Sibilla Bondolfi: Herr Schellenbauer, Sie haben zum Thema «Monetäre Bewertung der unbezahlten Haushaltsarbeit» dissertiert. Was genau haben Sie untersucht?

Patrik Schellenbauer: Ich habe untersucht, wie sich die individuelle Entscheidung von Frauen und Männern, mehr im Haushalt oder mehr im Beruf zu arbeiten, ökonomisch erklären lässt. Dabei hat sich herausgestellt, dass sich das Verhalten von Frauen mit ökonomischen Modellen relativ gut erklären lässt.

Inwiefern?

Frauen mit einem hohen Bildungsniveau und gutem Lohn gehen eher arbeiten als Frauen mit tieferen Qualifikationen. Überraschend hingegen war, dass das ökonomische Verhaltensmodell bei Männern in der Regel versagte. Männer arbeiten so oder so im Markt und dies meist in Vollzeit, unabhängig davon, ob dies für die Arbeitsteilung sinnvoll ist. Frauen reagieren flexibler auf ökonomische Anreize: eine kontraintuitive und brisante Feststellung.

Was sind denn die Vorteile der Teilzeitarbeit?

Teilzeitarbeit ermöglicht mehr Freiheit in der Lebensführung. Mit Teilzeitarbeit lässt sich zudem das Risiko von psychischen Problemen oder physischer Überlastung reduzieren. Auch für den Arbeitgeber kann sich Teilzeitarbeit lohnen: Wenn man einen Tag weniger arbeitet, ist man in der verbleibenden Zeit produktiver. Positiv zu werten ist auch, dass die weibliche Normbiografie nicht mehr vorsieht, dass sie wegen der Kinder zehn Jahre aus dem Arbeitsleben aussteigt. Der Verlust an Wissen und Fähigkeiten in dieser Zeit hat grosse volkswirtschaftliche Kosten.

Soll der Staat also die Erwerbstätigkeit von Frauen fördern?

Dies ist und bleibt eine individuelle Entscheidung, aber es gibt ja genügend private Anreize, im Arbeitsleben zu bleiben. Viele Frauen wollen ihre Erwerbsfähigkeit mit einem Teilzeitpensum erhalten, auch als Risikoverminderung für den Fall einer Scheidung. Damit lässt sich erklären, warum es in der Schweiz eine sehr hohe Partizipation der Frauen am Arbeitsmarkt gibt. Allerdings arbeiten viele Frauen in der Schweiz in vergleichsweise kleinen Pensen.

Warum ist dies so?

Soziologen argumentieren, dass hier starre Rollenbilder am Werk sind und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch immer ungenügend ist. Als Ökonom sehe ich aber auch einen Wohlstandseffekt: Viele Haushalte sind gar nicht auf einen hohen «Zweitverdienst» angewiesen. Dazu kommen fatale Fehlanreize. Der Doppelverdienerabzug macht bezahlte Arbeit für Frauen zwar steuerlich attraktiv. Aber gleichzeitig führt die Kombination von gemeinsamer Steuerveranlagung und einkommensabhängigen Preisen bei Krippen, Prämienverbilligungen et cetera zu massiven Progressionen auf den Zweiteinkommen. Ein Grossteil des Mehreinkommens bei höherem Anstellungsgrad geht dadurch wieder verloren. Die Familienbesteuerung fördert also tiefe Pensen bei verheirateten Frauen und hemmt deren Karrieren. Das ist ein fataler Fehlanreiz.

Was sind die individuellen Nachteile der Teilzeitarbeit?

Der offensichtlichste Nachteil der Teilzeitarbeit liegt in der überproportionalen Lohnkürzung, welche mit einer Reduktion der Arbeitszeit einhergeht. Der Grund besteht darin, dass eine Stelle auch Fixkosten mit sich bringt, die dann auf weniger Stunden verteilt werden. Bei 80- oder 90-Prozent-Stellen besteht zudem das Risiko, dass man in der Wahrnehmung von Vorgesetzten und Kollegen noch immer voll verfügbar ist und letztlich den gleichen Job für weniger Lohn macht. Als «richtiger Teilzeiter» gilt man nur bis etwa 60 Prozent. Dann aber sind die Karriereaussichten beeinträchtigt, da sollten wir uns keine Illusionen machen. Vor allem bei Männern kommt die Angst hinzu, sie könnten dem Arbeitgeber mit dem Wunsch nach Teilzeitarbeit signalisieren, keine Karriereambitionen zu haben. Frauen unterstellt man in der Regel von vornherein weniger Ambitionen.

Sind Frauen also benachteiligt?

Nein, nicht generell. Viele Unternehmen und der Staat wollen den Frauenanteil in Führungspositionen erhöhen, ambitionierte und gut ausgebildete Frauen sind daher eher im Vorteil. Auf der anderen Seite müssen sie in der Männerwelt noch immer gegen Vorurteile ankämpfen und sich den männlichen Karriere- und Denkmustern anpassen. Und nicht zuletzt haben Karrierefrauen Nachteile auf dem «Beziehungsmarkt» und bleiben öfters single.

Warum machen Frauen seltener Karriere als Männer?

Der grösste Hemmschuh für Frauenkarrieren sind nach wie vor Kinder. Denn das Kinderhaben wird meist so ausgelegt, dass die Frau nicht mehr voll für das Unternehmen verfügbar ist. Und das wirft einen Schatten voraus: Junge Frauen bergen für einen Arbeitgeber das Risiko, dass sie nach fünf Jahren reduzieren oder gar aussteigen. In den neunziger Jahren wurde – das ist kein Witz – darüber diskutiert, ob man in den Arbeitsvertrag eine Klausel einfügen könnte, in welcher sich die Frau verpflichtet, keine Kinder zu haben, und sollte sie dennoch Kinder haben, eine Konventionalstrafe bezahlen muss. Solche Verträge wären allerdings nichtig. Im Zweifelsfall investiert der Arbeitgeber darum eher in einen jungen Mann. Hier müsste noch ein Bewusstseinswandel einsetzen.

Dieses Interview erschien in der Neuen Zürcher Zeitung vom 5. August 2013.
Mit freundlicher Genehmigung der «Neuen Zürcher Zeitung».