Die finanzpolitische Königsdisziplin im Parlamentsbetrieb ist das jeweils in der Wintersession traktandierte Budget für das kommende Jahr. Zahlreiche, zum Teil sich widersprechende Interessen konkurrieren um die öffentlichen Gelder, deren Bedürfnisabdeckung für das Gemeinwohl die Räte in ihren Voten in der Regel sachlich, je nach individueller, regionaler oder branchenspezifischer Betroffenheit durchaus auch emotional zu vertreten wissen. Dabei handelt es sich notabene um Mittel, die durch Steuern und Abgaben von der Bevölkerung und den Unternehmen bereitzustellen sind.

Während aufgrund der parlamentarischen Mehrheiten Ausgaben etwa für Verkehr und Sicherheit meist unbestritten sind, kommt regelmässig die Entwicklungszusammenarbeit unter Druck. Das verwundert kaum, ist dieser Budgetposten, etwa im Gegensatz zum Ausgabenposten für Soziales, doch ungebunden, und das Ausgabenniveau kann ohne langwierige Gesetzesänderungen per einfachem Mehrheitsbeschluss jederzeit nach unten angepasst werden. Pressionen zur Senkung des Entwicklungsbudgets gehören denn auch zum liebgewonnenen jährlichen Ritual vorab bürgerlicher Interessenvertreter im Ratssaal.

Druckversuche in die gegensätzliche Richtung, nämlich nach oben, zeigen sich dagegen bei einem anderen, immerhin gesamthaft rund 3700 Mio. Fr. schweren Ausgabenposten – der Landwirtschaft. Zur Erinnerung: Fast zwei Drittel des durchschnittlichen bäuerlichen Einkommens werden bereits heute via Transferleistungen vom Steuerzahler berappt, obwohl die Agrarwirtschaft mittlerweile weniger als 1%, exakt 0,7%, zur Wertschöpfung beiträgt und damit nur geringen Anteil an der allgemeinen gesellschaftlichen Wohlfahrt hat.

Agrarpolitik: Hochsubventionierter Traktor bei der Landschaftspflege. (Wikimedia Commons)

Ein verschwindend kleiner Teil der Bevölkerung ist heute noch in diesem Sektor berufstätig. Der Diskrepanz zwischen wirtschaftlicher «Leistungsfähigkeit» und Bereitstellung von Steuergeldern nicht genug. Zwischenstand nach zwei von drei Sessionswochen: Die eidgenössischen Räte entschieden sich mehrheitlich für eine weitere Aufstockung des Agrarbudgets. Für die Jahre 2019-21 soll das Finanzvolumen um 284 Mio. Fr. erhöht werden.

Was dieser Beschluss der Räte für die allgemeine Wirtschaftsordnung und den einzelnen Steuerzahlenden bedeutet, sei anhand eines einfachen Rechenbeispiels dargelegt. Gemessen an der Anzahl Landwirtschaftsbetriebe bedeutet der aktuelle Ratsbeschluss einen zusätzlichen, durchschnittlichen Mittelzustupf von über 5400 Franken. Von einem solchen Betrag kann jeder hart um Aufträge kämpfende private Handwerksbetrieb nur träumen. Dazu: Bereinigt um Transfers beträgt das jährliche mittlere Einkommen der Bevölkerung gegenwärtig knapp 50’000 Fr., dieses wird mehrheitlich in der Privatwirtschaft verdient. Demgegenüber beträgt die durchschnittliche jährliche Staatssubvention pro Vollzeitbeschäftigtem in der Landwirtschaft alleine durch Transfers aus Steuergeldern fast 45000 Franken. Während die restliche Bevölkerung bei den anstehenden Lohnrunden vielfach Nullrunden oder nur geringe Salärerhöhungen erwarten kann, steigert sich das staatlich subventionierte bäuerliche Einkommen mit der geplanten 284-Millionen-Aufstockung des Budgets um 2,2%. Ein rekordverdächtiger Anstieg!

Dem nicht genug: Kritisch zu hinterfragen ist, zu welchem Zweck öffentliche Finanzmittel im Agrarsektor bereits gegenwärtig eingesetzt werden. Alleine für die Absatzförderung des einheimischen Fleischkonsums spendiert der Bund jährlich 5,3 Mio. Fr. an Steuergeldern. Entsprechende Werbefenster werden oft zur besten Sendezeit im TV platziert.

Und während Schweizer Unternehmen, um konkurrenzfähig zu bleiben, stets auf der Suche nach Kosteneinsparungen sind, und die durchschnittliche Familie über steigende Lebenshaltungskosten klagt, werden die Familienzulagen von selbstständig Erwerbenden in der Landwirtschaft von der öffentlichen Hand berappt. Im Gegensatz dazu werden diese im nichtlandwirtschaftlichen Bereich von den Arbeitgebern finanziert. Der finanzpolitische Anstand in der Agrarpolitik ist offensichtlich verloren gegangen.

Dieser Beitrag ist am 11. Dezember 2017 in der «Luzerner Zeitung» und im «St. Galler Tagblatt» erschienen.