Im Sommer 2011 erhitzten sich die Gemüter der Schweizerinnen und Schweizer. Das lag weniger am Wetter als an den Auswirkungen des erstarkten Schweizer Frankens. Die massive Höherbewertung bewirkte nämlich, dass sich die Preisdifferenzen zum umliegenden Ausland sprunghaft erhöhten. Reflexartig war die Politik zur Stelle und forderte – einmal mehr – Massnahmen gegen die sogenannte Hochpreisinsel Schweiz. Dies kulminierte in der unsinnigen Forderung, gewisse Arten der Preisdifferenzierung seien als unzulässig zu erklären. So wurde in Bundesbern im Rahmen der Revision des Kartellgesetzes ernsthaft vorgeschlagen, man solle das Wettbewerbsrecht um einen Artikel ergänzen, der es erlauben würde, ausländische Unternehmen zu büssen, wenn sie sich weigern, Schweizer zu den im Ausland geltenden Konditionen zu beliefern. Zwar ist die Gesetzesrevision zurzeit auf Eis gelegt, aber noch ist das Preisdifferenzierungsverbot nicht vom Tisch.
Aufschlussreiche Studie der SNB
Besonnenere Kreise machten schon damals darauf aufmerksam, dass nicht damit gerechnet werden könne, dass Wechselkursvorteile sofort und vollumfänglich an inländische Abnehmer bzw. Konsumenten weitergegeben würden. So zeigt eine Studie der Schweizerischen Nationalbank (SNB), dass in der Schweiz Wechselkursveränderungen längerfristig zu etwa 40% an die Importpreise weitergegeben werden. Damit liegt das «Exchange Rate Pass-Through» ungefähr im gleichen Rahmen wie im restlichen Europa oder in den USA. Zudem wurde verschiedentlich die Rolle der Konsumenten hervorgehoben, die es weitgehend in der Hand haben, die in der Schweiz als überteuert empfundenen Produkte im grenznahen Ausland zu besorgen oder auf billigere – meist qualitativ gleichwertige – heimische Produkte auszuweichen.
Solche nüchterne Analysen der Sachlage wurden von den Interessensverbänden nicht goutiert. Die Konsumentenschützer predigten die Mär vom unselbstständigen Konsumenten, der vor den ausländischen «Abzockern» beschützt werden müsse, die Unternehmensvertreter brandmarkten den Einkaufstourismus als unpatriotisch und die Grossverteiler betonten ihre Machtlosigkeit gegenüber den internationalen Markenartikelproduzenten (und vice versa). Den Kräften des Marktes schien niemand zu vertrauen. Was in den letzten Jahren aber passiert ist, mutet wie ein Lehrbeispiel aus einem Ökonomiebuch an. Im Nachhinein lässt sich nämlich feststellen, dass sich die Schweizer Konsumenten (zu recht) keinen Deut um politische Diskussionen scherten: Sie wichen – Patriotismus hin oder her – munter ins umliegende Ausland aus und räumten die Gestelle leer. Kleider, Schuhe, Lebensmittel, Körperpflege- und Hygieneprodukte im Wert von mehreren Milliarden Schweizer Franken wurden im grenznahen Ausland besorgt. Dass diese Entwicklung die Schweizer Detailhändler schmerzte und auch bei den Niederlassungen von internationalen Markenartikelherstellern (finanziell) nicht unbemerkt blieb, versteht sich von selbst. Und siehe da, Preis- und Kostensenkungen in der Schweiz waren die Reaktion, um der Abwanderung der Konsumenten entgegenzutreten. Für die erste Hälfte dieses Jahres schätzen die Marktforscher von AC Nielsen beispielsweise, dass die Preise im besonders vom Einkaufstourismus betroffenen Körperpflege- und Hygienebereich durchschnittlich um 5% gesunken sind.
Preise haben auch mit Zahlungsbereitschaft zu tun
Natürlich sind Körperpflege- und Hygieneprodukte sowie andere Markenartikel in der Schweiz weiterhin teurer als im Ausland. Auch laufen Preisanpassungsprozesse auf den Märkten nicht einfach von heute auf morgen ab – sie brauchen Zeit. Aber solange die Märkte wie beschrieben funktionieren, muss dies alles nicht beunruhigen. Sollten die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten die bestehenden Preisdifferenzen zum Ausland noch immer als zu hoch empfinden, werden sie weiterhin jenseits der Grenze einkaufen oder billigere inländische Produkte bevorzugen, sprich: den Druck auf die hiesigen Detailhändler und Niederlassungen der Markenartikelhersteller aufrecht erhalten. Erachten sie jedoch die vorgenommenen Preissenkungen als angemessen, kaufen sie die entsprechenden Produkte auch wieder bei den hiesigen Detailhändlern. In diesem Fall reflektieren höhere Preise schlicht eine höhere Zahlungsbereitschaft.