Beschäftigungsquote_2010

Zählt man Eingebürgerte und Secondos hinzu, hat bald ein Drittel der Schweizer Wohnbevölkerung einen «Migrationshintergrund». Trotzdem gibt es hierzulande weniger Integrationsprobleme als etwa in Deutschland, Frankreich oder den Niederlanden – also Ländern, die teils einen nur halb so hohen Migrantenanteil haben. Auch die OECD attestiert der Schweiz eine überdurchschnittliche Assimilationskraft: Drei Viertel der Migranten im erwerbstätigen Alter (15-64 Jahre) gehen einer Beschäftigung nach. Das sind mehr als in jedem anderen OECD-Land. Die Beschäftigungsquote unter Migranten – und auch das ist ungewöhnlich – liegt nur 5% unter jener der Einheimischen.

Ein Grund für den Integrationserfolg ist das gute Funktionieren von zwei gesellschaftlichen Institutionen, die zentral für die Eingliederung von Ausländern sind: das Bildungssystem und der Arbeitsmarkt. Dank eines flexiblen Arbeitsmarkts und einer durch Arbeitskräftenachfrage gesteuerten Zuwanderung gibt es in der Schweiz eine vergleichsweise geringe Ausländerarbeitslosigkeit. Zugleich wird eine Einwanderung in die Sozialsysteme durch relativ strikte Kontrollmechanismen gegen Sozialmissbrauch erschwert. Ebenfalls integrationsfördernd wirken ein sehr hoher Anteil gut qualifizierter Einwanderer und die Tatsache, dass ein Grossteil der Zuwanderer aus Nachbarländern mit gleicher Sprache und Kultur kommen. Diese Gruppen sind vergleichsweise leicht integrierbar.

Auch die Schulen scheinen ihre Integrationsaufgabe insgesamt gut bewältigt zu haben. Das in der Schweiz besonders gut ausgebaute System der Berufsbildung erleichtert gerade Migranten aus bildungsfernen Schichten den Einstieg in den Arbeitsmarkt und hat zugleich eine stark sozialisierende Wirkung. Ein weiterer Unterschied zu anderen europäischen Ländern ist die geringe räumliche Segregation von Ausländern, die einer Ghettobildung wie etwa in den französischen Banlieues entgegenwirkt. In der Schweiz leben die meisten Ausländer in ländlichen oder kleinstädtischen Gegenden und nicht konzentriert in anonymen Millionenstädten wie London, Paris oder Berlin.

Aber es gibt auch einige weiche Faktoren, die zur hohen Assimilationskraft der Schweiz beitragen. Integrationsfördernd ist sicher die Attraktivität der Schweiz: Sie bietet den Zugewanderten nicht nur ein hohes Wohlstandsniveau und wirtschaftliche Chancen, sondern profitiert auch von einem gute Image. Ähnlich wie im «Melting Pot» USA fördert ein als attraktiv wahrgenommenes Gastland die Bereitschaft, sich anzupassen. Typisch für die Schweiz ist auch ein hoher sozialer Assimilierungsdruck im Alltag – von strengen Bussen im Strassenverkehr bis hin zu teils pedantischen Kontrollen durch die Nachbarn. Oder wie es der Politologe Prof. Dieter Freiburghaus einmal etwas zugespitzt formulierte: «Im tiefsten Innern wird die Schweiz durch die Waschküchenordnung zusammengehalten.»

All diese Faktoren sorgen dafür, dass die Schweiz eine ungewöhnlich hohe Assimilationskraft hat, die eher mit klassischen Einwanderungsländern wie den USA oder Australien vergleichbar ist als mit den europäischen Nachbarstaaten. Angesichts einer konstant hohen Nettozuwanderung von derzeit etwa 70‘000 Personen pro Jahr stellt sich allerdings die Frage, ob auch die Integrationsfähigkeit der Schweiz irgendwann an ihre Grenzen stösst.

In dem Buch «Die Neue Zuwanderung» analysiert Avenir Suisse die veränderte Zusammensetzung der Schweizer Migration infolge der Personenfreizügigkeit und ihre Folgen.