Liebe Leserin, lieber Leser, mit diesem Beitrag verabschiede ich mich nach über vier Jahren von Avenir Suisse. Es war mir eine ausserordentliche Ehre und Freude, die Schweizer Wirtschaftspolitik in dieser Zeit begleiten und Ideen für eine prosperierende Zukunft unseres Landes entwickeln zu können. Doch in dieser ganzen Zeit stand die Schweiz wohl noch nie so sehr am Scheideweg wie jetzt angesichts der Corona-Krise.

Dass die Pandemie konsequentes Handeln seitens des Bundesrates erfordert hat, ist unbestritten. Ob dieses vor allem bezüglich Einschränkungen zu weit ging oder nicht, wird – falls überhaupt – erst in der Rückschau entschieden werden. Sicher ist auch, dass Wirtschaft und Gesellschaft nach der Krise anders aussehen werden und dass wir für lange Zeit an den Kostenfolgen zu beissen haben werden. Besonders von der Politik wäre zu erwarten, dass sie sich in der Krise auf die Erfolgsfaktoren der Schweiz besänne. Doch sind Anzeichen dafür kaum zu erkennen – eher im Gegenteil.

In den letzten vier Jahren durfte ich unter anderem die Finanzpolitik des Bundes intensiv begleiten. Die Zeit war geprägt von einem steigenden Druck auf die Schuldenbremse, da der Bund seit der Einführung des Instruments die Nominalschulden ständig reduziert hatte. Besonders der systeminhärente Überschuss von rund einer Milliarde Franken pro Jahr sorgte für viel Kritik, man wollte dieses Geld lieber in Mehrausgaben statt in den Schuldenabbau stecken.

Den Hinweis, dass tiefe Staatsschulden das nötige Polster für Mehrausgaben in der Krise garantieren, mochte niemand hören. Man sollte meinen, das Eintreten des realen Krisenfalls habe nun zu einem Umdenken geführt. Doch bis jetzt halten sich besonders Parlamentsvertreter vornehm mit Ideen zurück, wie die aufgrund der Krisenintervention sprunghaft ansteigende Staatsverschuldung wieder zurückgefahren werden soll. Im Gegenteil: Zusätzliche Mehrausgaben für Partikularinteressen wie «grüne Investitionen», einen Staatsfonds oder Förderprogramme für dieses und jenes stehen zur Debatte.

Manches politische Süppchen wird ganz ohne Störung durch finanzpolitische Restriktionen zubereitet, wobei man sich mit Milliardenbeträgen überbietet. (Sam Moqadam, Unsplash)

Auf der Herdplatte der Krise köchelt manches politisches Süppchen – ganz ohne Störung durch finanzpolitische Restriktionen, wobei man sich mit Milliardenbeträgen überbietet; um die Millionen hinter dem Komma scheint sich momentan niemand mehr zu kümmern. Doch die Stützungsmassnahmen sind kein Freipass, um sämtliche finanzpolitische Vernunft über Bord zu werfen. Möchte die Schweiz auch bei der nächsten grossen Krise über genügend finanzpolitischen Spielraum verfügen, wäre es förderlicher, den Bundeshaushalt endlich zu «entrümpeln», wie dies Avenir Suisse schon vor drei Jahren im Schattenbudget skizziert hat. Dies würde vielleicht sogar den Spielraum geben, um Wirtschaft und Steuerzahler langfristig zu entlasten und entsprechende Wachstumsimpulse freizusetzen.

Die Krise hat jedoch nicht nur die Finanzpolitik auf den Kopf gestellt, sie setzt auch die internationale Vernetzung unserer Wirtschaft mehr unter Druck als je zuvor. Die Versäumnisse des Staates in der Krisenvorbereitung werden nun als Vorwand zur politischen Renationalisierung der Wirtschaft genommen. Die Produktion diverser «systemrelevanter» Güter müsse zurück ins Land geholt werden, lautet der Tenor.

Davon abgesehen, dass dies ein absurd teures und nur durch immense Subventionen zu bewerkstelligendes Unterfangen wäre, wird auch verkannt, wie überraschend reibungslos die Güterversorgung durch die internationalen Handelsströme eigentlich funktioniert. Natürlich, die vorübergehende Knappheit gewisser Schutzmaterialien ist ärgerlich, doch sie ist auch durch mangelnde Vorratshaltung selbstverschuldet und darf nicht unseren Blick aufs Ganze trüben. Das negative Zeichen, das die Schweiz mit einer Renationalisierungs-Strategie gegenüber ihren Handelspartnern aussenden würde, überstiege mit Sicherheit jeden potenziellen Nutzen.

Und schliesslich würde man eigentlich erwarten, dass Regierung und Parlament, aber auch NGO und Verbände gemeinsam alles dafür tun, um die Wirtschaft von unnötigem regulatorischem Ballast und Planungsunsicherheiten zu entlasten. Doch eher das Gegenteil scheint der Fall zu sein: Der Bundesrat entscheidet in Sachen 5G weltfremd und innovationsfeindlich, an der für den Standort besonders schädlichen Unternehmensverantwortungsinitiative wird stur festgehalten, und wenn es um die Lockerung des Lockdowns geht, vertraut man lieber auf Planwirtschaft statt unternehmerische Verantwortung. Man würde neudeutsch wohl vom politischen «Mindset» sprechen, das angesichts der Krise – verbunden mit entsprechenden Zukunftsängsten – ins Staatsgläubige und damit ins Freiheits-, Unternehmens- und Innovationsfeindliche zu kippen droht.

Gegensteuer tut also Not. Umso mehr schätze ich – nun als Aussenstehender – die unabhängige Arbeit von Avenir Suisse im Dienste des zukünftigen Wohlstands der Schweiz und würde mich freuen, wenn Sie diesem in der Schweiz einzigartigem Think Tank die Treue halten. Persönlich bleibt mir nur, mich bei Ihnen für Ihr Interesse und Ihre Unterstützung, aber auch Ihre Kritik in den vergangenen Jahren zu bedanken. Alles Gute.

Mit diesem Wochenkommentar verabschiedet sich Fabian Schnell von unserem Think-Tank. Unser bisheriger Forschungsleiter «Smart Government» tritt am 1. Mai als Delegierter für regionale Wirtschaftskontakte in der Region Zürich in die Dienste der Schweizerischen Nationalbank. Mit dem Ökonomen Fabian Schnell wechselt ein überzeugter und mutiger Mitstreiter für die liberale Sache seinen Arbeitsplatz auf die andere Seite der Limmat. Unser liebenswürdiger Kollege wurde nie müde, gegenüber externen und internen Gesprächspartnern den Finger auf jene wunden Punkte zu legen, wo sich illiberaler Aktivismus zu entfalten droht. Externe, auch heftige Kritik ertrug er stoisch. Umso pointierter erfolgten aber jeweils seine Repliken. Danke, Fabian Schnell! (PG)