Den Exit aus dem Corona-Regulierungsregime begeht unsere Landesregierung in Trippelschritten, obwohl der Teilstillstand der Wirtschaft rund 500 Mio.Fr. pro Tag kostet. Der Weg zurück in die «neue» Normalität soll nur stufenweise verlaufen. Perspektiven für Restaurants, Tourismus und die Event-Branche blieb der Bundesrat allerdings letzte Woche schuldig.
Die Kriterien, die für die Öffnung angewandt werden, erschliessen sich selbst der obrigkeitsgläubigsten Bürgerin nicht. Nachdem – aus gesundheitspräventiven Gründen zurecht – das Social distancing als eine der wirksamsten Massnahmen gegen die weitere Virusausbreitung mittlerweile zum Grundverhalten jedes verantwortungsbewussten Eidgenossen gehört, können ab dem 27. April als erste gerade jene Betriebe ihre Türen wieder öffnen, die «personenbezogene Dienstleistungen mit Körperkontakt» erbringen.
Doch auch die bisherigen Restriktionen für Geschäfte wie etwa im Detailhandel werfen Fragen auf. Der Verkauf von Bad- und WC-Artikeln ist gestattet, jener von Personenwaagen aber nicht. Schreibtischaccessoires und Fotoalben können erworben werden, dagegen ist der Kauf eines Krimis im lokalen Buchladen derzeit nicht möglich.
Es ist offensichtlich: Zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zeigt sich ein Kapitel helvetischer Planwirtschaft, die unzählige Präzedenzfälle schafft. Auf dem «Exit»-Weg sollte aber keinesfalls Bundesbern auf dirigistische Weise entscheiden, wer nun wieder seinen Betrieb öffnen darf und wer nicht. Es gilt neutrale Kriterien für die Gesundheitsprävention ohne Wettbewerbsverzerrungen zu definieren.
Der Bundesrat muss den Unternehmen mehr Vertrauen entgegenbringen. Diese haben jedes Interesse, die eigenen Mitarbeitenden wie auch ihre Kunden vor dem Virus zu schützen. Daher sollten jegliche betrieblichen Aktivitäten, die im Einklang mit den Hygieneregeln des Bundesamtes für Gesundheit sind, generell als erlaubt gelten. Dazu bedarf es einer Selbstdeklaration der Unternehmen und nicht das Einholen einer Bewilligung bei den Behörden. Damit können alle Läden wieder öffnen, sofern sie die BAG-Empfehlungen zu Social distancing, Desinfektion und «Tropfen-Einlass-System» befolgen.
Nachdem der exponentielle Verlauf der Ansteckungen gestoppt werden konnte, tritt unser Land in eine neue Phase der Pandemiebekämpfung. Zum Schutz der Bevölkerung ist nun ein rascher Aufbau von Testkapazitäten zusammen mit einem Contact-Tracing vordringlich. Über den konkreten Fahrplan schweigt sich «Bundesbern» allerdings aus, ebenso darüber, welche temporären Einschränkungen des Datenschutzes damit einhergehen. Die entscheidenden Grössen zur Lockerung oder (je nach Entwicklung) Verschärfung der Pandemiebestimmungen müssten der Öffentlichkeit aber bekannt sein. Und bereits heute ist eine Roadmap vorzulegen, bis wann die Neuverschuldung im hohen zweistelligen Milliardenbereich wieder abgebaut wird. Aus Gründen der Generationengerechtigkeit, aber auch für die Planungssicherheit der Unternehmen ist eine klarere Kommunikation der nächsten Schritte und die Beantwortung offener Fragen unabdingbar.
Dieser Beitrag ist am 23.4.2020 in der «Handelszeitung» erschienen.