Die Trockenperiode in diesem Frühling hat uns vor Augen geführt, dass Wasser auch hierzulande ein knappes und wertvolles Gut ist. Dennoch widerstrebt es vielen Menschen, Trinkwasser als ein kommerzielles Produkt anzuerkennen. Viel eher wird der Zugang zu sauberem Wasser als eine Art «Recht» definiert. Sogar die Europäische Union stellte in ihrer Richtlinie zur Wasserpolitik im Jahr 2000 fest: «Wasser ist keine übliche Handelsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss.» Häufig wird daraus etwas pauschal abgeleitet, dass die Wasserversorgung einen Service public darstelle und daher Sache der öffentlichen Hand sein müsse. Dafür aber gibt es aus ökonomischer Sicht keine Rechtfertigung.
Verschwendung verhindern
Trinkwasser ist kein öffentliches Gut. Ein solches wäre dadurch charakterisiert, dass übliche Marktmechanismen nicht funktionieren, etwa weil Konsumenten nicht von der Nutzung ausgeschlossen werden können oder weil sie sich bei der Nutzung nicht konkurrieren. Beides trifft beim leitungsgebundenen Trinkwasser nicht zu. Es spricht nichts gegen einen funktionierenden Markt, auf dem sich Angebot und Nachfrage treffen, so dass ein Preis zustande kommt. Das überrascht im Grunde nicht, schliesslich ist Trinkwasser schon heute kein «Recht», sondern vielmehr ein ökonomisches Gut, für das die Wasserversorgungen einen Tarif erheben. Das ist auch sinnvoll: Gerade in Zeiten von Wasserknappheit ist es nötig, dass Wasser einen Preis hat, der Knappheit signalisiert und Verschwendung verhindert. Auch deshalb ist man in den letzten Jahren davon abgekommen, einen pauschalen jährlichen Tarif etwa auf Basis der Haushaltgrösse oder der Anzahl Wasserhähne zu berechnen. Heute wird vielmehr der Wasserverbrauch pro Kubikmeter in Rechnung gestellt.
Erstaunlich ist die ausserordentlich hohe Varianz der Preise: In Deutschland variieren die Wassertarife je nach Versorgungsregion zwischen 0.5 und 4 EUR pro Kubikmeter Trinkwasser. In der Schweiz bewegen sich die Tarife bei Mehrfamilienhäusern etwa zwischen 0.5 CHF und 3,7 CHF. Natürlich lassen sich solche Preisunterschiede ganz wesentlich auf regional heterogene Kostenstrukturen zurückführen. So ist etwa die Aufbereitung von Oberflächenwasser kostspieliger als Quell- oder Grundwasser. Allerdings lässt sich damit nur ein Teil der Preisdifferenzen erklären. Daneben bestehen auch strukturelle und organisatorische Eigenheiten, die unterschiedliche betriebliche Effizienz zur Folge haben. Davon geht übrigens auch die deutsche Monopolkommission aus, die in ihrem Hauptgutachten aus dem Jahr 2010 die hohen Tarifunterschiede bemängelt.
Wenn aber Wasser als ein ökonomisches Gut akzeptiert wird, stellt sich die Frage, wieso die Wasserversorgung nicht auch privatwirtschaftlich organisiert werden kann. Schliesslich müsste gerade bei knappen Gütern gelten, dass eine effiziente Bereitstellung von höchster Relevanz ist. Natürlich muss nicht in jedem Fall gelten, dass ein privater Wasserversorgungsbetrieb günstiger ist als etwa ein gemeindeeigener Regiebetrieb. In der Tat lassen sich aus einer Vielzahl internationaler empirischer Studien kaum Differenzen hinsichtlich der betrieblichen Effizienz öffentlicher und privater Wasserversorgungen feststellen. Relevante Effizienzunterschiede lassen sich aber dann messen, wenn unterschiedliche marktliche Rahmenbedingungen gelten. Dabei gilt grundsätzlich, dass Wasserversorgungen in einem wettbewerblichen Rahmen kostengünstiger operieren als im Monopolfall.
Auch wenn die leitungsgebundene Trinkwasserversorgung gemeinhin als natürliches Monopol angesehen wird, ist Wettbewerb möglich. In Ländern wie Frankreich oder Italien werden die Wasserversorgungsmonopole im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen zeitlich befristet an private Betriebe vergeben. Der Wettbewerb findet dann auf der Ebene der Ausschreibung bzw. der Auktion des Monopols statt. Ökonomen reden von einem Wettbewerb um den Markt. Auch in der Schweiz wäre dies theoretisch möglich. Letztlich stellt sich sogar die Frage, ob aufgrund des Binnenmarktgesetzes eine Ausschreibungspflicht für Monopol- und Sondernutzungskonzessionen abgeleitet werden könnte.
Handel und Wettbewerb in der Wasserversorgung
Möglich ist aber auch ein Modell des Wettbewerbs im Markt. Solche Wettbewerbsformen kennt man etwa aus der Telekommunikation oder der Stromversorgung: Mehrere Anbieter nutzen dasselbe Netz, um einen Endkunden zu beliefern. Diese Form des Wettbewerbs wurde etwa bei der Wasserversorgung in Grossbritannien eingeführt. Das als «Common Carriage» bezeichnete Modell setzt voraus, dass benachbarte Wasserversorger ihre Netze verbinden und so den Durchleitungswettbewerb möglich machen. Auch diese Form des Wettbewerbs wäre in der Schweiz möglich, da hierzulande viele Wasserversorgungen miteinander vernetzt sind, um sich etwa in Versorgungskrisen gegenseitig auszuhelfen. All das wird ausführlich in einem neuen wissenschaftlichen Beitrag von Prof. Reto Föllmi (St. Gallen) und Urs Meister (Avenir Suisse) diskutiert. Die beiden Autoren zeigen darin die Möglichkeiten und Wirkungen eines solchen Durchleitungswettbewerbs und vergleichen diese mit den Effekten eines freiwilligen, handelsorientierten Wasseraustausches zwischen benachbarten Monopolbetrieben, wie dies vielenorts in der Schweiz praktiziert wird. Der Beitrag zeigt, dass selbst die einfachste Form eines unregulierten Wettbewerbs zu Effizienzvorteilen und Wohlfahrtssteigerungen führt.