Die Digitalisierung hat in der hiesigen Medienlandschaft tiefe Spuren hinterlassen. Bereits für jeden zweiten Schweizer stellten 2022 Online-Nachrichten (Newsseiten und soziale Netzwerke) die wichtigste Nachrichtenquelle dar – noch vor TV, Radio oder Zeitung. Diese Entwicklung habe, so liest man häufig, gerade die Lokal- und Regionalmedien in eine tiefe Krise gestürzt. Meist handelt es sich dabei um anekdotische Evidenz. So mussten wir im Rahmen der Studie «Eine Medienpolitik für das digitale Zeitalter» feststellen, dass es kaum Daten zu kleinen und mittelgrossen Medienorganisationen in der Schweiz gibt. Daher haben wir erstmals die Lokal- und Regionalmedien zu den Auswirkungen der Digitalisierung auf ihr Geschäft befragt. In einer zweiteiligen Blogserie sollen die Resultate dieser explorativen Umfrage präsentiert werden.

Aufbau der Umfrage

Grundlage für die Identifikation der Umfrageteilnehmer bildeten die Publikationen der Tages- und Wochenpresse (Typologie 1000 der Schweizer Presse) laut Mediendatenbank der AG für Werbemedienforschung (Wemf). Stichdatum für die Erstellung der Umfrageteilnehmerliste war der 1. Juni 2022. Zu diesem Zeitpunkt waren über tausend Publikationen von insgesamt 240 unterschiedlichen Verlagshäusern erfasst. Weil nicht mehr alle aufgeführten Verlage eigenständig waren, wurde die Liste bereinigt.[1] Zudem wurden die «Big 4» – die TX Group, Ringier, CH Media und die NZZ-Mediengruppe – ausgenommen, da diese Organisationen teilweise Kennzahlen publizieren und bereits Gegenstand der eingangs erwähnten Medienstudie waren.

Die bereinigte Liste umfasste 189 Medienverlage. All diese Organisationen wurden im Sommer 2022 via E-Mail direkt und personalisiert angeschrieben. Bis zum Spätsommer gingen über eine anonyme und standardisierte Online-Umfrage 63 Antworten ein, was einer Rücklaufquote von 33% entspricht. Mit nur wenigen Ausnahmen publizieren die antwortenden Medienverlage jeweils in nur einer Landessprache. In jeder Sprachregion gibt es jedoch mindestens eine Organisation, die zusätzlich in einer weiteren Landessprache publiziert; ein Verlag veröffentlicht Beiträge neben Deutsch und Italienisch auch auf Rätoromanisch (vgl. Abbildung).

Gut 95% der Umfrageteilnehmer gab an, Lokaljournalismus zu betreiben, also Journalismus auf Ebene der Gemeinde oder des Bezirks. Etwa ein Drittel sah sich im Regionaljournalismus auf Ebene des Kantons oder einer ganzen Region tätig. Lediglich fünf Organisationen erwähnten, auch auf nationaler bzw. überregionaler Ebene aktiv zu sein.

Da sich die Umfrage an Verlage mit Wemf-zertifizierten Titeln richtete, hat die Befragung eine Schlagseite Richtung alte Medienwelt. Nicht enthalten sind neue Online-Medien wie die «Republik», «Bajour», «Tsüri», «Portal24», «Nau» oder «Zentralplus». Die Umfrage deckt daher vor allem den Lokal- und Regionaljournalismus von traditionellen Verlagen ab. Die Ergebnisse sind somit mit entsprechender Vorsicht zu interpretieren.

Die Digitalisierung hinterlässt ihre Spuren

Die Digitalisierung hat die Grenzen zwischen den einst getrennten Publikationsplattformen über den gesamten Mediensektor hinweg niedergerissen: Online können Text-, Audio-, und Videoinhalte nach Belieben kombiniert und ausgespielt werden. In der Folge verlieren traditionelle Publikationsplattformen wie Zeitungen oder lineares Fernsehen an Beliebtheit, gleichzeitig gewinnen Webangebote an Reichweite. Diese Angebotsverschiebung zeigt sich auch bei den Lokal- und Regionalmedien.

Die Mehrheit der teilnehmenden kleinen und mittelgrossen Medienverlage setzt entgegen einer häufig vertretenen Meinung bereits auf digitale Publikationsplattformen. Beispielsweise bespielen 85% der Organisationen eine Website mit Medieninhalten. Jedoch werden Formate wie Podcasts oder E-Mail-Newsletter nicht in der Breite angewendet: Ein Viertel gibt einen E-Mail-Newsletter heraus und zwei Medienverlage produzieren Podcasts.

Die Digitalisierung hat demnach sehr wohl das Angebot von kleinen und mittelgrossen Medienverlagen verändert. So kann heute auf lokaler und regionaler Ebene nicht nur mehr zwischen Zeitungen und klassischen Radio- und TV-Angeboten gewählt werden. Vielmehr können beispielsweise die Inhalte des «Zürcher Oberländers» auch via E-Mail-Newsletter verfolgt werden, und die «Schaffhauser Nachrichten» diskutieren kantonale Abstimmungen in Videobeiträgen in den sozialen Medien. Wie unsere Umfrage zeigt, stellen solche digitalen Formate keine Ausnahme dar.

Ob die kleinen und mittelgrossen Medienverlage auch langfristig in der Lage sind, ihr Angebot aufrechtzuerhalten, hängt massgeblich von ihrer wirtschaftlichen Situation ab. Wie sich diese jüngst entwickelt hat, ist Thema des zweiten Teils dieser Blogserie.

Weiterführende Informationen zur Medienlandschaft, der Schweizer Medienpolitik und Reformvorschläge finden Sie in unserer Publikation «Eine Medienpolitik für das digitale Zeitalter».

[1] Beispielsweise wurden die Bieler Tagblatt AG und Gassmann Media separat ausgewiesen, obwohl Gassmann Media die Bieler Tagblatt AG 2021 übernommen hatte.