompromiss» auch inhaltlich höchst fragwürdig. Gemäss O-Ton der WAK-S soll jeder Franken Mindereinnahmen aufgrund der Steuerreform durch einen zusätzlichen Franken in die AHV-Kasse – finanziert aus erhöhten Lohnbeiträgen und Bundesmitteln – «kompensiert» (!) werden. Kompensiert wird aber nichts, sondern im Gegenteil: Bundeskasse und Steuerzahler werden statt einmal nun doppelt belastet. Dies notabene, obwohl Volk und Stände vergangenen September eine primär einnahmenseitige Sanierung der AHV abgelehnt haben.

Erfolg durch Hintertür

Auf der anderen Seite hat die WAK-S wesentliche Elemente der bundesrätlichen Version der Steuervorlage zur Minderung der Einnahmenausfälle wieder abgeschwächt (besonders die höhere Mindestbesteuerung von Dividendenbezügen). Mit diesen wollte der Bundesrat der Kritik nach der gescheiterten Unternehmenssteuerreform III Rechnung tragen. Man wird in der Konsequenz das Gefühl nicht los, dass hier zwei verschiedene Abstimmungsverlierer versuchen, ihrem Anliegen durch die Hintertür doch noch zum Erfolg zu verhelfen.

Es ist unbestritten, dass die Reform der Unternehmensbesteuerung für den Wirtschaftsstandort von höchster Bedeutung ist, der internationale Druck erlaubt keinen weiteren Aufschub. Ein erneuter Absturz an der Urne muss daher für viele Entscheidungsträger mit – im wahrsten Sinne des Wortes – allen Mitteln verhindert werden. Gleichzeitig ist man wohl auch nicht unglücklich, wenn die demografischen Herausforderungen zur Finanzierung der AHV für einige Jahre übertüncht werden. Allerdings ist es ein gar hoher Preis, die finanzpolitischen Sitten und Grundfesten für einen solchen «Kompromiss» über Bord zu werfen.