Über 10,3 Mrd. Fr. beträgt der Produktionswert der Landwirtschaft. Ein stattlicher Betrag könnte man meinen – die Landwirtschaft als Stütze der Schweizer Volkswirtschaft und Einkommensquelle für rund 50 000 Hofbesitzer. Doch nach Abzug von Vorleistungen und Abschreibungen verbleiben nur rund 1,9 Mrd. Fr. an Nettowertschöpfung, um Löhne, Abgaben, Pachten und Zinsen zu bezahlen. Das resultierende Unternehmenseinkommen beträgt Null. Ins Positive gedreht wird es nur aufgrund der üppig fliessenden Subventionen, gemäss landwirtschaftlicher Gesamtrechnung sind dies knapp 3 Mrd. Fr. (Bundesamt für Statistik 2019, alle Zahlen für 2017).
In der Mehrzahl eine volkswirtschaftliche Wertvernichtung
Analysiert man die volkswirtschaftliche Nettowertschöpfung auf Kantonsebene, und bezieht dabei neben den direkten Subventionen auch die Kosten für die Umsetzung und Kontrolle der Agrarpolitik sowie indirekte Beiträge mit ein, präsentiert sich ein regional sehr differenziertes Bild. So weisen insbesondere die Kantone Graubünden und Bern mit -335 Mio. Fr. bzw. -323 Mio. Fr. eine stark negative volkswirtschaftliche Nettowertschöpfung des Agrarsektors auf (vgl. Abbildung). Im Vergleich zu Graubünden (93 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche in der Bergzone) hat der ebenfalls gebirgige Kanton Wallis (74 % Bergzone) eine viel geringere Negativbilanz von -73 Mio. Fr. Ein Grund ist der verbreitete Anbau hochwertiger Produkte wie etwa Weintrauben, die oft selbst verarbeitet werden und damit die Nettowertschöpfung anheben.
Nettowertschöpfung der kantonalen Landwirtschaft abzüglich Ausgaben der öffentlichen Hand
Trotz seiner guten Ausgangslage mit der zweitgrössten landwirtschaftlichen Produktion der Schweiz rutscht der Kanton Bern (50 % Bergzone) aufgrund rekordhoher Bundestransfers in die Zone der negativen volkswirtschaftlichen Nettowertschöpfung ab.
Dass grundsätzlich eine kompetitive, produktive Agrarwirtschaft auch in der Schweiz möglich ist, zeigt der Kanton Thurgau, der dank grosser und einfach zugänglicher landwirtschaftlicher Nutzfläche (2 % Bergzone) eine volkswirtschaftliche Nettowertschöpfung von über 132 Mio. Fr. erzielt. Genf liegt – auch dank dem Rebbau – auf dem zweiten Platz mit 56 Mio. Fr., knapp positiv ist Zürich mit 9 Mio. Fr. (für die anderen Kantone vgl. hier).
Eidgenössische Agrarpolitik zulasten Steuerzahlenden und Bauern
Kantone mit hohen öffentlichen Ausgaben für die Landwirtschaft und einer negativen Wertschöpfung lassen zwei Rückschlüsse zu: Erstens müssten dort – um die öffentlichen Ausgaben zu rechtfertigen – besonders viele, durch die Agrarwirtschaft produzierte öffentliche Güter abgegolten werden. Dies ist aber oftmals nicht der Fall, die meisten Transfers in den Sektor sind strukturerhaltende Subventionen. Zweitens werden die Landwirte aufgrund der an Bedingungen geknüpften Zahlung öffentlicher Gelder in eine betriebliche Produktionsstruktur gedrängt, die sich an den Subventionen und nicht am Markt orientiert. In der Folge ist die Wertschöpfung tief. Der Spagat der eidgenössischen Agrarpolitik zwischen öffentlichem Anspruch und Marktorientierung kann als gescheitert bezeichnet werden. Dabei verlieren nicht nur die Steuerzahlenden, sondern auch die Bauern.
Lokale Besonderheiten besser nutzen
Aus volkswirtschaftlicher Sicht besonders kritisch zu betrachten sind öffentliche Ausgaben bei einer bereits negativen Nettowertschöpfung des Agrarsektors. Dies ist in sechs Kantonen der Fall: So erzielen die landwirtschaftlichen Betriebe im Kanton Graubünden eine Nettowertschöpfung von -57 Mio. Fr. Die öffentliche Hand bezahlt dafür 278 Mio. Fr. an Transfers. Nur scheinbar besser sieht es für den Kanton Schwyz aus: Der negativen Wertschöpfung von -17 Mio. Fr. stehen 88 Mio. Fr. an Ausgaben gegenüber. Ähnliches gilt für Solothurn (-1 Mio. Fr. / 92 Mio. Fr.), Uri (-12 Mio. Fr. / 34 Mio. Fr.), Glarus (-3 Mio. Fr. / 38 Mio. Fr.) und Nidwalden (-3 Mio. Fr. / 24 Mio. Fr.).
Aus der Analyse leiten sich zwei Schlussfolgerungen ab:
Erstens werden in vielen Kantonen aufgrund des Anreizsystems der Subventionen landwirtschaftliche Strukturen aufrechterhalten, die zu wenig Rücksicht auf die Charakteristika des Standortes nehmen. Sich bietende lokale Chancen mit einer höheren Wertschöpfung werden oft zu wenig genutzt. Landwirte sollten selbstverantwortlich entscheiden, was sie wie anbauen. Dieser Entscheid sollte nicht durch Subventionen für einzelne Kulturen oder Bewirtschaftungsmethoden verzerrt werden. Beziehen Landwirte einen Grossteil ihres Einkommens aus Transfers, fehlt der Anreiz, sich an der Marktnachfrage auszurichten. Wenn primär produziert wird, was der Bund unterstützt, leidet nicht nur die Wertschöpfung, sondern auch die Innovation.
Zweitens sollte vereinzelt geprüft werden, ob die Landwirtschaft tatsächlich die effizienteste Methode ist, um in allen Kantonen bzw. Regionen der lokalen Vergandung entgegenzuwirken. Allenfalls gibt es Bewirtschaftungsmethoden ohne Nahrungsmittelproduktion (z.B. Pflege der Kulturlandschaft), die bei geringeren Kosten für den Steuerzahler zu den gleichen (landschaftlichen) Resultaten führen.