Nicht Belgien, nicht Deutschland, nicht das Craft-Beer-Paradies USA: die Schweiz weist die höchste Bierbrauerdichte der Welt auf. Ganze 944 Brauereien – Tendenz steigend – produzieren hier geschätzte 4000 verschiedene Biersorten. Kaum noch vorstellbar, dass das Land im Jahr 1990 bloss 32 Brauereien – und vier Biersorten! – zählte.
Erklärbar aber schon: Die umfassende Marktregulierung unter der Führung des Schweizerischen Bierbrauervereins erstickte von 1935 bis 1991 jegliche Innovations- und Vermarktungsanreize im Keim. Das «Bierkartell» definierte Gebietsmonopole, legte Preise und Nebenleistungen an Wirte fest, normierte Produkte, schränkte Markenwerbung weitgehend ein und hielt restriktive Importhürden aufrecht.
Damit sicherten sich die Brauereien gegen Konkurrenz aus dem Ausland ab und hatten enorme Planungssicherheit. Geschmacksvielfalt, Markt und Wettbewerb? Keine Spur! Ein Zürcher Biertrinker konnte zwischen genau zwei Biermarken wählen – einen grossen Unterschied machte die Entscheidung nicht: In einer berühmten «Kassensturz»-Sendung von 1985 erkannten fünf von sechs Braumeistern nicht mal ihr eigenes Bier!
Erst mit der Liberalisierung und dem Zerfall des Kartells änderte sich das: dank Klein-, Mikro- und Hausbrauereien ist der Schweizer Biermarkt heute so divers und belebt wie noch nie. Und dank der Importe aus dem Ausland: als die Markteintrittsbarrieren fielen, mussten die Schweizer Brauer plötzlich gleich gutes oder besseres Bier als die Konkurrenz aus Deutschland, Belgien und Tschechien produzieren. Sie setzten also auf Produktqualität und Innovation; das liess die Preise fallen, vergrösserte die Angebotsvielfalt und brachte dem hiesigen Brauwesen, begünstigt durch den internationalen Craft-Beer-Trend, enormen Schub.
Auch beim Bier gilt: Wirtschaftsbranchen bleiben nur fit und in Bewegung, wenn sie den Marktkräften ausgesetzt werden. Aus der Einheitsstange sind vielfältige Genussgetränke geworden – ein Prost auf die Freiheit!
Die Beiträge unserer Sommerreihe «Grenzen sprengen!» sind als Sonderpublikation der Zeitschrift «Schweizer Monat» erschienen.