In den vergangenen Jahren sind die Asylzahlen in der Schweiz und in anderen Ländern deutlich angestiegen. 2022 und 2023 haben insgesamt über 150’000 Menschen hierzulande Asyl oder den Schutzstatus S beantragt (vgl. Grafik). Auch wenn der Ukraine-Krieg dafür hauptverantwortlich ist, kommen auch aus anderen Ländern wieder vermehrt Asylsuchende in die Schweiz.

Bei der Aufnahme von Flüchtlingen bewegt sich die Schweiz seit jeher in einem Spannungsfeld: zwischen dem Recht auf Schutz der Geflüchteten und einem souveränen Staat, der die Migration kontrollieren und beschränken will. Wer soll für wie lange Schutz erhalten? Welche Rechte sollen Geflüchteten zustehen? Wie und wo sollen die Asylverfahren stattfinden? In der Asylpolitik stellen sich viele Fragen.

Bei denjenigen, die als Flüchtling hierzulande anerkannt sind oder zumindest vorläufig bleiben dürfen, stellt sich zudem die Frage nach der bestmöglichen Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt. Dieser Aspekt scheint gegenwärtig umso wichtiger, weil viele der momentan in der Schweiz Asyl Suchenden längerfristig hierbleiben dürften. So fällt die derzeitige Schutzquote (positive Entscheide für Asyl oder vorläufigen Schutz) mit 50–60% im zeitlichen Vergleich eher hoch aus. Rechnet man die Nicht­eintretens­entscheide aus der Statistik heraus (u.a. weil ein anderer europäischer Staat zuständig ist), sind es sogar rund 80%.

Welche Integrationsmassnahmen wirken? Welche nicht?

Die Integration stellt viele Länder vor Herausforderungen. Während Flüchtlinge in den USA und Kanada wirtschaftlich erfolgreich sind, haben sie in europäischen Ländern oftmals grössere Schwierigkeiten, sich in Gesellschaft und Arbeitsmarkt zu integrieren. So liegt die Sozialhilfequote im Flüchtlingsbereich hierzulande bei über 80%, die Erwerbstätigenquote bei 40–45%. Von den ukraini­schen Flüchtlingen hat derzeit jede/jeder Vierte im erwerbsfähigen Alter eine Arbeit – ein im internationalen Vergleich tiefer Wert.

Woran liegt es, dass die Integration nicht überall gleich gut funktioniert? Welche Massnahmen können zur besseren ökonomischen und sozialen Integration beitragen und welche nicht? Nachfolgend versuchen wir, diese Fragen auf Basis internationaler Forschungs­literatur zu beantworten. Grundlage bildet eine aktuelle ökonomische Literaturübersicht eines Autorenteams um den Migrations­experten Giovanni Peri (Bahar et al., 2024), ergänzt um einige Aspekte aus Studien von Foged et al. 2024 und Schuettler und Caron 2020. In den jeweiligen Literaturübersichten finden auch Schweizer Erfahrungen prominenten Platz.

Herausfordernder Start

Im Vergleich zu Einheimischen und anderen Zuwanderern sind Flüchtlinge mit besonderen Herausforderungen konfrontiert: Ihnen fehlen oft die im Zielland nachgefragten Qualifikationen, Sprachkenntnisse, soziale Netzwerke und (finanzielle) Ressourcen. Die Gesundheit kann aufgrund der Fluchterfahrung negativ beeinträchtigt sein, die Risikobereitschaft gehemmt. Dazu kommen rechtliche Herausforderungen und Unsicherheiten (z.B. eingeschränkter Arbeitsmarktzugang und unklares Bleiberecht). All das führt dazu, dass Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt einen schweren Stand haben. Wie die internationale Forschungsliteratur zeigt, kann die Politik diese Schwierigkeiten besser oder schlechter adressieren.

  1. Aufenthaltsstatus und Zugang zum Arbeitsmarkt

Viele Länder kennen Arbeitsmarktrestriktionen wie etwa Arbeitsverbote im Asylprozess. Obwohl diese in der Regel «nur» für 6 bis 12 Monate bestehen, beeinflussen sie laut diversen Studien auch Jahre später noch den Arbeitsmarkterfolg negativ. Ein möglichst früher Arbeitsmarktzugang fördert indes nicht nur die berufliche Integration, sondern führt auch zu tieferen Kriminalitätsraten.

Unklar ist, welchen Effekt unterschiedliche Aufenthaltsbewilligungen haben. So wäre davon auszugehen, dass befristet ausgestellte Aufenthaltsbewilligungen – mit der Aussicht auf ein unbefristetes Aufenthalts­recht bei erfolgreicher Arbeitsmarkt-(Integration) – die Integrationsanreize stärken. Dafür gibt es bis anhin aber keine Evidenz. Wenig ist auch darüber bekannt, wie Arbeitgeber auf die unterschiedlichen Aufenthaltstitel reagieren. Eine etwaige Ungewissheit über das Bleiberecht könnte Arbeitgeber davon abhalten, Flüchtlinge überhaupt erst einzustellen bzw. auszubilden.

In der Schweiz gab es über die Zeit diverse Lockerungen beim Arbeitsmarktzugang; gewisse Arbeitsmarktrestriktionen bestehen aber weiterhin. Zudem kennt die Schweiz mit dem Status der «vorläufigen Aufnahme» und dem «Schutzstatus S» zwei rückkehr­orientierte Aufenthaltsstatus. Unklar ist, wie stark diese Rückkehrorientierung die Integration hemmt. Letztendlich zeigt sich hier eine politische Ambivalenz zwischen Migrationsbeschränkungs- sowie Abschreckungsüberlegungen und einer optimalen Integration von Schutzsuchenden.

  1. Sprachförderung

Die wissenschaftliche Literatur zeigt, dass Sprachförderung etwa im Rahmen von Sprachkursen für den langfristigen Integrationserfolg wichtig ist. Nicht nur führt sie zu viel besseren Beschäftigungs­aussichten (gerade auch für Frauen). Gute Kenntnisse der lokalen Sprache erleichtern die soziale Integration und strahlen auf die zweite Generation aus (u.a. höherer Bildungserfolg und tiefere Jugendkriminalität). Wie die wissenschaftliche Literatur zeigt, sind Sprachkurse bestenfalls mit Arbeitsmöglichkeiten verbunden und verzögern den Eintritt in den Arbeitsmarkt nicht.

  1. Arbeitsmarktliche Massnahmen

Arbeitsmarktliche Massnahmen (AMM) zielen darauf ab, die langfristige (Wieder-)Ein­gliederung Stellensuchender in den Arbeitsmarkt zu fördern. Bei Flüchtlingen hat sich gezeigt, dass AMM dann erfolgreich sind, wenn sie auf die spezifischen Sprachbedürfnisse eingehen, individuell zugeschnitten sind, (Aus-)Bildung beinhalten und mit den Arbeitgebern abgestimmt sind. «Harte» Massnahmen wie Berufslehren und Lohnsubventionen haben sich als effektiver erwiesen als «softe» Massnahmen wie Bewerbungskurse und Job-Beratung. Allerdings bestehen teilweise Zielkonflikte zwischen der kurzfristigen Effektivität von AMM und anderen Aktivitäten (insb. Sprachkurse), die langfristig grösseren Nutzen haben können. Ein erfolgsversprechender Weg scheint die Kombination aus beruflicher Ausbildung und Sprachkursen. 

  1. Geldleistungen (Sozialhilfe)

Welche Rolle Geldleistungen in der langfristigen Integration spielen, ist in der Forschung umstritten. So kann eine Reduktion der Sozialhilfe zwar kurzfristig die Beschäftigung erhöhen, jedoch kaum den langfristigen Arbeitsmarkterfolg steigern. Gewisse Studien finden sogar positive Effekte der Sozial­hilfe auf langfristige Arbeitsmarktergebnisse. Einerseits, weil Flüchtlinge mehr Zeit haben, passende und besser entlöhnte Jobs zu suchen, und andererseits, weil die staatliche Unterstützung erlaubt, in die Ausbildung zu investieren. Wer aufgrund fehlender Mittel in die Arbeit «gedrängt» wird, scheint sich hingegen primär für den erstbesten, aber schlecht bezahlten Job ohne Aufstiegsmöglichkeiten zu entscheiden. Geringere Transferleistungen können ferner mit einer höheren Kriminalität und schlechteren Gesundheit (mit entsprechenden Folgekosten) einhergehen.

In der politischen Diskussion wurde zuletzt gefordert, anstatt Bargeld neu Guthaben auf einer Debitkarte auszuzahlen, was u.a. «missbräuchliche» Verwendungen verunmöglichen soll. In den verfügbaren Studien finden sich bisher keine Hinweise darauf, dass diese Massnahme erwünschte Auswirkungen haben könnte. 

  1. Erstmalige Platzierung und ethnische Netzwerke

Die geografische Verteilung von Flüchtlingen beeinflusst die langfristigen Integrationsergebnisse: Die wirtschaftlichen Opportunitäten sind nicht überall im gleichen Ausmass vorhanden; Flüchtlinge ziehen jedoch nicht automatisch in Regionen, wo die Jobaussichten besser sind (teilweise bestehen zudem Restriktionen bei der Wohnsitzwahl). Da die stärksten Arbeitsmärkte primär in den Städten liegen, entstehen unterschiedliche Startbedingungen.

Unklar ist, welche Rolle Netzwerke auf Basis gemeinsamer Kultur und Sprache spielen. Diese können je nach Forschungspapier die ökonomische und soziale Integration primär kurzfristig sowohl fördern (z.B. durch Beschäftigung in von Zuwanderern geführten Unternehmen) aber insbesondere langfristig auch hindern (z.B. weil der lokale Spracherwerb oder Bildungsinvestitionen darunter leiden). Zudem besteht die Gefahr einer unerwünschten räumlichen Segregation der ausländischen Gemeinschaften, die dem Ziel der Integration diametral entgegenläuft. Die wissenschaftliche Literatur legt nah, dass es eine Rolle spielt, wie lange das Netzwerk schon besteht: Reife Netzwerke können eher gute Jobs vermitteln, während Migranten in jüngeren Einwanderungswellen zueinander stärker in Konkurrenz stehen.

In Bezug auf die bestmögliche Platzierung gibt es erste Ansätze, Flüchtlinge mithilfe von Algorithmen an diejenigen Ort zuzuteilen, wo sie die besten Integrationschancen haben. Auch das Bundesamt für Migration SEM testet aktuell zusammen mit Forschern, inwiefern eine algorithmenunterstützte Verteilung der Geflüchteten auf die Kantone positive Erwerbseffekte haben könnte. Heute erfolgt die schweizweite Verteilung bevölkerungsproportional und randomisiert (unter Berücksichtigung weniger Merkmale wie z.B. der Einheit der Familie). 

Kosteneffizienz und Skalierbarkeit sind ebenso wichtig

Bei den oben erwähnten Massnahmen hat die Forschung in der Regel nur den gewünschten Effekt untersucht; ob (und wie stark) ein solcher eintritt oder nicht. Welche Gesamtwirkung von den einzelnen Massnahmen ausgeht, hängt indes nicht nur davon ab. Entscheidend sind ebenso Kosteneffizienz und Skalierbarkeit – es braucht eine gesamtwirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung. So sind AMM aufgrund ihrer individuellen Ausgestaltung zwar wirkungsvoll, jedoch in der Regel teuer und wenig skalierbar. Sprachkurse sind hingegen sowohl effektiv wie auch skalierbar – umso mehr, wenn zusehends neue technologische Möglichkeiten (z.B. Online-Angebote) genutzt werden können.

Zusammenfassend zeigt die internationale Forschungsliteratur: Zusätzlich zu Sprachkursen und einem geregelten Aufenthaltsrecht sollte insbesondere ein möglichst schneller und hindernisfreier Zugang zum Arbeitsmarkt garantiert und eine optimierte Erstplatzierung angestrebt werden. Damit Integrations­bemühungen auf breiter Basis spürbar werden – und sie sowohl für die Flüchtlinge selbst wie auch für die aufnehmenden Gesellschaften nachhaltig sind.