In der Folge des libyschen Bürgerkriegs ist der Erdölpreis nach oben geschnellt.  Die Auswirkungen auf die Schweizer Konjunktur waren bisher kaum spürbar. Zurzeit hilft neben einem starken Franken vor allem die weltweite Wirtschaftsentwicklung.

Libyen gehörte 2010 mit einem weltweiten Produktionsanteil von 2% (ca. 1,66 Mio. Barrel pro Tag) zu den 18 grössten Erdölproduzenten. Mit dem Ausbruch des  Bürgerkriegs kamen Produktion und Export praktisch zum Stillstand. Obwohl diese Angebotsreduktion relativ klein ist, führte sie am Markt zu einer starken Preissteigerung, da die Nachfrage nach Erdöl praktisch unelastisch ist. 2010 wurde Rohöl der Nordseesorte Brent pro Fass noch bei durchschnittlich knapp 80 $ gehandelt. Mitte Juni 2011 lag der Preis bei 120 $.

Gegen Ende Juni – nur wenige Tage nachdem die grossen Industrieländer die Freigabe ihrer Erdölreserven beschlossen hatten – sank der Erdölpreis zwar wieder auf 112 $. Dieser Preisdämpfer dürfte aber eher kurzfristiger Natur sein. Schliesslich sind die Lagerkapazitäten begrenzt und sollten vor allem während Krisen zur Verfügung stehen. Üblicherweise ordnet die Internationale Energieagentur (IEA) eine Lagerfreigabe nur bei einem physischen Versorgungsnotstand an, nicht bei hohen Preisen. Dass dieser Schritt dennoch erfolgte, kann als ein Signal an die Opec-Staaten interpretiert werden, damit diese ihre Produktion rasch ausweiten.

Schlechtere Qualität des saudischen Erdöls

Denn um nachhaltig hohe Preise abzuwenden, braucht es ein grösseres Erdölangebot. Viele Produzenten operieren jedoch an ihrer Kapazitätsgrenze. Es gibt nur ein Land, das über bedeutende zusätzliche, rasch verfügbare Produktionsvolumina verfügt: Saudiarabien. Der Wüstenstaat förderte 2010 etwa 10 Mio. Barrel Erdöl pro Tag, seine Produktionskapazität wird hingegen auf über 12 Mio. Barrel geschätzt.

Tatsächlich hat Saudiarabien im Zuge des Libyenkonflikts eine Ausweitung seiner Produktion angekündigt. Dass der Erdölpreis dennoch deutlich stieg, deutet darauf hin, dass der Angebotsrückgang nicht gänzlich kompensiert wurde. Das hängt auch damit zusammen, dass ein Grossteil des in Saudiarabien geförderten Öls eine schlechtere Qualität hat. Libysches Öl ist «leichter» (geringe Dichte) und «süsser» (schwefelarm), so dass es sich einfacher zu Benzin verarbeiten lässt. Das libysche Öl ist bei Raffinerien, die ausschliesslich das einfache Destillationsverfahren anwenden, besonders beliebt. Bei der Verwendung schwererer Sorten muss der Erdöldurchsatz erhöht werden, um dieselbe Menge an Treibstoff zu erzeugen. Damit aber steigt jeweils auch die produzierte Menge des weniger gefragten Schweröls. Für die Verarbeitung schwerer Erdölsorten eigenen sich vor allem Raffinerien, die über ein sogenanntes Konversions- bzw. Crackverfahren verfügen. Sie können auch schweres Rohöl zu Treibstoff verarbeiten, indem sie einen Teil der schweren Bestandteile in leichtere umwandeln. Weltweit gibt es noch relativ wenig derart moderne Produktionsanlagen.

Der harte Franken hilft

Bisher sind die Auswirkungen der steigenden Ölpreise auf die Schweizer Wirtschaft gering. Das hat einerseits mit dem starken Franken zu tun, der den Preisanstieg der in US-Dollar oder Euro importierten Energie teilweise kompensiert. Anderseits hat die Schweizer Wirtschaft in den letzten Jahren aber auch ihre Abhängigkeit vom Erdöl reduziert: Gegenüber 1973 hat sich die Erdölintensität von Produktion und Verbrauch halbiert.

Jüngere Untersuchungen für die Schweiz gehen davon aus, dass mit einem Anstieg des Erdölpreises um 10% eine Reduktion der realen Wirtschaftsleistung um etwa 0,1 Prozentpunkte einhergeht. Diese Relation gilt unter der Annahme, dass sich einzig der Erdölpreis verändert.

Als  zwischen 2006 und 2008 der Erdölpreis Rekordwerte erreichte, fand dies im Umfeld einer boomenden Weltwirtschaft statt.  Über höhere Exporte profitierte damals auch die schweizerische Wirtschaft davon, darunter auch viele Energietechnologiezulieferer. Die steigenden Preise waren während dieser Periode nicht das Resultat einer Angebotsverknappung, sondern einer starken wirtschaftlichen Entwicklung, die, vor allem in Asien, die Energienachfrage ankurbelte. Hochkonjunktur und rekordhohe Energiepreise gingen während dieser Periode Hand in Hand.

Hohe Erdölpreise stellen per se keine direkte Gefahr für die schweizerische Konjunktur dar – solange die positiven Effekte einer starken Weltwirtschaft überwiegen. Sollte jedoch ein anhaltend hoher oder gar steigender Erdölpreis für eine globale Konjunkturabkühlung sorgen, dann wird dies auch die Schweiz zu spüren bekommen.