Über 550 Millionen Franken Wasserzinsen strömen jedes Jahr in die Kantone und Gemeinden mit Wasserkraftwerken – rund die Hälfte davon in die Kantone Graubünden und Wallis. Diese für die Wassernutzung bezahlte Abgabe der Stromproduzenten ist für viele Berggemeinden enorm wichtig. Während sich die Wasserzinsen in Graubünden und im Wallis im Mittel auf knapp sieben Prozent der Gemeindeeinnahmen belaufen, machen sie in einzelnen Gemeinden die Hälfte der Einnahmen aus.

Wofür verwenden die Gemeinden ihre Wasserzinseinnahmen? Bis anhin gab es dazu nur Einzelgeschichten. Diese reichen von Steuersenkungen über Infrastrukturinvestitionen bis zu Preissenkungen im Dorfladen. In einer neuen wissenschaftlichen Studie haben wir für die Kantone Graubünden und Wallis erstmalig systematisch untersucht, wofür die Gemeinden ihre Wasserzinseinnahmen nutzen. Die Resultate sind nicht nur für sich genommen von Bedeutung. Sie liefern auch Anhaltspunkte dafür, wie nah sich die Gemeindepolitik am Willen der Bürgerinnen und Bürger orientiert. Denn wie der Volksmund weiss: «Fremdes Geld ist lockeres Geld» – stimmt das auch beim öffentlichen Haushalt? 

Geld ist (nicht) gleich Geld

Gemeinden haben zwei Haupteinnahmequellen: Einerseits erheben sie von ansässigen Personen und Unternehmen Steuern. Andererseits erhalten die Gemeinden «fremde», das heisst «externe» Mittel, deren Höhe sie kaum direkt beeinflussen können. Dazu zählen Einnahmen aus natürlichen Ressourcen oder Zuschüsse vom Kanton.

Staumauer im Vercascatal (Wasserzinsen)

Wasserausfluss aus der Staumauer im Verzascatal. (Adobe Stock)

Man würde nun vermuten, dass die Gemeinden die Einnahmen aus beiden Quellen gleich verwenden – Geld ist gleich Geld. Konkret: Typischerweise wird weniger als ein Zehntel der lokalen Einkommen für Gemeindeausgaben verwendet. Demnach würde man erwarten, dass auch externe Mittel grösstenteils der Bevölkerung überlassen und nicht für Gemeindeausgaben verwendet werden. Internationale Erfahrungen zeigen indes, dass externe Mittel oft vollständig in Gemeindeausgaben fliessen. Sie ermöglichen den Behörden, Projekte umzusetzen, die politisch nicht durchsetzbar wären, wenn sie über Steuererhöhungen finanziert werden müssten. Geld ist eben doch nicht gleich Geld.

Ein prominentes Beispiel für externe Einnahmen in der Schweiz sind die Wasserzinsen. Während die Steuerkraft einer Gemeinde wesentlich von ihrer Politik abhängt, können die Gemeindebehörden auf die Wasserzinsen nur beschränkt Einfluss nehmen. Wie üppig die entsprechenden Einnahmen in einer Gemeinde sprudeln, hängt entscheidend von ihrer Lage, den kantonalen Bestimmungen zur Einnahmenverteilung sowie der vom Bund festgelegten Entschädigungshöhe je Kilowatt Bruttoleistung ab – kaum aber von der jeweiligen Gemeindepolitik. 

Wasserzinsen fliessen in Steuersenkungen

Die Haupterkenntnis unserer Studie: Die Bündner und Walliser Gemeinden gehen sehr haushälterisch mit den Einnahmen aus ihren natürlichen Wasserressourcen um. Wir finden keine aussergewöhnliche Erhöhung der laufenden Gemeindeausgaben. Hingegen sehen wir deutliche Rückgänge in den Steuerfüssen mit steigenden Wasserzinseinnahmen, was sich auch in den Steuereinnahmen niederschlägt. Eine Erhöhung der Wasserzinseinnahmen um einen Franken senkt die Steuereinnahmen der Gemeinden durchschnittlich um etwas mehr als einen Franken. Die untersuchten Berggemeinden überlassen demnach die Einnahmen aus den Wasserzinsen überwiegend der Bevölkerung.

Die bevölkerungsnahe Verwendung der Wasserzinseinnahmen ist vermutlich eine Folge der starken direktdemokratischen Institutionen. Dies steht in Kontrast zu ausländischen Erfahrungen, wo externe Mittel meist überwiegend in höhere Staatsausgaben fliessen. Es gibt aber auch Gegenbeispiele – besonders dort, wo die Bevölkerung die Politik ebenfalls direkt mitgestalten kann. Die Annahme liegt nahe, dass Schweizer Gemeinden mit ihrer direktdemokratischen Tradition auch andere Mittel ähnlich haushälterisch verwenden. Solche Institutionen erfüllen demnach ihren Zweck und führen zu einer bevölkerungsorientierten Politik.

Dieser Beitrag von Patrick Leisibach, Simon Lüchinger und Christoph Schaltegger ist als Gastkommentar in der NZZ vom 4. Dezember 2023 erschienen. Weitere Informationen zu den Wasserzinsen und dem bestehenden Reformbedarf finden Sie in unserer 2018 erschienenen Publikation «Konzessionen bei den Konzessionen».