Was von vielen täglich konsumiert wird, soll auch im Krisenfall nicht fehlen. Der Bund verpflichtet deshalb ausgewählte Branchen zur Vorratshaltung, um bei Bedarf die Landesversorgung sicherstellen zu können. Die sogenannten Pflichtlager werden in der Regel über eine Importabgabe finanziert, letztlich tragen die Konsumenten die Kosten.

Mag die Vorratshaltung bei Medikamenten, Getreide oder Treib- und Brennstoffen intuitiv Sinn ergeben, ist dies bei Kaffee fraglich. Denn als Element der Ernährungssicherheit kann der Muntermacher kaum gelten, enthält doch eine Tasse mit dem Heissgetränk weniger als fünf Kalorien. Der Bundesrat erwog deshalb, die Pflichtlagerhaltung abzuschaffen. Doch während Unternehmen die Abschaffung von Vorschriften normalerweise begrüssen, wehrte sich die Kaffeebranche erfolgreich gegen das Ansinnen des Bundesrates: Er entschied diese Woche, die Kaffeelager beizubehalten. Man könnte deshalb folgern, dass die Pflichtlagerhaltung nicht nur der Vorsorge im Krisenfall dient, sondern unter normalen Bedingungen für die betreffende Branche wirtschaftlich attraktiv ist.

Ein Herz für Zucker

Pflichtlager bestehen ebenfalls für Zucker. Im Gegensatz zum Kaffee enthält er bedeutend mehr Kalorien, was vielfach als Gesundheitsrisiko eingestuft wird. Über ein Jahr verteilt, nimmt der Durchschnittsschweizer über 40 Kilogramm Zucker zu sich – dies sind rund drei- bis viermal mehr als von der WHO empfohlen. Trotz diesen gesundheitlichen Bedenken hat die Politik ein Herz für Zucker. So betrugen die Subventionen des Steuerzahlers an die einheimischen Zuckerrüben-Bauern 2018 über 33 Mio. Fr. Im aktuellen Jahr dürften sie aufgrund des gestiegenen Beitrags pro Hektare noch höher ausfallen: der Satz wurde von 1800 Franken auf 2100 Franken angehoben. Dies sind immerhin 21 Rappen pro Quadratmeter – dies bei einem Preis von wenigen Franken pro Quadratmeter Landwirtschaftsland.

Die regulatorische und finanzielle Stützung von Zucker ist reine Industriepolitik und verzögert den aufgestauten Strukturwandel. (Wikimedia Commons)

Die politische Unterstützung des Schweizer Zuckers geht noch weiter: So wurde, basierend auf einer parlamentarischen Initiative, der Mindestgrenzschutz von 2 auf 7 Franken je 100 Kilogramm Zucker eingeführt, um die einheimischen Produzenten vor tieferen Importpreisen zu schützen. Eine Standesinitiative des Kantons Neuenburg zur Einführung einer Konsumsteuer für Zucker hat das Parlament diesen Sommer hingegen abgelehnt. Statt weniger zu konsumieren, soll die Bevölkerung durch Werbung bei Laune gehalten werden, bis vor kurzem mit dem sinnentleerten Spruch «Schweizer Zucker, weil aus der Schweiz

Eine weitere Stütze der einheimischen Zuckerwirtschaft ist das Swissness-Gesetz: 80% des Gewichts eines Produktes muss aus inländischen Rohstoffen bestehen, soll ein Schweizerkreuz die Verpackung zieren. Der politische Druck zugunsten der Branche soll gar vorauseilend wirken. Damit bei Abschluss eines möglichen Freihandelsabkommens zwischen der Schweiz und den USA die einheimischen Produzenten nicht bedrängt werden, fordert eine parlamentarische Motion u.a., den Zucker von einem möglichen Abkommen mit den USA auszuschliessen. Dabei haben die Verhandlungen zwischen den beiden Ländern noch nicht einmal begonnen.

Süsses Gift

Es ist richtig, dass die Schweiz Vorkehrungen zur Bewältigung eines Versorgungsengpasses trifft. Es ist jedoch falsch, das Instrument der Pflichtlager indirekt als Stütze einer Branche einzusetzen. So oft Kaffee und Zucker zusammen konsumiert werden, so gegensätzlich haben sie sich in den letzten Jahren wirtschaftlich entwickelt. Während es Schweizer Unternehmen der Kaffeeindustrie verstanden, das Produkt zu veredeln und damit den Wertschöpfungsanteil zu steigern, darbt die einheimische Zuckerindustrie. Die regulatorische und finanzielle Stützung des Süssmachers ist deshalb reine Industriepolitik und verzögert den aufgestauten Strukturwandel. Eine aktuelle Branchenstudie empfiehlt, den Ausstieg aus der Schweizer Zuckerproduktion anzudenken. Dabei sollte es nicht darum gehen, als ersten Schritt die Pflichtlager für den Rohstoff abzuschaffen, sondern die hohen Subventionen des Steuerzahlers pro Hektare zu senken.

Das Parlament hätte es in der Hand, in diese Richtung zu gehen, indem es die befristete Erhöhung der Hektarbeiträge für Zuckerrüben bei Auslaufen in einigen Jahren nicht verlängert. Zu befürchten ist aber, dass die klebrige Liason zwischen einer Mehrheit der Parlamentarier und der Zuckerindustrie zulasten von uns Steuerzahlern und Konsumenten munter weitergeht.