Die Schweiz zeigt erste Anzeichen der wirtschaftlichen Erholung. So ist die Anzahl der von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer im Juni 2020 gegenüber dem Vormonat um 45% gesunken, die ausgefallenen Arbeitsstunden haben gar um 51% abgenommen (Seco 2020).

Auch die befürchtete Konkurswelle ist (vorerst) nicht eingetreten. Es resultierte ein historisch einmaliger Rückgang der Konkurse. Im April und im Durchschnitt zwischen März und Juli 2020 lagen die Konkurse gegenüber derselben Vorjahresperiode um 21% niedriger (KOF 2020). Dabei zeigen sich grosse regionale Unterschiede. So nahm die Anzahl der Konkurse im Tessin um 50% ab, in der Zentralschweiz hingegen nur um 10%.

Es kann vermutet werden, dass die staatlichen Stützungsmassnahmen zu einem Aufschub vieler Konkurse führten, insbesondere deshalb, weil vom 19. März bis und mit 4. April 2020 ein Rechtsstillstand im Betreibungswesen herrschte, sowie anschliessend bis am 19. April Betreibungsferien. Diese Massnahmen sollten Unternehmen entlasten, die aufgrund des krisenbedingten Nachfrageeinbruchs bankrott gegangen wären. Doch auch Firmen, die sich bereits vor Covid-19 in finanzieller Schieflage befunden hatten, profitierten davon.

Es gibt sogar vermehrt Neugründungen, auch in besonders stark betroffenen Branchen wie Gastronomie und Hotellerie, «traditionellen Dienstleistungen» wie Coiffeur- und Kosmetiksalons sowie im Handel. Teilweise dürfte es sich dabei um Nachholeffekte handeln, lange geplante Gründungsvorhaben konnten aufgrund des Lockdowns nicht umgesetzt werden. Überdurchschnittlich hoch war die Gründungsdynamik in der Genferseeregion und dem Espace Mittelland (NZZ 2020).

Pilatusbahn: Fehlende Touristen setzen auch der Innerschweizer Wirtschaft zu. (Carol Jeng, Unsplash)

Sonderfall Zentralschweiz

Trotz der insgesamt positiven Meldungen gibt es auch regional negative Entwicklungen: Im Vergleich zur restlichen Schweiz (+2%) sind in der Zentralschweiz die Fallzahlen der Sozialhilfe mit +4,8% (Juli 2020 gegenüber dem Durchschnittsmonat 2019) überdurchschnittlich stark angestiegen. Ebenfalls stark betroffen war die Romandie (+3,7%), unterdurchschnittlich die Nordwestschweiz (+0,2%),die Ostschweiz (+1,3%) und der Kanton Tessin (+0,5%; Skos 2020). Dies ist Wasser auf die Mühlen von politischen Exponenten, die gerne und oft von «Klassenkampf» sprechen, der sich in der aktuellen Krise nochmals verschärft habe. In der Zentralschweiz wurde dafür exemplarisch der Inhaber eines grösseren Unternehmens an den Pranger gestellt (Luzerner Zeitung 2020).

Viele wirtschaftliche Kennzahlen der Zentralschweiz vermitteln ein Bild, das besser ist als im Rest der Schweiz: Seit Beginn der Krise beurteilen Zentralschweizer Unternehmen den wirtschaftlichen Einbruch als weniger gravierend (IHZ 2020, KOF 2020). Auch im September zeigt der Geschäftslageindikator der KOF in der Zentralschweiz – im Vergleich zu den meisten anderen Grossregionen – eine überdurchschnittliche Verbesserung zum Vormonat an (KOF 2020). Trotz der minimalen Verschlechterung, die im August wahrgenommen wurde, widerspiegelt dies einen Aufwärtstrend seit dem wirtschaftlichen Tiefpunkt im April.

Die vergleichsweise gute Lage wirkt sich auch auf die Arbeitslosenquote aus, sie liegt für die Zentralschweiz weit unter dem nationalen Durchschnitt von 3,3%. Am tiefsten ist sie in Obwalden (1,3%), am höchsten in Zug (2,7%; Seco 2020). Noch kann nicht von einer Normalisierung gesprochen werden, doch die Zahlen demonstrieren die grundsätzlich hohe Resilienz der Zentralschweizer Wirtschaft.

Hohe Diversifikation der Wirtschaftsstruktur

Ein Grund dafür ist die relativ stark diversifizierte Exportstruktur der Zentralschweiz. Die seit Jahrzehnten höchsten monatlichen Rückgänge des Schweizer Aussenhandels im April 2020 sind auf Branchen zurückzuführen, die in der Zentralschweiz nicht dominieren. Dazu gehören insbesondere (die Produktion von) Bijouterie und Juwelierwaren (-77% Exportvolumen der Schweiz im April 2020 gegenüber Vormonat) sowie Uhren (-72,6%). Für die Zentralschweiz wichtige Exportgüter wie chemisch-pharmazeutische Produkte (-4,8%), Maschinen-Elektronik (-4,5%), Präzisionsinstrumente (-18,2%) und Metalle (-13,1%) waren weniger stark betroffen (EZV 2020).

Auch bei stärker binnenorientierten Branchen ist die Zentralschweizer Wirtschaft (gemessen am Anteil der Beschäftigten) stark diversifiziert. Gesamtschweizerisch von den Covid-Massnahmen besonders betroffen sind das Baugewerbe, Handel und Motorfahrzeuge, Verkehr, Gastgewerbe, ICT, sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen sowie Unterhaltung (vgl. KOF 2020). Insgesamt machen diese Branchen rund 40% aller Beschäftigten in der Zentralschweiz aus – keine einzige davon hat einen Anteil von mehr als 15%. Mit einer Ausnahme: Der Handel im Kanton Zug (18%), was aber dem gesamtschweizerischen Durchschnitt entspricht (eigene Berechnung, basierend auf BFS Statent 2017).

Stabilisierende Wirkung von «Grossunternehmen»

Doch weshalb haben die Fallzahlen der Sozialhilfe in der Zentralschweiz dennoch überdurchschnittlich stark zugenommen? In einzelnen Regionen dürften die starke Ausrichtung der Wirtschaft auf touristische Angebote und die hohe Zahl an Kleinstunternehmern die Ursachen dafür sein. So befürchten – im Gegensatz zu Grossunternehmen – kleine und mittleren Betriebe viel eher, dass sie auf Entlassungen zurückgreifen müssen (29% vs. 18%, Economiesuisse 2020).

Grössere Unternehmen scheinen eine stärker stabilisierende Wirkung auf die Wirtschaftslage zu haben, doch in der Zentralschweiz beträgt ihr Anteil 0,2%, was leicht unter dem schweizerischen Durchschnitt liegt (BFS 2020). Mit dem Finger auf «die Grossunternehmen» oder gar einzelne Unternehmer zu zeigen, die Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Steuersubstrat schaffen, untergräbt also einen Erfolgspfeiler der Schweiz.