Jüngst schaffte der Nationalrat das Obligatorium für Hundekurse wieder ab, wie es die Motion des Zürcher Ständerates Ruedi Noser forderte. Obligatorische Kurse für Hundehalterinnen und -halter wurden nach einem tragischen Ereignis eingeführt – und zwar unbesehen dessen, ob Hundebesitzer bereits profunde Erfahrung mit Hunden hatten. Die kantonalen Statistiken wiesen aber trotz Einführung dieser obligatorischen Hundekurse keinen Rückgang von gefährlichen Hundebissen auf, was diese staatliche Intervention zu Recht in Frage stellte.

Damit wurde allerdings nur gerade die Spitze des Regulierung-Eisbergs angetippt, eine Trendumkehr sähe anders aus. Zwar ist den Eidgenössischen Räten durchaus der Wille zu attestieren, die Vorschriftenflut einzudämmen. Über 100 Vorstösse, die auf einen Regulierungsabbau drängen, wurden in den letzten zehn Jahren eingereicht, doch das Resultat fällt ernüchternd aus. So ist der Seitenumfang der Bundeserlasse zum Landesrecht in den Jahren von 1995 bis 2015 von 22­000 auf knapp 32000 Seiten gestiegen. Und auch die erst 2009 gegründete Finanzmarktaufsicht Finma interpretiert ihre Tätigkeit etwas gar extensiv: Die von ihr verfassten Rundschreiben, die zwar de jure nicht, faktisch aber durchaus bindend sind, umfassten 2015 bereits 1200 Seiten. Es geht mittlerweile das Bonmot um, dass ein an einer Bankgründung Interessierter zuallererst drei Compliance Officers anstellen muss, um sich einen Überblick über das Regulierungsdickicht zu verschaffen, bevor er sich dem eigentlichen Finanzgeschäft annehmen kann.

Irritierende Vorschriften gibt es zuhauf. So hatte zum Beispiel eine Schulabgängerin den Berufswunsch, Karosseriespenglerin zu werden. Nachdem sie die Lehrstelle erhalten hatte, kamen Arbeitsinspektoren zur Ansicht, dass dieser Arbeitsplatz für eine Frau nicht geeignet ist. Der Grund: Es hat in der Firma nur ein WC. Da in dieser Branche vornehmlich Männer arbeiten, handelt es sich infolgedessen um ein Männer-WC. Die einschlägige Regulierungsbestimmung (die sogenannte Wegleitung zur Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz) sieht aber unabhängig von der Unternehmensgrösse getrennte Toiletten für Frauen und Männer vor.

Solche und ähnliche Vorschriften sind denn auch ausschlaggebend dafür, dass im Seco-Bürokratiemonitor 2014 70 Prozent der Kleinunternehmen, 77 Prozent der mittleren Unternehmen und 88 Prozent der Grossunternehmen die administrative Belastung in unserem Land als hoch einstuften. Insgesamt verursachen die Regulierungen jährliche Kosten in Milliardenhöhe. Doch das Feststellen der Kostenfolgen alleine genügt nicht – andere Länder entwickeln deutlich mehr Ambitionen beim Bürokratieabbau. Das verdeutlichen internationale Rankings. Die Schweiz ist im «Ease of Doing Business Index» der Weltbank von Platz 11 (2005) auf Rang 26 (2016) abgerutscht. Beim SubIndex «Unternehmensgründung» liegt unser Land gar auf Rang 69 von 189 Ländern. Die Folge: Hierzulande mangelt es an einer lebendigen Start-up-Kultur, respektive wird sie von Steuerbehörden noch ausgebremst.

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Im Seco-Bürokratiemonitor 2014 stuften 70% der Kleinunternehmen, 77% der mittleren Unternehmen und 88% der Grossunternehmen die administrative Belastung in unserem Land als hoch ein. Bild: fotolia

Auswege aus dem helvetischen Regulierungsdickicht sind dringend geboten. Rezepte dafür finden sich im nahen Ausland. In vielen EU-Ländern, darunter Grossbritannien, Deutschland oder in den Niederlanden, wurde ein klar definiertes Reduktionsziel (zumeist 25 Prozent der Regulierungskosten) formuliert – und umgesetzt. Solche Bemühungen stehen in der Schweiz noch aus. Not tut daher ein breiter Wille in Bund und Kantonen, ein wirksames Deregulierungspaket zu schnüren. Neben der grundsätzlichen Verhinderung von neuen Regulierungen, z. B. durch die Einführung einer Regulierungsbremse, gilt es den Tatbeweis zu erbringen, dass man es mit dem Bürokratieabbau ernst meint. Dazu gehört ein Einheitssatz bei der Mehrwertsteuer genauso wie der Abbau kostentreibender Vorschriften bei der Kinderbetreuung. Die Bekämpfung der Vorschriftenflut darf sich nicht alleine auf politische Sonntagsreden beschränken. Der Handlungsbedarf ist zu offensichtlich.

Diese Kolumne ist in der «Luzerner Zeitung» und im «St. Galler Tagblatt» vom 10. Oktober erschienen.