Die Schliessung von Erdölraffinerien in der Schweiz stellt keine grundsätzliche Gefahr für die Versorgungssicherheit mit Treib- und Brennstoffen dar. Kurzfristige Lieferengpässe können durch strategische Lager überbrückt werden. Eine staatliche Beteiligung an den Raffinerien wäre verfehlt.

Mit den Überkapazitäten im europäischen Markt sind die Margen der Erdölraffinerien zusammengebrochen. Die Branche steht vor Strukturveränderungen, die zur Stilllegung von älteren, weniger effizienten Anlagen führen werden. Bereits haben Gewerkschaften und Vertreter der Erdölbranche in der Schweiz auf die Gefahren für die Erdölversorgungssicherheit aufmerksam gemacht. Die Schliessung einer oder gar beider Raffinerien im Inland könnte nach ihrer Auffassung die Stabilität der Versorgung mit Brenn- und Treibstoffen gefährden.

Tatsächlich spielen die Raffinerien bei der Schweizer Erdölversorgung eine wichtige Rolle. Etwa 40% der im Inland abgesetzten Mineralölprodukte stammen aus den beiden Anlagen in Cressier und Collombey. Ihre Stilllegung müsste durch zusätzliche Fertigproduktimporte kompensiert werden. Doch mit der veränderten Struktur der Einfuhren steigt nicht automatisch das Versorgungsrisiko. Eine internationale Versorgungskrise – etwa im Falle einer Blockade der für den Erdöltransport bedeutenden Strasse von Hormus – würde die Versorgungslage und das Preisniveau in der Schweiz so oder so tangieren.

Geringere Diversifizierung von Importrouten

Einen Beitrag zur Versorgungssicherheit liefern die inländischen Erdölraffinerien vor allem dann, wenn sie die Auswirkungen lokaler Störungen auf die Gesamtversorgung reduzieren – etwa im Zusammenhang mit dem Unterbruch von Transportrouten oder dem Ausfall einzelner Produktions- und Lagereinrichtungen durch technische Probleme, Naturereignisse oder Streiks. Dies hängt jedoch weniger von der Existenz der inländischen Raffinerien an sich ab, sondern vielmehr von der Versorgungslogistik. Die Schweizer Raffinerien beziehen ihr Rohöl über separate Pipelines aus den Häfen Genua und Fos-sur-Mer bei Marseille. Die Fertigprodukte kommen dagegen über die Schiene und den Flussweg, aber auch über die Strasse sowie über eine Produktpipeline aus Südfrankreich nach Vernier. Ein Mehrimport von Fertigprodukten wäre logistisch machbar: Sowohl die Rheinschifffahrt als auch die Pipeline weisen freie Kapazitäten auf, daneben liesse sich der Transport über Schiene und Strasse ausbauen. Tatsächlich aber nähme dadurch die Diversifizierung der Importrouten tendenziell ab.

Es gibt auch noch die strategischen Lager

Das allein rechtfertigt jedoch keine Subventionierung oder Verstaatlichung unrentabler Raffinerien. Einerseits ist ein solcher Eingriff aus ordnungspolitischer Sicht abzulehnen, da er den Wettbewerb im internationalen Raffineriemarkt verzerrt. Anderseits gibt es alternative, potenziell günstigere Möglichkeiten zur Stärkung der Versorgungssicherheit. Der Staat könnte den Ausbau und die Nutzung alternativer Importrouten subventionieren oder den Händlern gar vorschreiben. Damit verbunden wären direkte Kosten oder steigende Preise für Brenn- und Treibstoffe. Diese müssten gegenüber dem gesamtwirtschaftlichen Nutzen abgewogen werden. Solche Interventionen setzen voraus, dass die Versorgungssicherheit den Charakter eines öffentlichen Gutes hat. Allerdings haben in der Praxis auch die privaten Importeure selber ein gewisses (privatwirtschaftliches) Interesse an einer Bezugs- und Transportdiversifizierung.

Viel bedeutender ist die Tatsache, dass mit den Erdölpflichtlagern bereits ein effektives Instrument zur Überbrückung von Importunterbrüchen besteht. Die Schweiz hat sich im Rahmen ihrer Zugehörigkeit zur OECD bzw. deren Internationaler Energieagentur (IEA) verpflichtet, Erdölvorräte für den Krisenfall zu halten. IEA-Mitglieder müssen Lager von Erdölprodukten oder Rohöl für mindestens drei Monate Verbrauch halten. Die Schweizer Pflichtlager liegen über diesen minimalen Standards, was eine gewisse Flexibilität bei der Anordnung einer Lagerauflösung ermöglicht. Die Lager basieren auf Fertigprodukten und reichen bei Benzin, Diesel und Heizöl für viereinhalb Monate, bei Flugbenzin für drei Monate.