Mit Ausgaben von 9,5 Mrd. Fr. (2019) ist die IV die viertgrösste Sozialversicherung nach der beruflichen Vorsorge, der AHV und der obligatorischen Krankenversicherung.

Der Fokus auf die Ausgaben der Invaliditätsversicherung allein greift jedoch zu kurz, um die Kosten der Invalidität zu beschreiben. Zu den Rentenleistungen von 5,4 Mrd. Fr. der IV im Jahr 2019 erhalten Menschen mit Behinderungen oft Leistungen aus weiteren Versicherungen.

So erhalten manche IV-Rentner Hilflosenentschädigungen in der Höhe von insgesamt 0,5 Mrd. Fr. Zudem haben IV-Rentenbezüger, die ihren Lebensunterhalt nicht allein finanzieren können, Anspruch auf steuerfinanzierte Ergänzungsleistungen (EL). Mit einer EL-Quote von 48,5 % traf es 2019 beinahe jeden zweiten IV-Rentner, wobei vor allem jüngere Rentner darauf angewiesen sind. Von den 20- bis 30-jährigen IV-Rentnern benötigen zwischen 60% und 80% Ergänzungsleistungen. Diese hohen Anteile ergeben sich, weil jüngere Invalide nicht oder nur kurz erwerbstätig waren und somit nur geringe Renten aus der IV und – wenn überhaupt – der beruflichen Vorsorge erhalten. Sie wohnen zudem häufiger in Heimen, was entsprechend höhere Kosten verursacht.

Knappe Verdoppelung der IV-Renten durch weitere Sozialversicherungen

Erwerbstätige Personen erhalten zu ihrer IV-Rente auch eine Invalidenrente von der 2. Säule, sofern sie der beruflichen Vorsorge unterstellt sind. 2019 zahlten die Pensionskassen 2,1 Mrd. Fr. Rentenleistungen infolge Invalidität.

Schliesslich werden bei Invalidität auch Leistungen der freiwilligen 3. Säule bezahlt, sofern eine entsprechende Police bei einer Versicherungsgesellschaft abgeschlossen wurde. Diese werden als einmalige Kapitalabfindung oder Leibrenten ausbezahlt. 2018 betrugen diese Leistungen 200 Mio. Fr.

Zusammenfassend fliessen im Durchschnitt für 1000 Fr. Rente aus der IV zusätzliche 400 Fr. aus den EL, nochmals 400 Fr. aus der beruflichen Vorsorge und ca. 100 Fr. Hilfslosentschädigung sowie ca. 40 Fr. aus der 3. Säule. Damit verdoppeln sich die Rentenleistungen der IV beinahe.

Hohe Heilungskosten und Krankentaggelder vor der Rente

Eine Rente wird von der IV frühestens nach 12 Monaten Arbeitsunfähigkeit zugesprochen. Bis zu diesem Entscheid profitieren die erkrankten oder verunfallten Personen meistens von Lohnfortzahlungen durch den Arbeitgeber, von Taggeldern einer kollektiven Kranken- oder Unfallversicherung und von privaten Zusatzversicherungen. Nicht jeder Person, die Taggelder erhält, wird eine IV-Rente zugesprochen. Den meisten aber, die eine IV-Rente erhalten, haben bis dahin Lohnfortzahlung und oder Taggelder erhalten. Für 2018 werden die Ausgaben für diese-Leistungen, die schliesslich zu einer Invalidenrente führen, auf 3,5 Mrd. Fr. geschätzt (vgl. Tabelle).

Nebst den Taggeldern fallen auch die Heilungskosten in der obligatorischen Versicherung nach dem Krankenversicherungsgesetz (KVG) sowie diejenigen bei Zusatzversicherungen nach dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG) an. Fokussiert man sich auf die Kosten, die von Versicherten mit schweren chronischen Krankheiten zwischen 18 und 65 Jahren verursacht werden, summieren sich diese Kosten auf geschätzte 7 Mrd. Fr. (vgl. Tabelle). Darin sind die A-fonds-perdu-Beiträge der Kantone und Gemeinden zur Finanzierung von Institutionen für Menschen mit Behinderungen nicht enthalten.

Insgesamt betragen die Kosten der Invalidität über 24 Mrd. Fr. pro Jahr. Zu diesen direkten «Cash-out»-Kosten kommen noch indirekte, kaum schätzbare volkswirtschaftliche Kosten, in Form von verpassten Karrierechancen der Betroffenen, Einkommensverlusten der Angehörigen, die für die Pflege ihr Arbeitspensum reduzieren (müssen) und Kosten für Arbeitgeber, die mit den Knowhow-Verlusten ihrer Mitarbeiter einhergehen.

Eingliederungsmassnahmen ermöglichen Einsparungen bei viel mehr Akteuren als nur der Invalidenversicherung. (Yulissa Tagle, Unsplash)

Diese Kosten in Milliardenhöhe zeigen auf, dass Präventionsmassnahmen zur Vermeidung von Erkrankung und Unfall sowie Wiedereingliederungsmassnahmen Einsparungen bei viel mehr Akteuren als nur der IV ermöglicht haben und weiterhin ermöglichen werden.

Diese Kostenanalyse zeigt, dass Invalidität ein komplexes Thema mit zahlreichen Akteuren ist: neben privaten Akteuren (Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Arzt), private Institutionen (Krankentaggeldversicherer, Pensionskasse) sind oft auch andere staatliche Institutionen wie die Arbeitslosenversicherung oder die Sozialhilfe involviert. Bei so vielen Akteuren und so hohen Kosten gilt es, Kommunikationsdefizite, Fehlanreize und Doppelspurigkeiten zu vermeiden.

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