Ein dreieinhalbjähriges Pilotprojekt des innerschweizerischen Stromversorgers CKW hat gezeigt, dass der Einsatz «intelligenter» Stromzähler, sogenannter Smart Meter, nur geringe Spareffekte bei den Verbrauchern hat. Offenbar waren lediglich bei einer kleinen, motivierten Kundengruppe Einsparungen von bis zu 3% des Verbrauchs zu beobachten. Bei genauerem Hinsehen ist das Resultat nicht ganz so überraschend, wie es einige Medien darstellen. Denn der Stromzähler alleine spart noch keinen Strom. Und auch die blosse Information über den aktuellen Stromverbrauch gibt kaum ökonomische Anreize zum Sparen. Bestenfalls bemerken die Verbraucher unnötig eingeschaltete oder im Stand-by-Modus schlummernde Geräte und schalten diese ganz ab. Und möglicherweise gibt der Zähler Hinweise auf besonders stromfressende Geräte.
Die (relativ geringe) absolute Stromeinsparung ist keineswegs der grösste Nutzen eines intelligenten Stromzählers. Vielmehr ist er ein Instrument, um den Stromverbrauch sinnvoll über die Zeit zu verteilen. Es geht dabei um die Lastverschiebung sowie um das Glätten von Lastspitzen (vgl. Abbildung). Das klingt im ersten Moment weniger spannend als Stromsparen. Bedenkt man aber, dass sowohl die teuren Netzinfrastrukturen als auch Produktionskapazitäten üblicherweise auf wenige Tage oder gar Stunden mit einer ausserordentlich hohen Spitzennachfrage ausgelegt werden, offenbaren sich mit dem Einsatz von intelligenten Stromzählern interessante finanzielle Einsparpotenziale. Daneben können kleinere Verbraucher über die intelligente Steuerung und Vernetzung ihrer Geräte indirekt am Regelleistungsmarkt partizipieren (ein grosses Telekomunternehmen in der Schweiz engagiert sich beispielsweise in diesem Geschäftssegment).
Smarte Tarifmodelle für smarte Stromzähler
Intelligente Stromzähler sind eine Grundlage für die smarte Steuerung elektrischer Geräte. Dabei lassen sich in Haushalten oder auch kleineren Gewerbebetrieben vor allem Wärme- und Kältegeräte kurzfristig ohne Komforteinbusse aus- und wieder einschalten. Aufgrund der gespeicherten Wärme oder Kälte können sie ihren Strombezug um Minuten oder gar Stunden verschieben. Das setzt einerseits eine automatisierte (smarte) Steuerung der Geräte voraus – schliesslich käme niemand auf die Idee, etwa seine Wärmepumpe aktiv und manuell zu steuern. Anderseits braucht es sinnvolle finanzielle Anreize bei den Endverbrauchern. Der Mehrwert des Stromzählers muss sich in einer spürbar tieferen Stromrechnung niederschlagen. Mit der Möglichkeit von kurzfristigen Lastverschiebungen sind weitere Ertragsmöglichkeiten verbunden, an denen der Endkunde partizipieren kann:
- Tiefere Energiepreise durch die Verminderung des Strombezugs bei besonders hohen Preisen am Spotmarkt
- Einsparungen bei den Netzinfrastrukturen, z.B. durch die Vermeidung besonders teurer Kapazitätserweiterungen
- Erträge aus dem Regelleistungsmarkt, z.B. durch die Vermarktung von dezentralen aber vernetzten Wärmepumpen
- Geringere Kosten beim Energieversorger durch einen geringeren Bedarf an Ausgleichsenergie
Die heute verbreiteten Preismodelle mit Einheitstarif oder Tag-Nacht-Tarif sind dazu nicht geeignet. Vielmehr braucht es ebenso smarte Tarife, die den Verbrauchern einen Teil der Einsparungen weiterreichen:
- Beispielsweise kann der Energielieferant während kritischer Versorgungssituationen besonders hohe Tarife verrechnen (critical-peak pricing), und die damit verbundenen Einsparungen pauschal oder in Form eines tieferen Durchschnittstarifs an die Verbraucher weiterreichen.
- Alternativ könnte der Versorger den Tarif eng an den Stundenpreisen des Spotmarkts ausrichten (real-time pricing). Damit verbunden sind einerseits Kosteneinsparungen durch die Minimierung von Absicherungsgeschäften. Anderseits kann der Kunde seinen Verbrauch so optimieren, dass er vor allem während den Stunden mit besonders hohen Preisen seinen Bezug reduziert.
- Daneben können Erträge aus dem Regelleistungsmarkt etwa als Pauschale den Verbrauchern weitergereicht werden.
Fehlender Markt und Wettbewerb
Auch CKW hat im Rahmen ihres Pilotprojekts alternative dynamische Tarifmodelle angeboten. Diese wurden vor allem durch die affinen Kunden genutzt. Noch sind in der Schweiz die Möglichkeiten und Vorteile von smarten Tarifmodellen in Kombination mit Smart Metering beschränkt. Nach wie vor ist der Strommarkt nur für Grosskunden geöffnet, kleine Kunden sind weiterhin in der Grundversorgung gefangen – und dort gelten auf Basis von Kosten regulierte Energietarife. Neue und vor allem interessante Tarifmodelle auch für kleinere Kunden entstehen erst in einem geöffneten und wettbewerblichen Markt.
Die bisherigen Pilotprojekte haben vor allem gezeigt, dass die Interessen und auch die Möglichkeiten der Endkunden, an solchen Modellen überhaupt teilzunehmen, sehr unterschiedlich sind. Nicht jeder Verbraucher hat geeignete elektrische Geräte oder einen ausreichend hohen Stromkonsum, so dass Lastverschiebungen wirtschaftlich sind.
Der Nutzen von smarten Stromzählern ist sehr heterogen. Von einem teuren, flächendeckenden Einsatz – wie er etwa im Rahmen der Botschaft zur Energiestrategie des Bundesrates angedacht ist – ist daher in jedem Fall abzuraten. Ebenso sollte die Finanzierung auf keinen Fall über den regulierten Netztarif erfolgen. Denn erstens sollten intelligente Stromzähler nur dort eingesetzt werden, wo sie tatsächlich einen Nutzen stiften. Zweitens ist es im offenen Markt sinnvoll, dass der Stromzähler nicht nur vom Netzbetreiber, sondern auch von alternativen Akteuren betrieben werden kann, etwa vom Energielieferanten oder einem unabhängigen Metering-Dienstleister. Smarte Stromzähler sollen sich in einem freien Markt etablieren.
Mindestens in der längeren Frist könnte der Wert von intelligenten Stromzählern zunehmen. Steigt der Anteil fluktuierender Energie im Markt, nehmen sehr kurzfristige Preisschwankungen an der Strombörse tendenziell zu. Das macht Lastverschiebungen finanziell attraktiv. Das Ziel der absoluten Energieeinsparung hingegen tritt vermehrt in den Hintergrund, denn immer häufiger entstehen im Markt Situationen, in denen – je nach Witterung – die Photovoltaik oder die Windkraft zu einem Überangebot und fallenden oder gar negativen Preisen führen. Stromsparen ist in solchen Situationen weder nötig noch sinnvoll.