Moses brauchte für die Niederschrift der 10 Gebote zwei Steintafeln. Die «Bill of Rights» der USA umfasste mitsamt den Unterschriften der  Delegierten vier Papierbögen. Die-Basel-III-Regulierungen füllen 130 A4-Seiten. Notabene betreffen diese Spielregeln nicht eine ganze Gesellschaft, sondern nur eine einzige Branche.

Wie könnte ein einfacherer, marktwirtschaftlicher Regulierungsansatz für die Finanzbranche aussehen?  Eine Skizze für eine neue Regulierungsphilosophie lieferte Avenir Suisse bereits im März 2010 mit dem Diskussionspapier «To-big-to-fail und die Wiederherstellung der Marktordnung». Massgebend dabei ist etwa die praktische Erfahrung, dass ständig neue Regulierungen die Tendenz zu risikoreicherem Verhalten angesichts höherer Sicherheitsanforderungen eher fördern als dämpfen («Peltzman-Effekt»).

Einen wichtigen Input lieferte ohne Zweifel  aber auch der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie unter der Federführung von Prof. Martin Hellwig, einem weltweit führenden Ökonomen auf diesem Gebiet. Danach müssen die Solvenz der Banken und die Stabilität des Bankensystems im zentralen Fokus stehen. Zu diesem Zweck schlägt das Gremium u.a. vor, die Eigenmittelquote substanziell zu erhöhen, und zwar deutlich über 10% der ungewichteten Bilanzsumme. Dadurch würde nicht nur die Haftungsfunktion des Eigenkapitals gestärkt, sondern auch die systemischen Rückwirkungen von Schieflagen einer Bank gemildert.

Dagegen wäre auf die mit Basel I, II und III schon seit zwanzig Jahren praktizierte Regulierungstrategie der immer  feineren Risikokalibrierung zu verzichten.  Wichtig wäre sodann ein geordnetes Insolvenzrecht, das auch bei Banken konsequent durchgesetzt wird. Entscheidend dabei ist, dass die Regeln ex-ante so genau festgelegt werden, dass dem Regulator ex-post kein Spielraum mehr bleibt. Schliesslich müsste die mikroprudenzielle Aufsicht (die Beaufsichtigung der Unternehmen) durch eine makroprudenzielle Analyse und Aufsicht ergänzt werden, wobei es aber zu keiner Vermischung der Zuständigkeiten von  Geld- und Finanzpolitik kommen darf.

Ein derartiger Ansatz hätte fundamentale Vorteile:

  • Erstens würde die Eigenverantwortung der Banken erheblich gestärkt, weil sie sich nicht mehr auf den Staat verlassen könnten. Die Erpressbarkeit des Staates in einer Krise würde gemildert.  Die jüngste Erfahrung hat gezeigt, dass explizite oder implizite Garantien für systemrelevante Institute immer auch eine Form von Staatsversagen sind.
  • Zweitens wäre die Finanzmarktregulierung für Politik und Öffentlichkeit wieder leichter nachvollziehbar und nicht einfach ein für Experten reserviertes Tummelfeld. Dies wäre dem Vertrauen und der Legitimität förderlich, weil die Regulierung demokratisch besser abgestützt wäre.
  • Drittens würde  die Verantwortung nicht einfach auf eine höhere organisatorische Ebene mit komplexen Kontrollmechanismen verschoben, wie das mit immer neuen Regulierungen heute z.T. der Fall ist.