Die gegenwärtige Wohnknappheit treibt manche Schweizer Gemeinden zum Aktivismus auf dem Immobilienmarkt. Einige kaufen kräftig zu. Allein die Stadt Zürich gibt rund 500 Millionen Franken pro Jahr für Liegenschaftskäufe aus. Auch andere Städte sind auf dem Immobilienmarkt aktiv. Um weitere Käufe zu erleichtern, wird verschiedentlich auch ein öffentliches Vorkaufsrecht gefordert.
Beim Vorkaufsrecht handelt es sich um eine Option: Eine Behörde kann eine von Privaten vereinbarte Immobilientransaktion übernehmen und die Liegenschaft zu den Konditionen erwerben, die zwischen Käufer und Verkäufer festgelegt wurden. Erst nach Ablauf einer mehrwöchigen Frist wissen deshalb die Parteien mit Sicherheit, ob der Kauf zustande kommt.
Markt wird nicht geschont
Befürworter sehen in einem Vorkaufsrecht ausschliesslich Vorteile. Im Vordergrund steht dabei, Liegenschaften der «Spekulation» zu entziehen – ein Codewort, das bedeutet, dass der Staat Immobilien zum Marktpreis erwirbt, um die Wohnungen anschliessend günstiger zu vermieten, als es private Eigentümer tun würden. Damit aber treten all jene Probleme auf, die mit dieser (teuren) Form der Objektförderung unweigerlich verbunden sind, allen voran ihre geringe Zielgenauigkeit: Viele, die davon profitieren, hätten es nicht nötig; jene hingegen, die es nötig hätten, profitieren selten davon.
Doch wie steht es mit der Behauptung, das Vorkaufsrecht beeinträchtige die Interessen des Verkäufers überhaupt nicht – schliesslich zahle die öffentliche Hand genau den Preis, den auch der ursprüngliche Käufer geboten hat?
Gewiss, legt man die Messlatte sehr tief, wirkt das Vorkaufsrecht wie ein milder Eingriff – zumindest aus Sicht der heutigen Immobilienbesitzer. Es ist naturgemäss weniger übergriffig als die Enteignung, bei der der Staat Preis und Zeitpunkt des Kaufs eigenmächtig festlegt. Allerdings sollte schon die Tatsache, dass private Immobilienbesitzer Dritten nur selten ein Vorkaufsrecht gewähren, zu denken geben.
Denn Konsequenzen gibt es durchaus, wie die ökonomische Literatur zeigt. Besteht ein Vorkaufsrecht, wissen potenzielle Käufer, dass ihr Gebot von der öffentlichen Hand zum Nulltarif kopiert werden kann. Manche werden auf kostspielige Prüfungen verzichten. So dünnt sich das Feld potenzieller Interessenten aus und der Wettbewerb verliert an Intensität. Die Immobilie landet dann nicht zwingend beim Akteur mit der höchsten Zahlungsbereitschaft, der damit also am meisten anfangen kann. Es gibt tendenziell weniger Handel, und die Liegenschaft verliert damit tendenziell an Wert. Das Vorkaufsrecht verursacht somit durchaus Kosten für die Verkäufer.
Diese Wirkungen sind in der Auktionsforschung dokumentiert. In Landauktionen, die nach der Wende in den neuen deutschen Bundesländern stattfanden, nahm die Teilnahme- und Bietintensität deutlich ab, wenn den bestehenden Pächtern ein Vorkaufsrecht gewährt worden war. Ähnliches findet ein Papier zum Bodenmarkt in Taiwan. Weniger Bieter heisst, dass Verkäufer Erlösnachteile erleiden – das Vorkaufsrecht ist somit alles andere als ein neutrales Instrument.
Juristenfutter in der Waadt
Die Praxis in der Westschweiz zeigt ein zusätzliches Spannungsfeld. Im Kanton Waadt kann das Vorkaufsrecht nur ausgeübt werden, wenn die Gemeinde den gemeinnützigen Wohnungsbau fördert. Der Landerwerb durch die Kommunen erfolgt deshalb oft in Partnerschaft mit einer Wohnbaugenossenschaft, die die Finanzierung übernimmt. Doch damit stellt sich ein neues Problem: Wie soll jener Partner ausgewählt werden, der letztlich vom Vorkaufsrecht profitiert? Dieser Punkt hat in den letzten Jahren die Gerichte beschäftigt. Sie haben zu beurteilen, wie ein Gut – in diesem Fall ein Grundstück – unter Wert verteilt werden soll, wenn der Marktmechanismus ausgeschaltet ist. Kein Wunder also, dass in rund einem Viertel aller Fälle über die Ausübung des Vorkaufsrechts ein Richterspruch nötig wurde.
Noch grundsätzlicher ist die Frage, ob es dieses Instrument überhaupt braucht, um eine «aktive Wohnpolitik» zu betreiben. Das Beispiel der Stadt Zürich zeigt, dass Gemeinden auch ohne Vorkaufsrecht rege am Immobilienmarkt teilnehmen. Viele Eigentümer haben dies erkannt – zahlreiche Verkaufsdossiers landen bereits heute auf den Tischen der zuständigen Stadt- und Gemeinderäte.
Wirklich «aktiv» im positiven Sinne wäre die Wohnpolitik erst, wenn sie das Angebot insgesamt ausweiten würde, statt es dem Privatmarkt lediglich zu entziehen. Dazu könnte bereits ein gezielter Abbau von Bauvorschriften beitragen. Förderungswürdige Haushalte liessen sich wirksamer mit Subjektförderung unterstützen. So bleibt das Vorkaufsrecht ein Instrument mit fragwürdigem Nutzen und belastenden Nebenwirkungen.