Während des Lockdowns haben fast 200’000 Unternehmen in der Schweiz die Kurzarbeit für ihre Belegschaft beantragt – rund 20 Mal mehr als auf dem Höhepunkt der Finanzkrise. Es wird geschätzt, dass mehr als ein Viertel der Beschäftigten entsprechende Entschädigungen erhalten haben (oder erhalten werden). Kurzarbeit ist daher zu einem Schlüsselinstrument in der Reaktion auf die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie geworden. Mit welchem Erfolg – und mit welchen Perspektiven?

Angesichts des abrupten Produktionsstopps ging es vorerst darum, einen Tsunami von Entlassungen zu vermeiden. Im Gegensatz zur Arbeitslosenversicherung ermöglicht die Kurzarbeit die Aufrechterhaltung der Beziehung zwischen Unternehmen und Arbeitnehmenden. Das ist sinnvoll: Beide Parteien haben jeweils viel darin investiert, den richtigen Arbeitsplatz und die richtigen Mitarbeiterenden zu finden. Dieses Matching gilt es also vorerst zu schützen. Dadurch bleibt zudem betriebsspezifisches Know-how erhalten.

Es gibt aber auch eine Kehrseite der Medaille, die momentan allzu schnell von der Politik – und sogar von Arbeitsmarktsexperten – abgetan wird. Der Leistungsausweis der Kurzarbeit ist keineswegs so makellos, wie man es meinen könnte. So bleibt die wahrgenommene Überlegenheit im Vergleich zur «klassischen» Arbeitslosenversicherung umstritten.

Eine inhärente Schwäche der Kurzarbeit wird in Covid-Zeiten besonders akut: Für die zahlreichen Unternehmen, die Kurzarbeit beziehen, besteht grundsätzlich ein Einstellungsverbot. Wer dennoch neue Mitarbeiter anheuert, riskiert das Recht auf Entschädigungen für das gesamte Unternehmen zu verlieren. Zwar ist diese Bedingung notwendig, um Missbrauch zu verhindern. Wenn die Wirtschaftskrise jedoch anhält und die Teilarbeitslosigkeit dennoch in Entlassungswellen mündet, macht die weitverbreite Kurzarbeit das Leben der Jobsuchenden noch schwerer: sie finden sich auf einem Arbeitsmarkt, der kaum offene Stellen anbietet. Dafür finden Firmen, die keine Kurzarbeit beziehen, und vom Anstellungsstopp nicht betroffen sind, die benötigten Mitarbeiter nicht, weil diese von den bestehenden Betrieben «gehortet» werden.

Dass dies keine bloss potenzielle Gefahr darstellt, suggerieren die neuesten Arbeitsmarktdaten. Während im Mai die Zahl der Stellensuchenden nicht mehr so stark gestiegen ist, sind die Neueinstellungen weiterhin stark rückläufig. Es sind also zurzeit nicht so sehr die Entlassungen, die zum gegenwärtigen Anstieg der Arbeitslosenquote beitragen, sondern die mangelnden Anstellungen.

Der Bundesrat hat diese «Nebenwirkungen» der Kurzarbeit zu wenig berücksichtigt, als er diese Woche die maximale Bezugsdauer von 12 auf 18 Monaten verlängerte. Die Entscheidung verrät auch ein gewisses Wunschdenken, was der Verlauf und die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie anbelangt: Die Entscheidungsträger müssen sich wohl darauf einstellen, dass die Pandemie kein temporärer Schock bleibt. Dies bringt viel Mühsal, aber auch zahlreiche neuen Opportunitäten für Unternehmen und Mitarbeitende zugleich. Sie müssen nur genutzt werden können.