Die 13. AHV-Rente kommt, deren Finanzierung ist aber noch immer nicht geklärt. Neben den «Klassikern» wie eine direkte Erhöhung der Lohnprozente oder der Mehrwertsteuer geistern derzeit auch unkonventionellere Ideen herum. Eine solche Idee, die nun auch überparteilich Anklang findet und den Einzug ins Parlament schon erreicht hat, ist die Einführung einer Finanztransaktionssteuer.

Die Idee ist nicht neu. Sie wurde schon im Zusammenhang zur Finanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens genannt, und vor drei Jahren scheiterte die sogenannte «Mikrosteuerinitiative» im Unterschriftenstadium. Die Volksinitiative hatte zum Ziel, nicht nur auf Finanztransaktionen, sondern auf allen bargeldlosen Transaktionen eine Steuer von maximal 0,5 Promille einzuführen. Der Geltungsbereich wäre damit noch breiter ausgelegt gewesen als die Ideen, die derzeit in Bundesbern diskutiert werden. Während die Politik solche Transaktionssteuern wegen den auf den ersten Blick geringen Steuersätzen oft attraktiv findet, gibt es aus ökonomischer Sicht Bedenken.

Schweizer Münzgeld als Symbolbild für Transaktionssteuern

Die Politik mag Transaktionssteuern attraktiv finden, aus ökonomischer Sicht gibt es Bedenken. (Adobe Stock)

Transaktionsvolumen ≠ Wertschöpfung 

Erstens wird bei einer umfassenden Transaktionssteuer (indirekt) das Leistungsfähigkeitsprinzip verletzt: Endprodukte und Dienstleistungen durchlaufen ganz unterschiedliche Vorstufen, die je nachdem mit hohen oder niedrigen Transaktionsvolumen einhergehen. Diese Transaktionsvolumen sind nicht gleichbedeutend mit Wertschöpfung – die Mehrwertsteuer versucht, diesem Umstand gerecht zu werden.

Ein einfaches Beispiel zeigt diese Problematik. Eine Anwaltskanzlei benötigt in der Regel keine Vorprodukte. Entsprechend schlägt die Transaktionssteuer nur einmal bei der Verrechnung der finalen juristischen Dienstleistung zu Buche. Ein hochspezialisierter Maschinenbauer braucht hingegen verschiedene komplexe Bauteile. Wenn er diese von Zulieferern erwirbt, fällt jedes Mal eine Transaktionssteuer an – das gleiche gilt für die Zulieferer, die ihrerseits vielleicht wieder diverse Vorprodukte benötigen.

Rasche Verflüchtigung der Steuerbasis

Zweitens wird sich die Steuerbasis einer umfassenden Transaktionssteuer rasch verflüchtigen. Während es bei alltäglichen Einkäufen kaum zu grossen Veränderungen kommen dürfte, werden gerade im Bereich von Transaktionen im Finanzsektor sowie im Grosshandel und in der Industrie Ausweichhandlungen zu beobachten sein. 

So würde eine umfassende Transaktionssteuer bei Grosshandel und Industrie verzerrende Anreize bezüglich betriebswirtschaftlicher Organisation schaffen. Es dürfte vermehrt zu Firmenzusammenschlüssen entlang der Wertschöpfungsketten kommen. Dahinter würden dann nicht ökonomische Effizienzgründe stehen, sondern steuerliche. Denn so können volumenreiche Transaktionen neu innerhalb eines Unternehmens verrechnet statt auf einem Markt abgewickelt werden – die Transaktionssteuer greift entsprechend nicht.

Sind solche Zusammenschlüsse nicht möglich, besteht ein Anreiz, die entsprechenden Wertschöpfungsstufen ins Ausland auszulagern. Dieser internationale Aspekt ist gerade auch bei den Finanztransaktionen von zentraler Bedeutung. So können Finanztransaktionen im digitalen Zeitalter relativ einfach in fremden Jurisdiktionen abgewickelt werden. Das ist nicht einfach graue Theorie, sondern spiegelt sich auch in der Praxis.

Negative Erfahrungen im In- und Ausland

Schweden hat 1984 eine Finanztransaktionssteuer mit einem Steuersatz von 0,5% für je Käufer und Verkäufer auf Aktien und damit verbundene Optionen eingeführt. Fünf Jahre später wurde die Steuer auch auf Obligationen und damit verknüpfte Derivate ausgeweitet, jedoch mit einem weitaus geringeren Steuersatz zwischen 0,002% und 0,03%. Das Resultat: Über die Hälfte des schwedischen Aktienhandels verlagerte sich nach London, der Obligationenhandel brach in der ersten Woche trotz des Steuersatzes im Promillebereich um 85% ein, der Derivatehandel verschwand praktisch vollständig. Die Erträge betrugen nur ca. 3% der erwarteten Einnahmen im Fall der Obligationen und fielen im Fall der Aktien wegen eines entsprechenden Rückgangs der Kapitalgewinnsteuer komplett aus.

Auch die Schweiz kennt ein ähnliches Konzept mit der Umsatzabgabe für inländische Effektenhändler (sie ist ein Teilaspekt der besser bekannten Stempelabgabe) von 0,015% bis 0,03% auf den Kauf und Verkauf von gewissen Wertpapieren. Und auch in der Schweiz sind die Kosten dieser Steuer erheblich. Laut einer Studie von BAK Economics könnte eine Reform der Stempelabgabe sowie des Verrechnungssteuersystems das Schweizer BIP in einem Zeitfenster von zehn Jahren um 1,4% erhöhen. Die Studienautoren legen ferner dar, dass eine solche Reform die anfänglich hohen Mindereinnahmen des Bundes langfristig mehr als kompensieren würde.

Schliesslich setzt eine Transaktionssteuer Anreize, Transaktionen, die heute einzeln abgewickelt werden, in einzelne «Pakete» zu bündeln. Damit können gewisse Forderungen saldiert und Steuern gespart werden. Wahrscheinlich würden auch Transaktionen vermehrt mit unreguliertem Buchgeld (also Passiventausch auf einer Bilanz) abgewickelt. Die Folge wäre ein Wachstum des Schattenbankensektors. Insgesamt droht das Finanzsystem mit einer Transaktionssteuer instabiler zu werden – Forschungsarbeiten legen denn auch nahe, dass die Einführung einer solchen Steuer in Frankreich die Funktionsfähigkeit des Marktes unterminiert haben.

Simpel und einfach – aber nicht gut

Eine umfassende Transaktionssteuer – wie sie einst in der Mikrosteuerinitiative vorgeschlagen wurde – verletzt das Leistungsfähigkeitsprinzip, führt zu ineffizienten Firmenfusionen und kann bei gewissen Transaktionen leicht vermieden werden. Eine solche Steuer ist somit nicht nur ungerecht und verzerrend, sondern die Probleme akzentuieren sich über die Zeit sogar noch. Will man Ausweichbewegungen und ökonomische Friktionen vermindern, wäre wiederum eine grosse Steuerbürokratie sowie umfassende fiskalpolitische Eingriffe in das Wirtschaftsleben notwendig.

Umfassende Transaktionssteuern sind somit vielleicht auf den ersten Blick simpel und einfach, aber deswegen noch lange nicht gut. Auch eine enger gefasste Transaktionssteuern nur für den Finanzbereich birgt Probleme, wie nicht zuletzt Erfahrungen im Ausland gezeigt haben. Es ist verständlich, dass sich derzeit die Politik Gedanken macht, wie die finanzielle Situation beim Bund verbessert werden kann. Statt problematische Steuern einzuführen, würde vorderhand aber besser das existierende Sparpotenzial gehoben werden – wo ein solches liegt, wird Avenir Suisse in kommenden Monaten in einer Sommerserie aufzeigen.