Nach der Ablehnung des revidierten CO2-Gesetzes ist die Politik gefordert, wirksame Massnahmen zu ergreifen, um die gesetzten klimapolitischen Ziele zu erreichen. Bis 2012 galt es, die jährlichen Treibhausgas-Emissionen (THG) um 10% gegenüber 1990 zu senken, 2020 sollte eine Reduktion um 20% erzielt werden, und für 2030 sind 50% Reduktion gegenüber 1990 vorgesehen. 2050 soll der THG-Ausstoss schliesslich bei netto-null liegen – das heisst, ab diesem Zeitpunkt dürfen nur noch so viele Emissionen ausgestossen werden, wie über technische Massnahmen oder Massnahmen zu Veränderung der Landnutzung der Atmosphäre entzogen werden können.

Die höchsten Reduktionsleistungen stehen noch an

Der Verlauf des Reduktionpfads wirft Fragen auf: Als sich die Schweiz 1997 zum 10%-Ziel verpflichtete, lagen die Emissionen bereits bei 97,8% gegenüber 1990. Somit war bloss noch eine Reduktion um 7,8% erforderlich. Diese wurde erreicht. Für 2013–2020 war dann eine Reduktion um weitere 10% gefordert. Obwohl auch dieses Ziel nicht gerade ambitioniert scheint, legen provisorische Daten nahe, dass die Schweiz dieses Ziel verfehlt hat. Die durch Corona eingeschränkten wirtschaftlichen Aktivitäten dürften daran nichts ändern.

Bis 2030 wäre eine weitere Reduktion um (mindestens) 30% nötig, um die Emissionen gegenüber 1990 wie angepeilt zu halbieren. Der Absenkpfad ist mit -3% pro Jahr mehr als doppelt so hoch wie in der vorangegangenen Periode. Unter der Annahme, dass die einfach zu reduzierenden Emissionen bereits eliminiert wurden, dürften die anstehenden Reduktionen – mit den heutigen Technologien – schwieriger zu bewerkstelligen sein. Um netto-null bis 2050 zu erreichen, muss die Schweiz auf jene Massnahmen setzen, die zu einer langfristigen, nachhaltigen Reduktion führen und bezahlbar sind.

Vier Kriterien zur Beurteilung klimapolitischer Massnahmen

Jede neue Massnahme sollte daher anhand transparenter Kriterien auf ihre langfristige Leistungsfähigkeit geprüft werden. Eine wirksame Klimapolitik sollte folgende Anforderungen erfüllen:

  1. Effektivität
    Eine Massnahme sollte in erster Linie danach beurteilt werden, in welchem Ausmass sie zu einer Reduktion der THG-Emissionen führt. Welcher Anteil des (inländischen) THG-Ausstosses wird damit abgedeckt (Scope)? Welche Verringerung der THG-Emissionen erzielt die Massnahme gemessen am Scope, an dem sie ansetzt (Scale)? Der alleinige Nachweis der Effektivität einer Massnahme ist noch bei weitem kein Garant dafür, dass diese gesamtgesellschaftlich wünschenswert ist. Die folgenden drei Kriterien sind darum nicht minder wichtig.
  2. Effizienz
    Beim Kriterium der Effizienz lautet die Frage, welche THG-Reduktion ein Instrument pro eingesetztem Franken erreicht. Sie beschreibt also das Kosten-Nutzen-Verhältnis. In der Klimadebatte wird oft auf die Dringlichkeit des Themas verwiesen, verbunden mit der Aussage, dass keine Kosten zu hoch seien, um den Klimawandel möglichst sofort zu stoppen. Die Dringlichkeit berechtigt durchaus zu erhöhten Bemühungen. Sie berechtigt erstens aber keineswegs dazu, Mittel in schlecht konzipierte Massnahmen zu investieren und damit Geld zu verschwenden. Gerade weil das Thema dringlich ist, ist es wichtig, dass jeder Franken einen möglichst hohen Reduktionsertrag liefert. Zweitens ist jede Massnahme mit Opportunitätskosten verbunden: Ressourcen, die für Klimamassnahmen verwendet werden, können nicht mehr in anderen Bereichen (z.B. Bildung, Gesundheit) eingesetzt werden.
  3. Kostenwahrheit
    Ein drittes Kriterium, und zugleich Kernelement einer wirksamen Klimapolitik, ist die Kostenwahrheit. Mit ihr wird erreicht, dass der Verursacher einer negativen Externalität, also in diesem Fall der THG-Emissionen (bzw. deren künftiger Klimawirkungen), jene Kosten trägt, die ansonsten der (künftigen) Gesellschaft aufgebürdet würden. Man spricht hier von der Internalisierung externer Kosten. Ohne sie werden zu viele THG ausgestossen. Dass nicht-preisliche Massnahmen keine Kostenwahrheit herstellen, liegt auf der Hand. Gebote bzw. Verbote verpflichten einfach zu einer Handlung bzw. untersagen sie. Damit mögen möglicherweise THG-Emissionen in nennenswertem Umfang vermieden werden, und es ist nicht à priori ausgeschlossen, dass diese Vermeidung in gewissen Fällen sogar effizient ist. Aber eine Angleichung von privaten und sozialen Grenzkosten und damit die Herstellung von Kostenwahrheit wird nicht erreicht. Auch Subvention stellen keine Kostenwahrheit her, sondern schaffen – ganz im Gegenteil – Kostenunwahrheit auf beiden Seiten: CO2-arme Technologien werden subventioniert, CO2-intensive nicht besteuert.
  4. Technologieneutralität
    Eine Massnahme soll nicht bestimmte Technologien per se bevorteilen, benachteiligen oder gar verbieten. Die Politik sollte nur das Ziel vorgeben, das mit der Massnahme erreicht werden soll. Der Weg dorthin, besonders die Wahl der am besten geeigneten Technologie, ist den betroffenen Akteuren zu überlassen. Der Wettbewerb fördert Innovationen, von denen sich schliesslich jene durchsetzen, die am effizientesten und effektivsten wirken. Der Vorteil ist dabei, dass damit nicht schon im voraus von zentraler Instanz antizipiert werden muss, welche das sein könnten. Eine Verletzung des Prinzips der Technologieneutralität erhöht die Gefahr, dass die Effizienz der Massnahme suboptimal ausfällt.

Während die ersten beiden Anforderungen Gebote der ökonomischen Vernunft sind, entsprechen die Herstellung von Kostenwahrheit und die Wahrung der Technologieneutralität klassisch liberalen Forderungen. Im zweiten Teil der Serie wird auf die Beurteilung der bisherigen Klimamassnahmen anhand der vier Kriterien eingegangen.

Weiterführende Informationen zum Thema finden Sie in unserer Studie «Wirkungsvolle Klimapolitik».