Die Kehrseite der langjährigen Produktivitätsverlangsamung in der Schweiz ist die Zunahme der Arbeitsintensität des Wirtschaftswachstums. Formal ausgedrückt gibt die Arbeitsintensität des Wirtschaftswachstums an, um wie viele Prozente sich die Erwerbstätigkeit erhöht, wenn das Bruttoinlandprodukt um ein Prozent steigt. Je höher dieser Wert ist, umso arbeitsintensiver ist das Wirtschaftswachstum.

Aus der Grafik wird ersichtlich, dass über den Zeitraum von 2000 bis 2010 Spanien jenes Land war, das innerhalb der OECD die höchste Arbeitsintensität des Wachstums hatte. Ein BIP-Wachstum von 1% ging dort einher mit einem Zuwachs der Erwerbstätigkeit um 0,8%. Unter den Spitzenreitern findet sich auch die Schweiz mit einem Wert von etwas über 0,6%.

Nicht ganz so produktiv wie erwartet

Eine ausgeprägte Sensitivität der Beschäftigung in Bezug auf das Wirtschaftswachstum ist zunächst einmal eine gute Nachricht. Es ist das genaue Gegenteil des «jobless growth». Ein hoher Wert deutet auf eine hohe Absorptions- und Integrationsfähigkeit des Arbeitsmarktes hin, was unserem Land schon lange attestiert wird. Umgekehrt drückt dies natürlich auf die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität und deren Entwicklung über die Zeit. Für die Schweiz wurde schon mehrmals festgestellt, dass das Niveau der gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität im internationalen Vergleich zwar hoch ist, aber nicht so hoch, wie man aufgrund des beträchtlichen Reichtums des Landes erwarten könnte.

Zu den Gründen für die hohe Arbeitsintensität des Wirtschaftswachstums zählen neben anderen ein grosser Dienstleistungssektor, aber zweifellos auch regulatorische Besonderheiten wie die Flexibilität des Arbeitsmarktes.

Japan als schlechtes Vorbild

Für die Zukunft ist zu erwarten, dass der Produktivitätsfortschritt sich weiter verlangsamen dürfte, so wie er dies seit gut 30 Jahren schon tut. Vorausgesetzt, die Arbeitsmarktflexibilität bleibt erhalten, darf mit einem noch arbeitsintensiveren Wirtschaftswachstum gerechnet werden.

Allerdings zeigt das Beispiel Japans auch die Grenzen auf: Rücken aus demographischen Gründen oder wegen mangelnder Offenheit keine Erwerbstätigen mehr nach, muss, wenn das Wohlstandsniveau verteidigt oder sogar ausgebaut werden soll, die Produktivität über forcierte Rationalisierungsmassnahmen gesteigert werden. Wirtschaftswachstum geht dann sogar mit einem Rückgang der Beschäftigung einher.

Eigentlich hätte die Schweiz schon seit einiger Zeit mit einer demographisch bedingten rückläufigen Zahl der Erwerbstätigen zu kämpfen. Dass sie nicht vom gleichen Schicksal wie Japan ereilt wird, verdankt sie der Personenfreizügigkeit mit der EU. Sie sichert dem Arbeitsmarkt die Offenheit, die er für ein arbeitsintensives Wirtschaftswachstum braucht.