Vor 2015 befragte die Uno im Rahmen ihrer Millennium-Campaign über 7 Mio. Menschen über den ganzen Planeten verteilt, was sie wollen. Konkret wurden sie darum gebeten, aus 16 Handlungsfeldern jene sechs auszuwählen, die «für sie und ihre Familie am wichtigsten» sind.

Massnahmen gegen den Klimawandel landeten dabei abgeschlagen an letzter Stelle (vgl. Abbildung). Am wichtigsten waren den Menschen eine gute Ausbildung, gute Gesundheitsfürsorge und gute berufliche Chancen.

Interessant – wenn auch nicht wirklich erstaunlich – ist, dass Personen aus Erdteilen mit höherem Wohlstand dem Kampf gegen den Klimawandel eine höhere Priorität zuordneten: In Europa erreichte dieses Handlungsfeld immerhin Platz 10, in Ozeanien sogar Platz 7. Diese unterschiedlichen Prioritäten reflektieren die verschiedenen Lebensrealitäten der Menschen. Je geringer der Wohlstand, desto höher werden Grundbedürfnisse zur unmittelbaren Sicherung der (wirtschaftlichen und physischen) Existenz gewichtet – schlicht und einfach, weil deren Erfüllung noch nicht zu einer Selbstverständlichkeit wie in wohlhabenderen Ländern geworden ist.

Ausbildung, Gesundheit und Beruf am wichtigsten

Im Rahmen der bis 2015 durchgeführten UN MY-World-Survey beantworteten über 7 Mio. Menschen weltweit die Frage: «Welche dieser Themen sind am wichtigsten für Sie und Ihre Familie?» Massnahmen gegen den Klimawandel landeten global auf dem letzten Platz. Die roten Felder in der unteren Grafik zeigen die Position dieses Anliegens nach Kontinent. Quelle: https://myworld2015.files.wordpress.com/2014/12/wethepeoples-7million.pdf: S. 12

Quelle: https://myworld2015.files.wordpress.com/2014/12/wethepeoples-7million.pdf: S. 95

Derzeit läuft unter dem Titel «MY World 2030» eine Neuauflage der Umfrage. Resultate sind noch keine publiziert. Es wäre eine grosse Überraschung, wenn «Massnahmen gegen den Klimawandel» in der Prioritätenliste nicht mindestens einige Ränge gewinnen würde, denn in den letzten zehn Jahren ist das öffentliche Bewusstsein für diese Problematik deutlich gewachsen. Es ist jedoch anzunehmen, dass Ausbildung, Gesundheit und berufliche Chancen weiterhin einen höheren Stellenwert im Leben der weltweiten Bevölkerung haben werden. Das Anliegen Klimawandel dürfte vor allem dann an Gewicht gewinnen, wenn es möglichst vielen Menschen möglichst gut geht. Corona dürfte ihm deshalb keinen guten Dienst erwiesen haben.

Copenhagen Consensus

Für den Zeitraum von 2015 bis 2030 hat die Uno weltweite Entwicklungsziele, die sogenannten Sustainable Development Goals, formuliert. Diese umfassen insgesamt 169 konkrete Zielvorgaben und sind in 17 Zielkategorien unterteilt. Eine davon – Zielkategorie 13 – ist der Klimaschutz. Das Projekt «Copenhagen Consensus» hat es sich nun (wie schon für die früheren «Millennium Development Goals») zur Aufgabe gemacht, mithilfe weltweit renommierter Ökonomen die dort formulierten Ziele zu priorisieren, also zu ermitteln, welche pro investiertem Franken den grössten Nutzen für die Menschheit generieren würden.

Das Resultat: Würden die Uno und andere Organisationen ihre limitierten Mittel für die 19 Ziele mit dem besten Kosten-Nutzen-Verhältnis einsetzen, so könnte der soziale Nutzen aus den investierten Geldern mindestens vervierfacht werden gegenüber einer unpriorisierten Verfolgung aller 169 Ziele. Die grössten sozialen «Renditen» hätten gemäss dem Consensus der Abbau weltweiter Handelsbarrieren, umfassender Zugang zu Empfängnisverhütung, Herzinfarktprävention mittels Aspirin, Ausweitung von Impfungen, Medikamente gegen Bluthochdruck, Zulassung von mehr Migration, Reduktion der Mangelernährung von Kindern sowie die Bekämpfung der Tuberkulose.

Im Bereich Energie haben die Abschaffung von Subventionen für fossile Brennstoffe, die Reduktion von Luftverschmutzung in geschlossenen Räumen (durch Zugang zu modernen Heiz- und Kochtechnologien) und die Forschung an Energietechnologien sehr vorteilhafte Kosten-Nutzen-Verhältnisse. Nicht lohnend sei hingegen die Verdoppelung des Anteils erneuerbarer Energien am globalen Energiemix – denn solange die Forschung die Probleme der Stromschwankungen und Stromspeicherung nicht gelöst habe, sei die Erreichung dieses Ziels übermässig teuer.

Nun muss man solche Analysen natürlich mit grösster Vorsicht geniessen. Langfristige Kosten-Nutzen-Rechnungen – bei denen zudem oft sowohl der Nutzen als auch die Kosten nicht in monetärer Form anfallen – sind immer mit Unwägbarkeiten, Unsicherheiten und grossem Interpretationsspielraum verbunden. Doch auch wenn man nicht jede berechnete Zahl zu ihrem Nennwert nimmt: Die Arbeit des Copenhagen Consensus illustriert, dass für die Zukunft der Menschheit der Klimaschutz – bei aller Wichtigkeit – nicht einfach das alles dominierende Thema ist, sondern dass er in Konkurrenz zu anderen Herausforderungen steht – deren Bewältigung teilweise eine höhere soziale Rendite aufweist als Klimaschutzmassnahmen. Umso wichtiger ist es, dass diese effizient und weitsichtig ausgestaltet sind.

Verfolgen Sie ab 12.00 Uhr auf avenir-suisse.ch unseren «Monday for Future», heute mit einer Podiumsdiskussion über den klimapolitischen Handlungsbedarf in der Schweiz, aber auch auf internationaler Ebene. Es nehmen teil: Nationalrätin Regula Rytz (Grüne), Nationalrat Albert Rösti (SVP), Peter Grünenfelder und Patrick Dümmler (Avenir Suisse), Moderation: Sebastian Ramspeck.

Weiterführende Informationen zum Thema finden Sie in unserer Studie «Wirkungsvolle Klimapolitik».