Das erste schweizerische Kartellgesetz trat 1962 in Kraft. Mit seiner Umsetzung wurde die Kartellkommission betraut, die nicht wie in anderen Ländern eine gerichtliche Instanz war, sondern ein Gremium, das sich auf den Erlass von Empfehlungen beschränkte. Gut schweizerisch sollten diese Empfehlungen einen möglichst breiten Konsens spiegeln, was sich darin äusserte, dass in der Kartellkommission nicht nur unabhängige Experten, sondern auch Vertreter wirtschaftlicher Interessengruppen Einsitz nahmen. Dass sich mit einem derart konstituierten Gremium keine schlagkräftige Wettbewerbspolitik umsetzen liess, ist nicht erstaunlich. Trotzdem dauerte es bis Anfang der 1990er-Jahre, bevor im Zusammenhang mit dem Revitalisierungsprogramm der Schweizer Wirtschaft eine Totalrevision des Kartellgesetzes in Angriff genommen wurde.

Entwicklung vom Empfehlungsgremium zum Gericht

Das 1996 revidierte Kartellgesetz markiert die Geburtsstunde der heutigen Wettbewerbskommission (Weko). Die Weko erhielt unter dem neuen Gesetz die Kompetenz, von sich aus Verfahren zu eröffnen und Verfügungen zu erlassen. Damit wandelte sich die Weko von einem «Empfehlungsgremium» zu einer gerichtsähnlichen Institution. Verpasst wurde damals jedoch die Chance, die Zusammensetzung der Weko dem neuen gesetzlichen Rahmen anzupassen – sprich, die Vertreter wirtschaftlicher Interessengruppen aus der Weko auszuschliessen –, obwohl dies von verschiedener Seite gefordert wurde. Mit der Teilrevision des Kartellgesetzes im Jahre 2003 verschärfte sich das Problem nochmals markant. Im Rahmen dieser Revision erhielt die Weko nämlich das Recht, direkte Sanktionen zu verhängen, womit sie faktisch endgültig zu einem Gericht mutierte.

Rein rechtlich mag zwar an der Zusammensetzung der Weko (7 unabhängige Mitglieder und 5 Interessenvertreter) nichts zu bemängeln sein, entscheidet diese doch nur erstinstanzlich: Entscheide der Weko können an das Bundesverwaltungsgericht und letztinstanzlich an das Bundesgericht – beides zweifellos unabhängige Gerichte – weitergezogen werden. Bei der Frage nach der Zusammensetzung der Weko geht es jedoch nicht nur um juristische Aspekte. Die Weko hat das Recht, Bussen zu verhängen, die mehrere Millionen Schweizer Franken betragen können, höhere Bussen als jedes andere Gericht. Unabhängig davon, ob die Interessenvertreter allenfalls relevantes Praxiswissen in die Weko einbringen und sich bei den Entscheiden redlich um Objektivität bemühen, steht nur schon der Anschein der Befangenheit einer solch mächtigen Institution äusserst schlecht an.

Der Bundesrat will zu viel

In diesem Sinne wäre die anstehende Teilrevision des Kartellgesetzes eine gute Gelegenheit, einen alten Zopf abzuschneiden. Der Bundesrat hat in diesem Zusammenhang einen radikalen Systemwechsel vorgeschlagen: Die Wettbewerbsbehörden sollen – ähnlich wie die Staatsanwaltschaft – nur noch Anklage erheben, während neu eine Kammer für Wettbewerbsrecht des Bundesverwaltungsgerichts als urteilende Instanz eingesetzt werden soll. Diese Massnahme schiesst weit über das Ziel hinaus. Zwar wäre hiermit die Möglichkeit einer allfälligen politischen Einflussnahme durch die Interessenvertreter ausgeschlossen, aber es käme mit grosser Wahrscheinlichkeit zu massiven Verfahrensverzögerungen. Mit dem Ausschluss der Interessenvertreter aus der Weko würde dieselbe Wirkung erzielt, ohne die ohnehin langwierigen Verfahren zusätzlich zu verkomplizieren. Überdies würde sich eine Verkleinerung der Weko auf fünf bis sieben Mitglieder, einhergehend mit einer Aufstockung der zum Teil sehr kleinen Teilpensen, vermutlich positiv auf die Arbeit der Kommission auswirken. Dies hängt nicht mit dem beruflichen Hintergrund der einzelnen Weko-Mitglieder zusammen, sondern mit der organisationstheoretischen Erkenntnis, dass die Leistungsfähigkeit von Gruppen mit zunehmender Grösse abnimmt.