Zentralbanker sind selbstbewusste Persönlichkeiten. Sie sind überzeugt, dass ihnen ein reibungsloser Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik gelingen wird. Im Rahmen dieser Politik senkten  Noteninstitute ihre Leitzinsen auf rekordtiefe Niveaus, fluteten die Märkte mit Liquidität und erwarben Wertpapiere öffentlicher und privater Schuldner, um die langfristigen Zinsen und die in den Kapitalmarktrenditen enthaltenen Risikoprämien zu drücken. In der Folge blähten sich die Zentralbankbilanzen auf, die Risiken in diesen Bilanzen und die durchschnittliche Laufzeit der Zentralbankaktiva nahmen stark zu.

Die Zentralbanken verfügen tatsächlich über die für den Ausstieg benötigten Instrumente. Sie können die Überschussliquidität über die Ausgabe verzinslicher Schuldpapiere abschöpfen, von den Geschäftsbanken höhere Mindestreserven einfordern, den Banken gewährte Kredite bei Fälligkeit nicht erneuern und ihren Wertschriftenbestand abbauen. Mit diesen Massnahmen reduzieren sie die Liquiditätsfülle und damit das Inflationspotenzial, verkürzen ihre Bilanzen und fahren die auf diesen Bilanzen lastenden Risiken zurück. Einfach wird der Einsatz dieser Instrumente aber weder in technischer noch in politischer Hinsicht sein:

  • Die Auswirkungen der Ausstiegsmassnahmen auf die Zinsen sind schwierig abschätzbar. Ein Zinsauftrieb läuft meistens rascher und heftiger als von den Märkten erwartet ab. Schon bei den ersten Anzeichen einer Zinswende können die Anleiherenditen unerwartet kräftig steigen. Aus Angst vor einem zu starken Anstieg der Marktzinsen und vor Turbulenzen auf den Obligationenmärkten könnten die Zentralbanken zu vorsichtig und zu spät handeln.  Umgekehrt besteht bei zu starker und zu rascher Abschöpfung von Liquidität das Risiko, dass die Geschäftsbanken die Kreditvergabe einschränken und dadurch das Wirtschaftswachstum abwürgen.
  • Wenn der Ausstieg im Alleingang vorgenommen wird, eine Zentralbank also den andern mit der Straffung der geldpolitischen Zügel vorangeht, kann die betreffende Währung wegen des Zinsvorteils unter Aufwertungsdruck geraten. Dieses Risiko werden die Zentralbanken ungern eingehen. Nun ist aber die Wahrscheinlichkeit eines international  koordinierten Ausstiegs gering. Die Ausgangslage ist in den einzelnen Ländern und Regionen unterschiedlich. Beispielsweise sind die Vereinigten Staaten in einer konjunkturell günstigeren Lage als der Euroraum als Ganzer. Auch sind die Zentralbankmandate nicht identisch, und die ultraexpansive Geldpolitik setzt auf unterschiedliche Instrumente. Deshalb dürfte der Ausstieg unkoordiniert erfolgen und von Marktturbulenzen begleitet sein. Die Anforderungen an die Standfestigkeit der Zentralbanken werden hoch sein.
  • Wie gross der Liquiditätsbedarf der Geschäftsbanken künftig sein wird, ist ungewiss. Er muss auf flexible Weise eruiert werden. Eine Fehleinschätzung der Liquiditätspräferenz kann erhebliche Folgen für die Geldversorgung haben und zu Inflationsdruck oder deflationären Tendenzen beitragen.
  • Den Zentralbanken können bei der Kommunikation ihrer Politik und der ins Auge gefassten Massnahmen Fehler unterlaufen. Die Märkte benötigen Orientierungshilfe und möglichst grosse Klarheit über die beabsichtigten geldpolitischen Schritte. Mit der Politik der «Forward guidance» haben einige Zentralbanken selber die Messlatte hoch gelegt. Sie gaben bekannt, wie lange sie unkonventionelle Massnahmen durchführen und an der Tiefzinspolitik festhalten wollen. Damit weckten sie Erwartungen. Bei unzureichender Kommunikation können die Finanzmärkte panikartig reagieren.  Wie schwierig diese Kommunikation ist und wie nervös die Finanzmärkte auf die geringsten Anzeichen von Dissens reagieren können, zeigten in den vergangenen Wochen missverständliche Äusserungen von Zentralbankvertretern in den USA und der Eurozone.
  • Eine besondere Herausforderung stellt möglicher politischer Widerstand gegen den Ausstieg dar. Der Übergang zu einer restriktiveren Geldpolitik führt zwangsläufig zu höheren Zinsen. Nach vielen Jahren extrem tiefer Zinsen und der damit verbundenen Annehmlichkeiten werden zahlreiche Interessengruppen, darunter nicht zuletzt Staaten mit drückender Schuldenlast, aufbegehren. Die sozialen Spannungen und die hohe Arbeitslosigkeit in Problemländern verschaffen diesen Stimmen zusätzliches Gehör. Angesichts des breit gefächerten Widerstands müssen die Zentralbanken konsequent auf ihre Unabhängigkeit pochen.

Mehr zu diesem Thema erfahren Sie aus dem Diskussionspapier «Zentralbanker als Zauberlehrlinge? – Zum Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik».