Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen» spottete einst Winston Churchill. Die sich widersprechenden Aussagen zur zukünftigen Finanzierbarkeit der AHV scheinen dieses Bonmot zu bekräftigen: Vor einigen Monaten machte Avenir Suisse auf die allzu optimistische Sichtweise des Bundesrates bezüglich der Finanzierungsaussichten der 1. Säule aufmerksam. Glaubt man hingegen dem Gewerkschaftsbund, sind die Renten auch ohne politische Eingriffe bis 2040 und vermutlich darüber hinaus gesichert.
Ist die Zukunft der AHV also ebenso schlecht prognostizierbar wie das Wetter in zwei Monaten? Nicht ganz. Im Gegensatz zum Wetter ist die Altersvorsorge kein chaotisches System, sondern mathematisch exakt abhängig von einer überschaubaren Anzahl klar definierter Einflussgrössen. Unterschiedliche Prognosen sind deshalb letztlich immer das Resultat unterschiedlicher Annahmen über die Werte dieser Einflussgrössen.
Ein Berechnungstool zum Download
Ab sofort müssen Sie sich nicht mehr den Kopf über die Herkunft und die allfällige politische Motivation von AHV-Szenarien zerbrechen.
Mit dem hier zum Download bereitgestellten Berechnungstool können Sie einfach Ihre eigene Prognose erstellen und die entsprechenden Schlüsse daraus ziehen.
Ihnen stehen vier volkswirtschaftliche und vier politische Einflussgrössen zur Verfügung, die Sie nach Belieben anpassen können.
Als Vergleichsszenario und Ausgangsbasis dient das mittlere Bevölkerungsszenario des Bundesamtes für Statistik (A-00-2010) sowie jene Annahmen über Reallohnwachstum, Inflationsrate und Anlagerendite, die dem Bundesrat derzeit realistisch erscheinen.
Die schwarze Linie in der Grafik zeigt die Entwicklung des AHV-Fonds (linke Skala). Dieser ergibt sich aus der Kumulierung der jährlichen Betriebsergebnisse und sollte 100% der jährlichen Ausgaben nicht unterschreiten. Die rote Linie zeigt die Entwicklung des Umlageergebnisses (rechte Skala). Dieses entspricht dem Betriebsergebnis abzüglich des Anlageertrags aus dem AHV-Fonds und spiegelt die demographische Komponente deutlich besser als das um den Anlageertrag «verfälschte» Betriebsergebnis. Es sollte nicht negativ sein.
Bevor Sie mit dem Experiment beginnen, sollten Sie die unten stehenden Erklärungen zu den einzelnen Einflussgrössen lesen. Diese helfen Ihnen, plausible Werte zu wählen und die Ergebnisse anschliessend zu interpretieren.
Wir wünschen Ihnen viel Spass!
Erläuterungen zu den volkswirtschaftliche Einflussgrössen
- Reallohnwachstum (pro Kopf): jährliches Wachstum des durchschnittlichen Reallohns eines Erwerbstätigen. Da die Rentenzahlungen gemäss Mischindex nur um die Hälfte des Reallohnanstiegs erhöht werden, wirkt sich ein höheres Reallohnwachstum positiv auf die AHV-Rechnung aus.
- Inflationsrate: Sie hat nur marginale Auswirkungen auf die AHV-Rechnung: Die Höhe der Rentenzahlungen wird nur jedes zweite Jahr an den Preisanstieg angepasst, die Höhe der AHV-Beiträge hingegen ist direkt vom Nominallohn abhängig. In den Jahren ohne Anpassung sind die (realen) AHV-Ausgaben deshalb jeweils etwas kleiner. Sehr hohe Inflationsraten führen in diesen Jahren zu höheren Einsparungen, was sich langfristig positiv auf den AHV-Fonds auswirkt.
- Bevölkerungsszenario: Hier können Sie zwischen dem mittleren Szenario des BfS (A-00-2010) mit einem langfristigen Einwanderungssaldo von 22 500 Personen pro Jahr und dem Szenario «hohe Zuwanderung» (A-10-2010) mit einem langfristigen jährlichen Einwanderungssaldo von 45 000 Personen wählen. Für letzteres setzen Sie den Wert neben «Bevölkerungsszenario 2010, mittel» auf «0», der Wert neben «Bevölkerungsszenario 2010, hohe Zuwanderung» springt damit automatisch auf 1. Die verstärkte Zuwanderung wirkt sich positiv auf die AHV-Rechnung aus, da die Zuwanderung hauptsächlich in den Arbeitsmarkt erfolgt. Der Einfluss ist jedoch geringer als vom Bundesrat suggeriert.
- Anlagerendite: Jährliche Rendite auf das Vermögen im AHV-Fonds. Die 2,0% im Basisszenario entsprechen dem BVG-Mindestzinssatz, scheinen aber zurzeit eher optimistisch gewählt. Eine hohe Anlagerendite beeinflusst das Betriebsergebnis und somit die Entwicklung des AHV-Fonds positiv. Auf das Umlageergebnis hat sie hingegen keinen Einfluss.
Erläuterungen zu den politischen Einflussgrössen
- Kopplung Rentenalter an Lebenserwartung: Diese Option entspricht einem Vorschlag, den Avenir Suisse im Jahr 2009 publizierte: Eine kontinuierliche Anpassung des Rentenalters an den Anstieg der im Alter von 65 verbleibenden Lebenserwartung würde die AHV-Rechnung deutlich entlasten. Die Rentenbezugsdauer könnte dadurch stabilisiert werden. Für eine 1:1 Kopplung des Rentenalters an die Lebenserwartung wählen Sie hier eine «1». Sie können aber auch beliebige andere Werte zwischen 0 und 1 eingeben. «0.6» würde beispielsweise bedeuten: Steigt die Lebenserwartung im Alter von 65 Jahren um 1 Jahr würde das Rentenalter um 0,6 Jahre erhöht.
- Beitragssatz: Geben Sie hier einen beliebigen Zielbeitragssatz für Unselbstständigerwerbende ein. Im Modell wird die Wirkung berechnet, die eine kontinuierliche, lineare Erhöhung bzw. Senkung des Beitragssatzes ab 2012 bis auf den von Ihnen eingegebenen Wert im Jahr 2031 hat. Danach bleibt der Beitragssatz konstant.
- Mehrwertsteuersatz: Geben Sie hier einen beliebigen Mehrwertsteuersatz ein. Aktuell kommen 0,83 Prozentpunkte der Mehrwertsteuer direkt der Finanzierung der AHV zu Gute. Jeder über 8,0% hinausgehende Betrag dient in diesem Modell direkt der Finanzierung der AHV. Es wird die Wirkung berechnet, die eine kontinuierliche, lineare Erhöhung bzw. Senkung des Mehrwertsteuersatzes ab 2012 bis auf den von Ihnen eingegebenen Wert im Jahr 2031 hat. Danach bleibt der Mehrwertsteuersatz konstant.
- Rentenkürzung um x %: Geben Sie hier ein beliebiges Ziel für eine allfällige Rentenkürzung ein. Auch hier gilt wieder: Die gewählte Rentenkürzung tritt erst im Jahr 2031 voll in Kraft. Davor wird die Rente ab 2012 schrittweise bis auf das von Ihnen gewählte Niveau im Jahr 2031 gekürzt.