Die fortlaufende Digitalisierung – und wohl auch die mediale Präsenz dieses Themas – verleiteten manch einen zu eindrücklichen Prognosen. So wurde in den letzten Jahren wiederholt vor einer explodierenden Zahl von «atypischen» Arbeitsformen in der «gig economy» gewarnt, die die Beschäftigten systematisch in eine Art Scheinselbständigkeit mit tiefen Löhnen, schlechten Arbeitsbedingungen und geringer Sicherheit drängen würden.

Doch was sagen die Daten dazu? Die Solo-Selbständigkeit – eine Kategorie, die u.a. Freelancer, Arbeitnehmer in der eigenen Firma ohne Mitarbeiter und die Freiberufler umfasst– stellt eine relativ leicht quantifizierbare atypische Arbeitsform dar. Unsere Auswertung der neuesten Daten der schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (Sake) findet keine Evidenz für die zunehmende Verbreitung dieses Arbeitsmodells. Im Gegenteil: «Ob solo oder mit eigenen Mitarbeitern – die Selbständigkeit in der Schweiz verliert an Bedeutung.»

Abnehmender Anteil an Gesamtbeschäftigung

Zwischen 2001 und 2020 nahm der Anteil der Selbständigen an allen Erwerbstätigen von 15,3% auf 13,1% ab (vgl. Tabelle). Die rund 321’000 Solo-Selbständigen machen 55% aller Selbständigerwerbenden aus. In zwei Dekaden ist die Zahl der Solo-Selbständigen ohne eigene Firma um 15’000 gesunken, wobei zwei Drittel dieses Rückganges auf das vergangene Pandemiejahr anfallen. Solo-Selbständige mit einer eigenen GmbH oder AG haben hingegen um 29’000 zugelegt.

Selbständigkeit verliert Marktanteile
2001
2020
Erwerbstätige
Solo-Selbständig
307’000
321’000
Selbständig mit MA
267’000
267’000
Selbständig insgesamt
574’000
588’000
Anteile an Gesamtbeschäftigung
Selbständig
15.3%
13.1%
Solo-Selbständig
8.2%
7.1%
Solo mit eigener Firma
16%
24%
Solo ohne Firma
84%
76%
Quellen : BFS (SAKE, 2019), eigene Auswertung

Wie in der Gesamtwirtschaft spielen diese Rechtsformen für die Solo-Selbständigen eine zunehmende Rolle. Doch weil die Kategorie der unselbständig Erwerbenden in der gleichen Periode um satte 760’000 Personen zugenommen hat, nahm die relative Bedeutung der Solo-Selbständigkeit auf dem Schweizer Arbeitsmarkt ab.

Wer sind die Solo-Selbständigen?

Dieser Rückgang ist in allen Berufsgruppen zu spüren. Besonders deutlich war er in den vergangenen Jahren in der Land- und Forstwirtschaft: Waren 2001 noch 40% der Beschäftigten selbständig, sind es heute nur 27%. Trotzdem bilden sie nach wie vor die grösste Berufsgruppe innerhalb der Solo-Selbständigen.

Stark vertreten sind weiterhin die klassischen Freiberufe: Kulturschaffende, Juristinnen, Ingenieure, Ärztinnen und Ärzte sind oft selbständig erwerbend. Gemessen am Ausbildungsniveau unterscheidet sich der Qualifikationsgrad der Solo-Selbständigen nur geringfügig von demjenigen der gesamten Erwerbsbevölkerung. Auch unter ihnen ist also der Anteil der Personen mit Tertiärabschluss rasant angestiegen.

Ungleiche Einkommen, grosse Zufriedenheit

Und wie steht es mit den Löhnen? Mit rund 48 Franken pro Stunde liegt der mittlere Stundenlohn von Solo-Selbständigen rund 20% über dem Durchschnitt. Allerdings sind die Einkommen deutlich ungleicher verteilt (vgl. Abbildung). Solo-Selbständige sind sowohl bei der tiefsten als auch bei der höchsten Einkommensklasse stark übervertreten. Rund ein Viertel von ihnen befindet sich im tiefsten Einkommensdezil (ihr Stundenlohn gehört also zu den 10% tiefsten), während 18% im höchsten Dezil verweilen.

Die ungleiche Einkommensverteilung geht nicht mit einer grösseren Arbeitsunzufriedenheit einher. Laut einer Umfrage von 2017 geben 67% der Selbständigen an, sehr zufrieden mit ihrer Tätigkeit zu sein. Nur 6% finden keine Freude an ihrer beruflichen Situation und möchten zu einer unselbständigen Tätigkeit wechseln. Dies mag auf gewisse nicht-monetäre Vorteile der Selbständigkeit wie Unabhängigkeit, Flexibilität usw. hinweisen. Gemessen an den Arbeitszeiten ist ihr Engagement überdurchschnittlich: rund die Hälfte gibt an, auch am Wochenende zu arbeiten (gegenüber nur 14% bei den Arbeitnehmenden).

Selbständigkeit als Notlösung im Alter?

Auch die populäre These, wonach die Selbständigkeit zunehmend als Notlösung für ältere Erwerbstätige ohne weitere Beschäftigungsmöglichkeit sei, ist zu hinterfragen. Zwar nimmt der Anteil der Solo-Selbständigen mit dem Alter tatsächlich stark zu, so dass sie im Durchschnitt zehn Jahre älter als die Angestellten sind.

Doch das Phänomen ist keineswegs neu. Rund 11% der 50- bis 64-Jährigen waren letztes Jahr als Solo-Selbständige tätig – das ist genauso viel wie im Jahr 2001. Dass die Altersdifferenz zu den Arbeitnehmenden zunimmt, ist vor allem auf die Tatsache zurückzuführen, dass Selbständige nach dem regulären Pensionierungsalter immer länger arbeiten. Rund 30% der Solo-Selbständigen über 65 Jahre bleibt aktiv. Bei Arbeitnehmenden beläuft sich dieser Anteil auf nur 15%. Der Verdienst dürfte dabei auch eine Rolle spielen: Die Stundenlöhne der älteren Solo-Selbständigen sind stark überdurchschnittlich.

Diese Daten machen deutlich, dass Solo-Selbständige eine heterogene Gruppe bilden. In diesem Sinne ist die Arbeitsform in der Tat atypisch. Doch von einem Boom ist in der Beschäftigungsstatistik bisher wenig zu sehen.