Auch andere Grossstädte haben mit Staus zu kämpfen, aber im Arc lémanique verschärfen regionale Besonderheiten das Problem. Da es zwischen Juragebirge und Genfersee keine substanziellen Ausweichstrecken gibt, wird der Verkehr zwischen Genf und Lausanne auf den Hauptrouten gebündelt. In Genf verschärft die durch die Agglomeration verlaufende Landesgrenze die Verkehrsprobleme. Nennenswerte Kapazitätsausbauten hat es auf dieser Achse seit langer Zeit nicht mehr gegeben.

Los Angeles am Genfer See

Die tiefer liegende Ursache für die Verkehrsmisere ist jedoch ein starkes Siedlungswachstum der letzten Jahrzehnte, das nicht in geordnete Bahnen gelenkt wurde. Die Kantone Genf und Waadt setzten in der Standortpolitik erfolgreich auf den Zuzug von Unternehmen und Einwohnern, ohne in der Raumplanung die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Während Genf durch eine rigide Stadtplanung und Wohnungspolitik den Siedlungsdruck ins Umland exportierte, sorgten im Waadtland überdimensionierte Bauzonen für eine Zersiedlung in der Fläche.

Als Konsequenz wuchsen die beiden ehemals durch ländlichen Raum getrennten Städte Genf und Lausanne zu einem Agglomerationsteppich mit massivem Pendlerverkehr zusammen. Dies führte nicht nur zu einem generellen Verkehrswachstum, sondern machte die für überregionale Verkehrsströme ausgelegten Hauptverkehrsadern zwischen Genf und Lausanne zu «innerstädtischen» Strecken für den Pendlerverkehr. Avenir Suisse hat die langfristige Siedlungsentwicklung in der Region anhand von drei Zeitrafferfilmen dokumentiert.

Rezepte gegen den Verkehrsinfarkt

In den nächsten Jahren ist weiteres Verkehrswachstum programmiert. Somit stellt sich die Frage, wie der Verkehrsinfarkt vermieden werden kann. Eine prioritäre Massnahme ist der Ausbau der Infrastruktur entlang der Hauptachse, insbesondere im ÖV. Durch das Projekt Léman 2030 werden die Schienenkapazität zwischen Genf und Lausanne bis 2030 verdoppelt und die Bahnhofskapazitäten entsprechend ausgebaut. Auch die Erweiterung der Autobahn auf drei Spuren wird vom Bundesrat in seiner Botschaft zur Langfristperspektive Nationalstrassen vorgeschlagen.

Das Projekt «Léman 2030», eine mögliche Lösung für den Verkehrsinfarkt am Genferseebogen? (flickr)

Der Stau in den Städten bleibt

Aber selbst wenn diese Arterien des regionalen Strassennetzes ausgebaut werden, wird die begrenzte Kapazität des innerstädtischen Strassennetzes der Engpass bleiben. Auf kurz oder lang führt daher wohl kein Weg an einer Citymaut vorbei, wie es beispielsweise Stockholm vorgemacht hat. Der schwedischen Hauptstadt gelang es durch Einführung einer Strassengebühr während der Rushhour, die Staus deutlich zu reduzieren. Dabei werden die Nummernschilder bei der Einfahrt per Videokamera automatisch eingelesen. Falls der Bund in den nächsten Jahren bezüglich eines nationalen Road-Pricing keine Fortschritte macht, könnte der Arc lémanique hier eine nationale Pionierrolle übernehmen.

Zusätzlich sollte die regionale Verkehrspolitik aufgrund des Platzmangels in den Siedlungsgebieten entlang des Genfersees jenseits von Auto und ÖV beim modalen Mix auf alternative Verkehrsträger setzen. Insbesondere Velostrategien nach dem Vorbild von Kopenhagen oder Amsterdam bieten die Chance, dieses platzsparende, kostengünstige und umweltfreundliche Transportmittel zu fördern. Durch E-Bikes und -Roller gewinnen Zweiräder zunehmend auch für den Verkehr zwischen Stadt und Umland an Bedeutung. Selbst der Genfersee als Gewässer bietet als Transportweg noch gewisse Potenziale, wie die seit vielen Jahren etablierte Schnellbootverbindung auf der Donau zwischen den Hauptstädten Wien und Bratislava zeigt. Von der damit realisierten Geschwindigkeit bis zu 60 km/h kann nur träumen, wer am Genfersee im Stau steckt.

Dieser Beitrag wurde erstmals in der Publikation «Einzigartige Dynamik des Arc lémanique» publiziert.