Das Spiel mit dem Zufall übt seit jeher eine magische Anziehungskraft auf Menschen aus. Glückspiel findet sich in praktisch allen Kulturen – von der griechischen Antike, über das alte China bis zu den Azteken. Stets wurde das Glücksspiel mit der jeweils verfügbaren Technik weiterentwickelt: Während unsere Vorfahren mit würfelähnlichen Tierknochen das grosse Glück gesucht hatten, wird im 21. Jahrhundert in Online-Casinos gespielt.

Die Technologie des Zufalls

Lange Zeit waren der Zufallsprozess im Hintergrund wie auch das Erscheinungsbild direkt miteinander verknüpft. Glücksspiel basierte bis zur Neuzeit grösstenteils auf einfachen Utensilien und Mechanismen, beispielsweise auf Würfeln. Mit dem Einsetzen der Renaissance wurde dann der Zugang zu Technik und Wissenschaft revolutioniert, was sich auch auf das Glücksspielwesen auswirkte (vgl. Abbildung).

Mathematische Erkenntnisse wie die Wahrscheinlichkeitsrechnung machten aus dem Spiel eine Wissenschaft, und es konnten sich professionelle Spielbetriebe etablieren. In vielerlei Hinsicht spiegelt die Erfindung des professionell geführten Glücksspiels die Entwicklung des modernen Bankwesens wider. Es ist somit nicht verwunderlich, dass das Glücksspiel in frühen Finanzzentren im heutigen Norditalien, Belgien oder den Niederlanden revolutioniert wurde.

Technische Errungenschaften wie der Buchdruck erlaubten zudem, das Glücksspiel zu skalieren, indem etwa Spielkarten oder Lose für Lotterien seriell hergestellt werden konnten. Später ermöglichten Fortschritte in der Mechanik sowie die Elektrifizierung den grossflächigen Einsatz von «einarmigen Banditen». Vor diesem Hintergrund wird klar, dass auch der jüngste Digitalisierungsschritt nur einen weiteren Technologieschub darstellt.

Geld oder Moral?

Während die Formen von Glücksspiel einem steten technischem Wandel unterworfen sind, ist eines konstant geblieben: die Nachfrage nach Glücksspiel. Das ist weltlichen Herrschern und Kirchenoberen nicht verborgen geblieben. Hoheitliche Stellen haben seit jeher versucht, auf das Glücksspielwesen ihrer Zeit Einfluss zu nehmen. Wahlweise versuchten sie, es zu verbannen oder zu ihrem eigenen Nutzen einzusetzen. Bei der Legitimierung von Eingriffen kamen moralischen Argumenten eine grosse Bedeutung zu.

Das Glücksspiel wurde oft als etwas Sündiges dargestellt. Gerade die protestantische Kirche war oft besonders spielfeindlich eingestellt und sah böse Mächte am Werk. Später wurde das Spielen mit dem Zufall auch als unvernünftig und irrational betrachtet. Ferner widersprach es dem Ideal des arbeitenden Menschen, der seinen Erfolg nicht durch Zufall erlangen, sondern durch Leistung verdienen sollte.

Im Gleichschritt mit einer solchen moralischen Abwertung wurde Glücksspiel auch mit Betrug und ruchlosen Gestalten in Verbindung gebracht. Unfaire Spielpraktiken wie gezinkte Würfel stellten ein Problem dar. Und Geldstreitigkeiten oder der finanzielle Ruin von Spielern durch exzessives Glücksspiel waren ein sozialer Unruhefaktor. Um das gesellschaftliche Bedürfnis nach Sicherheit und Sozialverträglichkeit zu stillen, wurde deshalb regelmässig in das Glücksspielwesen eingegriffen.

Solche Eingriffe standen schon früher in einem Zielkonflikt zu den finanziellen Bedürfnissen von Staat und Interessengruppen. Den Verantwortlichen war klar, dass bei einem kontrollierten Glücksspielangebot hohe Gewinne abgeschöpft werden können. So haben manche mittelalterliche Städte Bewilligungen für Würfelspiele vergeben – oder das Angebot wurde gleich komplett verstaatlicht. Die Stadt Frankfurt übernahm beispielsweise 1396 den Betrieb eines Würfelspielhauses, dessen Gewinne vollständig in die Stadtkasse flossen.

Das Konzept des hoheitlich kontrollierten Glücksspiels wurde im Laufe der Zeit weiterentwickelt, professionalisiert und skaliert. In Venedig öffnete 1638 mit dem «Ridotto» der Vorgänger eines modernen Casinos. Es handelte sich um ein öffentliches, professionell betriebenes und unter staatlicher Aufsicht stehendes Spielhaus, dessen Gewinne einer Schicht verarmter Adliger (und damit dem Staat, der diese zu alimentieren hatte) zugutekam.

Noch mehr Geld oder Moral – oder beides?

Neue Techniken erlaubten nach und nach, das Abschöpfungspotential besser zu erschliessen. So trug beispielsweise der Buchdruck zur Entwicklung des modernen Lotteriewesens bei. Grosse Lotterien weisen ein weitaus grösseres fiskalisches Potential auf als frühere Tischspiele. Kein Wunder, verbreiteten sie sich ab dem 15. Jahrhundert in ganz Europa.

Die nun üppig sprudelnden Glücksspielgelder dienten zur Finanzierung von Staatsausgaben, Grossprojekten und wohltätigen Zwecken; mit den Gewinnen aus Lotterien wurden etwa Stadtmauern, Brücken oder königliche Hochzeiten finanziert. Die Verknüpfung mit der Wohltätigkeit war besonders beliebt, da damit zwei Fliegen mit einem Streich geschlagen werden konnten: Erstens wurde der Staatshaushalt von wohltätigen Zuwendungen entlastet, zweitens half die Verknüpfung mit der Wohltätigkeit, das Glücksspiel moralisch aufzuwerten.

Noch heute spült das Glücksspielwesen viel Geld in die Staatskassen – so auch in der Schweiz. Dabei ist bei weitem nicht alles zum Besten bestellt. Avenir Suisse hat sich daher jüngst dem Thema angenommen und einen umfassenden Reformvorschlag erarbeitet. Mehr Informationen zum Thema finden Sie in der Studie «Glück im Spiel, Patzer in der Regulierung».