Wer in der Schweiz an Unternehmen denkt, dem kommen als erstes meist die GmbH und die AG in den Sinn. Doch die Firmenlandschaft in der Schweiz ist weitaus vielfältiger. So gibt es neben den beiden bekannten Kapitalgesellschaften auch noch Einzelunternehmen, Kollektivgesellschaften, Genossenschaften und viele mehr. In diesem Beitrag werden anhand von Handelsregisterdaten die «Alterspyramiden» der verschiedenen Rechtsformen dargestellt.

Daraus lässt sich nicht nur ein Bild der Wirtschaftsstruktur der Schweiz machen, sondern es können auch Verschiebungen und Sonderfälle identifiziert werden. Mit der Genossenschaft gibt es beispielsweise einen interessanten «Ausreisser», was die Altersstruktur betrifft. Das kann unter anderem der folgenden Abbildung entnommen werden:[1]

Gerade Kleinstfirmen wählen häufig die Organisationsform des Einzelunternehmens. Die Altersstruktur dieser Rechtsform ist nach oben klar begrenzt, denn das Leben solcher Firmen ist eng mit jenem ihrer Gründer verbunden. Unter den sonstigen Rechtsformen findet sich ein Sammelsurium an Organisationen. Einzelne dieser Organisationen sind wirtschaftlich durchaus bedeutend und auch bekannt, so beispielsweise die Genossenschaften Raiffeisen, Coop oder Migros.

Genossenschaften tanzen aus der Reihe

Mit einem durchschnittlichen Alter von fast 58 Jahren ist die Genossenschaft die mit Abstand langlebigste Gesellschaftsform. Trotz ihrer vergleichsweisen geringen Zahl stellen Genossenschaften heute mit 57% über die Hälfte der Unternehmen in der Schweiz, die hundert Jahre oder älter sind: Ende 2020 gab es laut Auditorstats rund 1800 dieser «Methusalem-Genossenschaften».

Eine kurze Geschichte der genossenschaftlichen Gesellschaftsform

Die heutige Rechtsform der Genossenschaft lässt sich auf verschiedene Bewegungen und Traditionen zurückführen. Die Wurzeln reichen bis zu den öffentlich-rechtlichen Körperschaften des Mittelalters zurück (etwa Tal- oder Alpgenossenschaften). In der im 19. Jahrhundert entstandenen Genossenschaftsbewegung spielten auch philanthropische, sozialistische oder sozialreformerische Strömungen eine Rolle. Die Genossenschaft bezweckt in erster Linie die Förderung oder Sicherung wirtschaftlicher Interessen ihrer Mitglieder in gemeinsamer Selbsthilfe oder die Gemeinnützigkeit. Im Vordergrund stehen deshalb Sachleistungen und nicht eine Gewinnausschüttung.

Die Blütezeit des neuzeitlichen Genossenschaftswesens setzte Ende des 19. Jahrhunderts ein. In den darauffolgenden Jahrzehnten vervielfachten sich die im Handelsregister eingetragenen Genossenschaften von weniger als 400 im Jahr 1883 auf ungefähr 11’000 im Jahr 1920. Rund die Hälfte hatte einen landwirtschaftlichen Hintergrund (z.B. Käserei- oder Viehzuchtgenossenschaften). Mit der Zeit spielten auch Konsum-, Kredit- oder Bau- und Wohngenossenschaften eine grössere Rolle.

Auch wenn einzelne Genossenschaften sehr alt werden und gewisse Personen ein geradezu romantisiertes Bild dieser Rechtsform pflegen: Der wirtschaftliche Ausweis ist durchzogen. Nach der Blütezeit stagnierte die Zahl der Genossenschaften lange. Anfang 2007 waren noch immer rund 11’600 Genossenschaften im Handelsregister eingetragen. In den letzten Jahren nahm ihre Anzahl laufend ab – Anfang dieses Jahres waren es nur noch rund 8400. Das entspricht gerade einmal rund 1,2% aller im Handelsregister eingetragenen Unternehmen.

Betrachtet man nur die wirtschaftlich aktiven Genossenschaften, sinkt dieser Anteil weiter:  Demnach gab es im Jahr 2018 schweizweit rund 3200 marktwirtschaftliche Genossenschaften, was nur rund 0,5% aller marktwirtschaftlichen Unternehmen ausmacht.[2] Ihre volkswirtschaftliche Bedeutung wird durch diesen tiefen Anteil allerdings unterschätzt, da mit den beiden grossen Detailhändlern Migros und Coop, mit der Fenaco, der Raiffeisen und der Mobiliar gleich mehrere gewichtige Schweizer Konzerne als Genossenschaft organisiert sind.[3]

Für die Langlebigkeit der Genossenschaft gibt es verschiedene Erklärungen. Durch ihre Struktur ist die Genossenschaft wie die AG nicht so sehr an ihre Gründer gebunden. Dadurch ist sie unabhängiger vom menschlichen Lebenszyklus als beispielsweise das Einzelunternehmen. Die genossenschaftliche Organisation mit dem damit verbundenen Kopfstimmrecht und nicht gehandelten Anteilsscheinen erschwert zudem Übernahmen und Fusionen. Darüber hinaus werden Genossenschaften heute teilweise staatlich stark gefördert, beispielsweise im Bereich des genossenschaftlichen Wohnens. Schliesslich geniessen Genossenschaften in der breiten Bevölkerung ein positives Image, was sowohl auf dem Absatz- als auch dem Arbeitsmarkt von Vorteil sein und ihnen ein längeres Leben bescheren könnte.

Die GmbH ist auf dem Vormarsch

Wie eingangs erwähnt, spielen die beiden Kapitalgesellschaften GmbH und AG in der Schweizer Firmenlandschaft eine bedeutende Rolle. In der folgenden Abbildung findet sich die «Alterspyramide» dieser beiden Rechtsformen. Selbst grössere Aktiengesellschaften sind im Durchschnitt relativ jung und keine 20 Jahre alt. Allerdings lassen sich in der Altersstruktur der AG wie auch bei den Genossenschaften «Methusalem-Firmen» identifizieren.

Die Erstellung einer Alterspyramide legt offen, wie sich ausserordentliche Ereignisse in der Firmenlandschaft niederschlagen. Was bei der klassischen Demografie Seuchen, Kriege oder «Pillenknick» sind, sind bei der Firmendemografie Revisionen im Gesellschaftsrecht: Gesetzesänderungen haben in der Alterspyramide der beiden Kapitalgesellschaften AG und GmbH ihre Spuren hinterlassen.[4]

So wurde 1992 das Aktienrecht angepasst, was dazu führte, dass die Rechtsform der GmbH für kleinere Unternehmen attraktiver wurde. Die Revision des Gesellschaftsrechts in den Nullerjahren führte umgekehrt zu bedeutenden Anpassungen im GmbH-Recht und im Revisionsrecht. In der Folge dieser Gesetzesänderungen gewann die GmbH massiv an Beliebtheit; demnächst dürfte sie die AG als Spitzenreiterin unter den Rechtsformen ablösen. 

Weitere Informationen zum Thema finden Sie in unserer Studie «Über den Lebenszyklus von Firmen».

[1] Bei den Einzelunternehmen ist zu beachten, dass nach Art. 931 OR eine Eintragspflicht ins Handelsregister erst vorgeschrieben ist, wenn der Jahresumsatz 100 000 Fr. übersteigt und es sich um ein nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe handelt. Der Bestand der im Handelsregister eingetragenen und hier aufgeführten Einzelunternehmen unterschätzt deshalb die tatsächliche Anzahl Einzelunternehmen in der Schweiz.
[2] Ein Unternehmen gilt in den BFS-Statistiken als wirtschaftlich «aktiv», wenn es in der Referenzperiode für sich selbst oder seine Beschäftigten AHV-Beiträge auf ein Einkommen von mindestens 2300 Fr. bezahlt. Das BFS klassifiziert ein Unternehmen als «marktwirtschaftlich», wenn seine Produktion mehrheitlich zu kostendeckenden Preisen angeboten wird. Das heisst, dass der Verkaufserlös mindestens 50% der Herstellungskosten ausmachen muss.
[3] Allein im Sekundär- und Tertiärsektor beschäftigen marktwirtschaftliche Genossenschaften rund 150'000 Personen. Das sind 3,4% der Beschäftigten in diesem Bereich.
[4] Zudem können Übernahmen, Spaltungen, Fusionen, Rechtsformänderungen oder Restrukturierungen das Bild verzerren. So ist etwa anzunehmen, dass viele erfolgreiche GmbHs ab einer bestimmten Grösse in eine AG umgewandelt wurden.