Im März vor einem Jahr hat der Bundesrat das Land in den ersten Lockdown beordert. Gleichzeitig wurden verschiedene Stützungsmassnahmen ergriffen, um die wirtschaftlichen Folgen zu mindern. Mit dieser Kombination von Herunterfahren und Schadloshalten könne, so ein damals vorherrschendes Narrativ, die Wirtschaft «eingefroren» werden.

Ein Blick zurück auf das erste Jahr Pandemie zeigt nun: Das ökonomische Geschehen wurde teilweise tatsächlich eingefroren, aber mehrheitlich hat sich die Schweizer Wirtschaft erstaunlich dynamisch gezeigt.

Nicht wie frühere Wirtschaftskrisen

In der folgenden Abbildung wird die Entwicklung der Gründungen von Unternehmen sowie jene der Konkurse dargestellt und mit früheren Episoden verglichen.[1] Während die Konkurse sich klar unterdurchschnittlich entwickelt haben, wurden seit Ende der ersten Covid-19-Welle überdurchschnittlich viele neue Firmen gegründet. Die Covid-19-Krise hat sich damit anders in der Firmenlandschaft niedergeschlagen als frühere Wirtschaftskrisen.

Der Monat 0 bezeichnet jeweils den Ausbruch der Krise. Für die Finanzkrise haben wir den Konkurs von Lehman Brothers im September 2008 als Ausgangspunkt gewählt, der Frankenschock wurde durch die Aufhebung des Euro-Mindestkurses im Januar 2015 ausgelöst und das neuartige Coronavirus wurde im Februar 2020 das erste Mal in der Schweiz nachgewiesen.

Diese Entwicklung ist auch in anderen Ländern zu beobachten. Die Konkurse gingen in verschiedenen entwickelten Volkswirtschaften während der Covid-19-Krise stark zurück. Gleichzeitig ist es auch im Ausland zu einem Gründerboom gekommen, so beispielsweise in den USA, Grossbritannien, Frankreich, Japan und Deutschland. Der weltweite Rückgang der Konkurse kann mit den vielfältigen staatlichen Unterstützungsmassnahmen erklärt werden, doch was sind die Gründe für die vielen Gründungen?

Das Gastgewerbe im Stop-and-go-Modus

In der folgenden Grafik werden sowohl Gründungen als auch Konkurse nach ausgewählten Branchen aufgeschlüsselt dargestellt (zur Beschreibung der einzelnen Branchen, siehe Box am Ende des Artikels).

Interessant ist besonders, wie sich das Gastgewerbe seit Beginn der Pandemie entwickelt hat. Die Konkurse haben sich hier über die letzten zwölf Monate deutlich unterdurchschnittlich entwickelt. Bei den Gründungen kam es wie in der Gesamtwirtschaft zu einem Gründungsknick während der ersten Welle. Dann fassten sich offenbar viele potenzielle Hoteliers und Wirte ein Herz: Im Sommer und Frühherbst wurden deutlich mehr neue Betriebe gegründet. Die zweite Welle scheint diese Zuversicht dann aber jäh gebrochen zu haben.

Ganz anders das Bild im Einzelhandel. Hier zeigt der Gründungstrend seit dem Dämpfer im Frühling 2020 steil nach oben. Das mag auf den ersten Blick überraschen, war doch auch der Einzelhandel ebenfalls von den behördlichen Massnahmen betroffen. Die Entwicklung dürfte jedoch vor allem von neuen Firmen im Bereich Online-Handel getrieben sein – etwas, was sich auch im Ausland beobachten lässt, beispielsweise in Grossbritannien oder den USA.

Eine ähnliche Entwicklung, wenn auch weniger ausgeprägt, lässt sich im Wirtschaftssektor «Unternehmens- und Steuerberatung» beobachten. Hier könnte die Unsicherheit wegen Covid-19 ein zusätzliches Bedürfnis nach Beratungsdienstleistungen ausgelöst haben. Zudem haben wohl staatliche Stützungsmassnahmen die Nachfrage verstärkt: Sowohl auf Seiten der Behörden als auch der Firmen stehen derzeit diverse Berater zur Seite und helfen, die vielfältigen und komplexen Hilfen aufzusetzen beziehungsweise zu navigieren.

Gebeutelte Unterhaltungs- und Freizeitindustrie

Im Gegensatz zum Gastgewerbe, dass Mitte Jahr eine kleine Gründungswelle erlebte, lagen die Gründungen in der thematisch nahestehenden Unterhaltungs- und Freizeitindustrie konstant unter den Vorjahreswerten. Der Grund in dieser unterschiedlichen Entwicklung könnte in den länger dauernden Einschränkungen von grösseren Anlässen liegen.

Aufschlussreich ist schliesslich die Entwicklung bei Unternehmen, die persönliche Dienstleistungen anbieten (beispielsweise Coiffeursalons, Kosmetikinstituten oder Tattoo-Studios). Diese Branche war bei der ersten Welle ebenfalls stark von Einschränkungen betroffen. Zu einem späteren Zeitpunkt gab es hier aber mehr Freiheiten als beispielsweise in der Gastronomie. Das könnte erklären, warum hier der sommerliche Gründerboom etwas länger angehalten hat.

Im Umbruch locken auch neue Geschäftsmöglichkeiten

Um die zeitliche Entwicklung der Gründungen und Konkurse darzustellen, wurde in den vorherigen Abbildungen auf kumulierte, absolute Zahlen zurückgegriffen. Wie sich Konkurse und Gründungen im Verhältnis zur Branchengrösse entwickelt haben, zeigt die folgende Abbildung.

Die Zahl der Konkurse ist im Verhältnis zur Branchengrösse überall stark zurückgegangen. Bei den Gründungen zeigt sich ein differenziertes Bild. Während etwa die Unterhaltungs- und Freizeitbranche gut 15% weniger Gründungen gezählt hat, ist der Gründungsboom im Einzelhandel auch im Verhältnis zur Branchengrösse stark ausgeprägt. Über 20% mehr Firmen wurden dort neu gegründet.

Unternehmerische Dynamik wirkt derzeit vor allem in eine Richtung

Dass in den vergangenen zwölf Monaten mehr neue Firmen gegründet wurden, darf nicht allzu sehr überraschen. Im Gegensatz zur Finanzkrise stellt die Covid-19-Pandemie keine endogene Wirtschaftskrise dar: Die Ursache war das Auftreten eines neuen Krankheitserregers, nicht plötzliche Veränderung von ökonomischen Grössen (z.B. Preise oder Kreditaggregate). Verändert sich das gesellschaftliche Umfeld schlagartig, bietet das natürlich neue Geschäftsmöglichkeiten – so auch in der Covid-19-Krise.

Die Pandemie stellt derzeit vieles auf den Kopf. Auch mittel- und langfristig dürften die Erfahrungen der vergangenen Monate gewisse Lebensbereiche nachhaltig verändern. So wird die Gesellschaft, die einen Digitalisierungsschub durchlaufen hat, kaum vollständig zum Vorkrisenstatus zurückfinden. Es ist somit mit einer weiterhin erhöhten unternehmerischen Dynamik zu rechnen.

Diese Dynamik ist bereits in normalen Zeiten sehr hoch. So verschwindet jedes zweite neugegründete Unternehmen innert fünf Jahren wieder vom Markt; vom gesamten Firmenbestand sind in jüngerer Zeit jährlich rund 6 bis 7% ausgeschieden und durch etwas mehr neue Firmen ersetzt worden. In den vergangenen zwölf Monaten scheinen diese unternehmerischen Erneuerungsprozesse indessen etwas aus dem Lot geraten zu sein.

Während die Konkursdaten auf gewisse Einfrierungstendenzen der Wirtschaft deuten, zeichnet der Gründerboom ein anderes Bild. Da die Konkurse durch die staatlichen Stützungsmassnehmen verzerrt sein dürften, geben die Gründungen wohl ein adäquateres Bild der wirtschaftlichen Entwicklung wieder. Die rekordhohe Zahl von Neueintragungen im Handelsregister im Jahr 2020 lässt vermuten, dass sich die Bedürfnisse in der Gesellschaft eigentlich stark verändert haben, und neue Firmen auf die sich veränderte Nachfrage reagieren.

Dass die Dynamik zumindest auf der einen Seite funktioniert, sind erfreuliche Nachrichten. Umso mehr, als dass historisch betrachtet, neue und jüngere Firmen besonders relevant für das Nettowachstums bei den Arbeitsplätzen sind. Zwischen 1980 und 2005 waren in den USA ein Grossteil der Nettoarbeitsplatzschaffung auf Firmen jünger als fünf Jahre zurückzuführen.[2] Ein Muster, dass sich auch bei vielen anderen OECD-Ländern zeigt.

Damit diese positive Dynamik mittel- und langfristig nicht abgewürgt wird, ist jedoch essenziell, dass auch auf der Marktaustrittsseite nach der akuten Gesundheitskrise baldmöglichst zurück zur Normalität gefunden wird. Firmen über längere Zeit künstlich im Markt zu halten ist keine nachhaltige Wirtschaftspolitik. Weshalb das so ist, und wie stattdessen auf das stete Kommen und Gehen von Firmen reagiert werden sollte, kann der kürzlich publizierten Analyse «Über den Lebenszyklus von Firmen» entnommen werden.

Ein detaillierter Blick auf die dargestellten Branchen

In diesem Artikel wurde die Entwicklung der Gründungen und Konkurse verschiedener Wirtschaftssektoren gezeigt. Im Folgenden werden einige Beispiele (nicht abschliessend) aufgeführt, um aufzuzeigen welche Geschäftsfelder damit gemeint sind:

  • Gastgewerbe: u.a. Hotels, Restaurants, Ferienwohnungen, Bars, Diskotheken, Gymnastik- und Fitnesszentren
  • Einzelhandel: u.a. Detailhandel (stationär und Versand), Warenhäuser, Supermärkte, Drogerien und Apotheken
  • Unternehmens- und Steuerberatung: u.a. Beratungsunternehmen, Wirtschaftsprüfung, Buchführung, Treuhandgesellschaften, Werbeagenturen, Messe-, Ausstellungs- und Kongressveranstalter
  • Persönliche Dienstleistungen: u.a. Wäschereien, Textilreinigung, Coiffeursalons, Kosmetiksalons, sonstige Körperpflege, Fotografie
  • Unterhaltungs- und Freizeitindustrie: u.a. Kinos, Theater, Musik, Betrieb von Kultur und Unterhaltungseinrichtungen, Museen, Zoos, Spiel-, Wett- und Lotteriewesen, Betrieb von Sportanlagen, Dienstleistungen der Unterhaltung und der Erholung, Messen mit Freizeitcharakter

Weitere Informationen zum Thema finden Sie in unserer Studie «Über den Lebenszyklus von Firmen».

[1] Zu beachten ist, dass die Konkurse jeweils nur eine Teilmenge aller Firmenschliessungen ausmachen. Die Konkurszahlen sind jedoch näher am Geschehen als beispielsweise die Löschungen aus dem Handelsregister und deshalb als Frühindikator interessant. Bei den Konkursen ist zudem zu unterscheiden zwischen dem «klassischen» Konkurs nach SchKG wegen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung und dem Konkurs wegen «Mängeln in der Organisation der Gesellschaft» (Art. 731b OR). Mit diesen Organisationsmängeln ist das Fehlen oder die falsche Zusammensetzung eines vorgeschriebenen Gesellschaftsorgans gemeint – diese Bestimmung hat dazu geführt, dass zahlreiche «schlafende» Firmen gelöscht wurden. Die heutige Rechtsgrundlage für dieser Art von Konkurs wurde erst mit einer Revision des Obligationenrechts im Jahr 2008 eingeführt. In unserer Analyse und in den Abbildungen wurden die Konkurse nach Art. 731b OR nicht berücksichtigt.

[2] Die Rezession im Zuge der Finanzkrise in den USA scheint sich derweil negativ auf diese Mechanismen ausgewirkt zu haben. So kam es damals auch zu einem grossen Rückgang in der Nettoarbeitsplatzbeschaffung bei jungen Firmen.