Neun Jahre hat es gedauert, bis ein stossender Artikel des Freizügigkeitsgesetzes (FZG) geändert wurde! Seit der ersten BVG Revision ist es für Versicherte mit einem Jahreslohn von mindestens 126’900 Franken möglich, die Anlagestrategie selber zu wählen. Die Details dafür sind im Art. le der Verordnung BVV2 geregelt, weshalb solche Lösungen als 1e-Pläne bezeichnet werden.

Leider wurde bei der BVG-Revision «versäumt», den Art. 17 FZG anzupassen. Dadurch entstand eine Asymmetrie. Wer dank geglückter Strategiewahl in einem 1e-Plan Gewinne verbuchte, konnte sie beim Verlassen der Einrichtung realisieren. Wer Anlageverluste zeichnete, konnte sein eingebrachtes Guthaben halten. Gewinne wurden privatisiert, Verluste kollektiviert.

Dagegen hatte Nationalrat Jürg Stahl 2008 eine Motion zur Änderung des FZG eingereicht. Doch dem Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) sind individuelle Anlagestrategien für die Versicherten ein Dorn im Auge. 2012 wurde die Vernehmlassung dazu eröffnet, erst 2015 das Gesetz angepasst. Damit war die Sache nicht vom Tisch. In der BVV2 musste noch präzisiert werden, was unter einer risikoarmen Strategie in le-Plänen zu verstehen sei.

Gemächliches Vorgehen des Bundesamts

Auf die Präzisierung musste man lange warten. Doch 2016, während der Sommerferien, liess das BSV einem engen Kreis von Akteuren einen Verordnungsentwurf zukommen, mit der Bitte um Stellungnahme innert sechs Wochen. Man begründete das überraschende Timing mit der Absicht, das Dossier im Interesse der Versicherten und der Arbeitgeber schnell vorantreiben zu wollen: ein Meisterstück schlagfertiger Kommunikation.

Der Entwurf sah nicht nur eine unpassende Definition risikoarmer Strategien vor, sondern enthielt Einschränkungen wie die Wahl aus nur noch drei statt maximal zehn Strategien sowie die Pflicht der Versicherten, bei der Strategiewahl die schriftliche Zustimmung des Ehepartners einzuholen. Trotz Sommerferien fiel die Reaktion aus der Branche heftig aus, und der Bundesrat krebste zurück. Vom Eifer, schnell eine Lösung zu finden, war nichts mehr zu spüren. Erst am 1. Oktober 2017, neun Jahre nachdem die Motion Stahl eingereicht worden war, trat die veränderte BVV2 in Kraft.

Ein langer Weg zum Glück einer individuellen BVG-Anlageplanung. (Wikimedia Commons)

Mit der angepassten Verordnung sind wieder zehn Anlagestrategien möglich, keine Unterschrift des Ehepartners mehr nötig und risikoarme Strategien besser, wenn auch nicht optimal definiert. Doch der Bundesrat baute neue Schikanen ein: So gelten für 1e-Pläne strengere Vorschriften bei der Berechnung der maximalen Einkaufssumme als bei klassischen Plänen.

Trotzdem dürfte sich der Markt für 1e-Lösungen ab 2018 markant entwickeln. Zwischen 2015 und 2016 ist das Anlagevolumen der 1e-Pläne bereits um 50 Prozent gewachsen, obwohl auf tiefem Niveau (0,5 Prozent aller Vorsorgekapitalien). Gemäss einer Umfrage von Aon Hewitt überlegen sich 15 Prozent der Arbeitgeber, solche Lösungen einzuführen.

Schnellere Lösung für neue Probleme?

Mit der Verbreitung von 1e-Plänen zeichnen sich neue Probleme ab. Was passiert, wenn ein Versicherter infolge des Stellenwechsels allfällige Buchverluste realisieren muss? Gemäss geltendem Recht ist das ganze Vorsorgeguthaben in die neue Vorsorgeeinrichtung einzubringen.

Eine Lockerung des FZG wäre anzustreben, die dem Versicherten ermöglicht, die Freizügigkeitsleistungen aus 1e-Plänen, also aus der überobligatorischen Vorsorge, in eine Freizügigkeitsstiftung zu transferieren oder bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung zu lassen, bis sich der Wert der Vorsorgeguthaben erholt hat. Ob dafür wieder neun Jahre nötig werden?

Dieser Beitrag ist am 1. Februar 2018 in der Zeitschrift «Schweizer Versicherung» erschienen.