Daniel Müller-Jentsch und Samuel Rutz geben in einem Interview mit der Stadtentwicklung Zürich ihre Einschätzung der wichtigsten Trends für den Handel im Wandel ab. Es stehe ein neuer Umbruch mit weitreichenden Konsequenzen bevor. Die heterogene Shopping-Struktur der Stadt Zürich werde allerdings dafür sorgen, dass die Abwanderung des Konsums in den Onlinehandel verzögert eintreten wird.

Stadtentwicklung Zürich: Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Geschäftelandschaft in der Stadt Zürich in Zukunft verändern?

Daniel Müller-Jentsch: Den heutigen Strukturen des Detailhandels steht ein grosser Umbruch bevor. Dieser Umbruch hat insbesondere im städtischen Umfeld weitreichende Konsequenzen. Je früher Städte diesen Wandel erkennen und gewisse Entwicklungen abfedern, desto besser sind sie für die fundamentale Verschiebung des städtischen Grundgefüges vorbereitet. Ein Grossteil der Kaufkraft wird in den Onlinehandel abwandern. Der Onlinehandel durchdringt immer mehr Marktsegmente (z.B. Lebensmittel). Der Einzelhandel wird dadurch deutlich geschwächt werden. Die benötigte Menge an Einzelhandelsflächen wird deutlich schrumpfen. Er wird nur da überleben, wo er einen eindeutigen Mehrwert, ein Erlebnis generiert. Einzelhandelsstrukturen brechen weg und die Mischung an Angeboten verschiebt sich zu niederwertigen Angeboten. Die Verdrängung von Kleinanbietern durch Ketten ist ja schon weit fortgeschritten.

Samuel Rutz: Meiner Meinung nach wird dieser Trend in Zürich aber verspätet eintreten, da Zürich eine sehr heterogene Shopping-Struktur aufweist.

Müller-Jentsch: Da stimme ich zu. Zürich ist ein Premium-Standort mit einer sehr hohen Kaufkraft und qualitativ hoher Nachfrage. Darum wird dieser Trend in abgemilderter Form eintreten. Umso wichtiger ist es, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen und die globalen Trends auf Zürich herunterzubrechen und zu analysieren.

Auch die Frequenzen der einst stolzen Fraumünsterpost, hier eine Aufnahme von 1908, sind so eingebrochen, dass sie schliessen musste. (ETH Bibliothek Zürich, Bildarchiv)

Stadtentwicklung Zürich: Welches sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Trends und Treiber für den Handel im Wandel für Zürich?

Müller-Jentsch: In erster Linie sehen wir die Digitalisierung als stärksten Trend am Werke.

Rutz: Neue Arbeitsformen haben wahrscheinlich auch einen Einfluss auf das Einkaufsverhalten der Menschen. Auch der demografische Wandel bestimmt die Zusammensetzung der Kundinnen und Kunden. Die Mobilität würde ich ebenfalls zu den wichtigen Trends zählen. Wo wohnen die Menschen und wo müssen sie hinfahren, um einzukaufen?

Müller-Jentsch: In Zürich ist sicherlich speziell, da die Bevölkerung jünger wird. Global beobachten wir ja eine alternde Gesellschaft. Das bestimmt immer auch Angebot und Nachfrage im Detailhandel. Durch Migration wird die Gesellschaft in Zürich vielfältiger.

Rutz: Der Einfluss auf die räumliche Entwicklung ist auch nicht ausser Acht zu lassen, wenn man über die Stadtgrenzen hinaus denkt. Es ist durchaus möglich, dass die Innenstadt zu einem «Spezialmarkt» wird und die Leute mehrheitlich lieber in den grossen Malls um die Stadt herum einkaufen gehen. Zudem ist auch die Globalisierung wichtig für eine Stadt wie Zürich. Hier ist die grosse Frage, in was für einer Welt leben wir in Zukunft?

Müller-Jentsch: Abschliessend gesagt: da ist noch viel Musik in den wichtigen Trends für den Handel im Wandel.

Das Interview ist auf der Website von Stadtentwicklung Zürich erschienen.

Siehe auch NZZ vom 2. Dezember 2017: «Wie wir in Zukunft einkaufen»