Diesen Sommer waren die Zeitungen voll davon: Lehrpersonen wurden vielerorts händeringend gesucht. Dass die Pensen oftmals nur schwer abgedeckt werden können, steht ausser Frage. Der Mangel ist allerdings nicht überall gleich ausgeprägt, und es lohnt sich, etwas genauer hinzuschauen.

Gemäss Adecco Fachkräftemangel-Index 2022 befinden sich die Lehrkräfte gesamtschweizerisch im unteren Mittelfeld der Rangliste. Dies liegt unter anderem daran, dass in der lateinischen Schweiz genügend Lehrkräfte arbeiten. In der Deutschschweiz hingegen sind die Lehrpersonen gar auf Platz 10 der meistgesuchten Berufsgruppen gesprungen. Auch innerhalb der Deutschschweiz gibt es grosse Unterschiede: So liegen Lehrkräfte in der Zentralschweiz neu auf Platz 2 der gesuchten Berufsgruppen, während sie in der Nordwestschweiz erst auf Platz 16 positioniert sind.

Die Plattform zebis, auf der schweizweit offene Stellenausschreibungen für Lehrpersonen ersichtlich sind, zeigt in einer Momentaufnahme Mitte Dezember ein klares Bild: Auf Primarstufe werden mit Abstand am meisten Lehrpersonen gesucht (106), gefolgt von Kindergarten/Basisstufe (58) und Sekundarstufe I (40). Auf der Sekundarstufe II sind hingegen nur sieben Stellen ausgeschrieben.

Gründe für den Lehrpersonenmangel

Gründe für den Lehrpersonenmangel gibt es diverse. Der erste liegt in der demografischen Entwicklung. Die Szenarien für die obligatorische Schule des Bundesamts für Statistik zeichnen ein düsteres Bild für die nächsten Jahre; dies aufgrund einer Kombination von Pensionierungen und Bevölkerungswachstum. Insgesamt wird für die obligatorische Schule mit einem Bedarf von 69’000 bis zu 76’000 neuen Lehrpersonen gerechnet. Mit Absolvierenden der pädagogischen Hochschulen kann dieser Bedarf nicht gedeckt werden. So rechnet das Bundesamt für Statistik (BFS) für die Primarlehrpersonen mit einer Lücke von 9000 bis zu 13’000 Personen bis im Jahr 2031.

Ein weiterer wichtiger Grund ist, dass viele Lehrerinnen und Lehrer auf allen Schulstufen in Teilzeitverhältnissen angestellt sind. So arbeiten rund 30% der Lehrpersonen in der Primarschule und auf der Sekundarschule II in einem Pensum von weniger als 50%, während die Quote auf der Sekundarstufe I nur 23% beträgt.

Eine Studie von B,S,S. im Auftrag des Seco aus dem Jahr 2014 zeigt, dass insbesondere ältere Lehrpersonen höhere Pensen bestreiten, während jüngere in niedrigen Pensen angestellt sind. Bereits diese Studie prognostizierte daher einen erhöhten «demografischen Ersatzbedarf», sprich: die Gefahr einer Lücke. Sie zeigte zudem, dass die Verbreitung von Teilzeitpensen und – damit verbunden – der Frauenanteil höher ist als in den meisten anderen Berufen.


Gemäss der amerikanischen Ökonomin Claudia Goldin hängt die starke Verbreitung der Teilzeit im Bildungsbereich – die man nicht nur in der Schweiz beobachtet – auch damit zusammen, dass der Lohn meist linear zum Pensum steigt. Eine Vollzeit-Anstellung bringt keine überproportionalen finanziellen Vorteile. Dies etwa im Unterschied zu Berufen im Finanzbereich oder in der Beratung, wo Vollpensen – und mehr noch Überstunden – die Voraussetzung für Lohn- und Karrieresprünge bilden. Im Bildungsbereich lassen sich zudem Lektionen gut aufteilen, ohne den Koordinationsaufwand zwischen den Lehrpersonen stark ansteigen zu lassen. Zusammen mit der aktuell oft erschwerten Vereinbarkeit von Beruf und Familie sorgt dies dafür, dass vermehrt Frauen den Lehrberuf ergreifen.

Das ist aber nur ein Aspekt unter anderen. Auf der Sekundarstufe II gibt es beispielsweise viele Lehrerinnen und Lehrer, die gerne ein grösseres Pensum übernehmen würden, das allerdings nicht zur Verfügung steht. Sie müssen dann an mehreren Schulen Teilpensen akzeptieren. Dies könnte daran liegen, dass in einigen Kantonen Gymnasiallehrpersonen gewählt werden, was mit einigen Sonderrechten einhergeht. Entsprechend werden solche Stellen vergleichsweise spärlich angeboten.

Nebst diesen Gründen könnte schliesslich die Belastung ebenfalls eine Rolle spielen. An den obligatorischen Schulen hat der Aufwand neben dem Unterricht für Klassenlehrpersonen tendenziell zugenommen. Die vermehrte Organisation von Spezialgefässen für einzelne Kinder sowie die stärker von Eltern verlangte Erreichbarkeit verringert die Attraktivität der Position. Dies führt dazu, dass viele Lehrkräfte keine Klassenlehrfunktion übernehmen wollen oder diese nicht im 100%-Pensum ausüben können. Dies verschärft den Mangel zusätzlich. 

Mögliche Lösungsansätze

Da einige der Gründe struktureller Natur sind, ist es nicht ganz einfach, diese Probleme zu lösen. Einfach nur hohe Pensen anzubieten, würde zu kurz greifen, denn es besteht die Gefahr einer Abwanderung von Lehrerinnen und Lehrern. Im Kanton Genf gilt allerdings ein Mindestpensum von 50%, das erfolgreich zu sein scheint.

Um den Lehrkräftemangel in der obligatorischen Schule zu beheben, wird es einen Strauss an innovativen Massnahmen brauchen. So wäre eine Reduktion der Lektionenzahl beim Berufseinstieg denkbar, um frischen Absolvierenden etwas mehr Luft zu verschaffen. Die Anzahl Lektionen für ein 100%-Pensum könnte dann nach einem ersten Zyklus automatisch erhöht werden. Das gäbe den Schulen und den Lehrpersonen eine gewisse Planungssicherheit.

Im Kampf gegen den Lehrkräftemangel könnte ein vereinfachter Zugang zu den pädagogischen Hochschulen ebenfalls hilfreich sein. Gegenwärtig gibt es je nach Kanton Angebote für Quereinsteigende, dies jedoch oft erst ab 30 Jahren, mit einer Aufnahmeprüfung oder einem Vorkurs. Ansonsten benötigt man eine gymnasiale Maturität bzw. die Passerelle.

Schliesslich könnten auch steuerliche Massnahmen wie die Einführung der Individualbesteuerung sowie eine verbesserte Ausgestaltung von Kinderbetreuungsangeboten eine Linderung bringen. So würde sich eine Erhöhung des Pensums für viele Frauen eher lohnen, wenn das zusätzliche Einkommen nicht von der Steuerprogression oder den Kitakosten «aufgefressen» wird.