Die aktuellen parlamentarischen Debatten zur Reformvorlage AHV 21 und zur Reform der beruflichen Vorsorge BVG 21 beschäftigen die Politikerinnen und Journalisten ausgiebig. Darüber gerät fast in Vergessenheit, dass die schweizerische Altersvorsorge nicht nur auf zwei, sondern auf drei Säulen beruht. Die gebundene Selbstvorsorge 3a wird in der öffentlichen Vorsorgediskussion weitgehend ausgeblendet.

Grosses Vertrauen in die Säule 3a

Grund für diese Gedächtnislücke hängt zum Teil mit dem besseren Image der Säule 3a zusammen. Gemäss einer Umfrage von MIS Trend im Jahr 2021 vertrauen 74% der Bevölkerung darauf, dass die finanzielle Situation der Säule 3a solide ist (gegenüber 67% bei der Pensionskasse und nur 60% bei der AHV).

Zwar scheint diese Vorsorgelösung angesichts der extrem tiefen Zinssätze heute weniger attraktiv als noch vor zehn Jahren. Doch während die Nominalrendite gesunken ist, schwächte sich gleichzeitig auch die Inflation ab. Die Möglichkeit, die eingezahlten Beträge von den Steuern abzusetzen, lassen diese Lösung weiterhin attraktiv erscheinen. 2019 wurden Guthaben von insgesamt 130 Mrd. Franken in der Säule 3a verwaltet, doppelt so viel wie zehn Jahre zuvor. Auch die Zahl der entsprechenden Konten und Policen ist in dieser Zeitspanne um rund 40% gestiegen.

Überholte Einschränkungen

Die Grundlagen der Säule 3a wurden 1985 in der Verordnung über die berufliche Altersvorsorge BVV 3 festgelegt. Seither haben sich die privaten und die beruflichen Gegebenheiten in der Gesellschaft aber grundlegend verändert, so dass sich eine Modernisierung des Systems sowie eine Erhöhung der Attraktivität für Begünstigte und eine Ausweitung des Nutzerkreises aufdrängen.

Heute dürfen nur Personen mit einem AHV-pflichtigen Einkommen in die 3. Säule einzahlen. Ehepartner ohne Erwerbstätigkeit, aber vor allem geschiedene Personen, die sich ausschliesslich um die Kinder kümmern (meist die Frau) und dafür Alimente erhalten, können sich weder einer Pensionskasse anschliessen noch in eine 3. Säule einzahlen.

Der Vorwurf, dass die 3. Säule vor allem Personen mit hohem Einkommen zugute komme, beruht auf einer sehr statischen Einschätzung der Gesellschaft und blendet die soziale Mobilität aus. (Sven Mieke, Unsplash)

Mehr zeitliche Flexibilität

Die Vorgabe, die Einzahlung in die Säule 3a nur im jeweils laufenden Jahr zu erlauben, ist wenig sinnvoll. Paare, die eine Familie gründen, haben einerseits höhere Ausgaben, andererseits aber vor allem ein tieferes Einkommen, da ein Ehepartner oder gar beide ihren Beschäftigungsgrad senken. Warum sollte man ihnen nicht gestatten, die ausgefallenen Beiträge später zu kompensieren, wie dies beispielsweise bei Einkäufen in die Pensionskasse möglich ist?

Ähnlich sieht die Situation bei einem Arbeitnehmer aus, der sein Erwerbspensum reduziert, um eine Weiterbildung zu absolvieren. Er wird über mehrere Jahre weniger sparen können, aber dazu wieder in der Lage sein, wenn er erneut Vollzeit arbeitet. Dasselbe gilt für Freiberuflerinnen, die in der Startphase ihre Ersparnisse in ihr neues Unternehmen investieren müssen und erst später finanziell davon profitieren werden.

Unterschätzte soziale Mobilität

Die Linke steht der 3. Säule oft kritisch gegenüber, da sie angeblich vor allem Personen mit hohem Einkommen zugute komme. Doch dieser Vorwurf beruht auf einer sehr statischen Einschätzung der Gesellschaft und blendet die soziale Mobilität aus. Die angehende Ärztin, die auf ihr Staatsexamen hin büffelt, oder der Jungunternehmer, der sein Startup lanciert, stehen heute zwar am unteren Ende der Einkommensklassen, gehören aber morgen zur oberen Einkommensklasse.

Die Statistik bestätigt diese anekdotischen Beispiele: 44% der Personen im untersten Einkommensdezil sind ein Jahr später bereits ein oder gar zwei Dezile aufgestiegen, wie aus einer Studie zu den Einkommen und Lebensbedingungen (Silc 2016) hervorgeht. Dieser Anteil steigt zwei Jahre später noch weiter an.

Den goldenen Mittelweg finden

Es drängt sich auf, den Kreis der Begünstigten zu erweitern und vor allem die Fristen für Einzahlungen in die 3. Säule flexibler zu gestalten. Dabei darf allerdings der steuerliche Aspekt nicht vernachlässigt werden. Der Topmanager oder die SP-Nationalrätin, die ihr steuerbares Vermögen dank massiver Einkäufe in die Pensionskasse auf null gesenkt hatten, ist vielen Politikerinnen und Steuerkommissären noch in unguter Erinnerung.

Auf einem Mittelweg zwischen diesen Extrembeispielen und der derzeit unbefriedigenden Situation in der 3. Säule gibt es gewiss vernünftige Lösungen, um die freiwillige Vorsorge flexibler zu gestalten, beispielsweise durch die Option von Einkäufen über zehn Jahre hinweg, ohne riesige steuerliche Schlupflöcher zu schaffen.

So würden Reformen, die nicht nur die 1. und die 2. Säule, sondern eben auch die 3. Säule betreffen, eine Vorsorge ermöglichen, mit der die unterschiedlichen beruflichen und privaten Lebensphasen der Bevölkerung in der Schweiz im 21. Jahrhundert besser abgebildet werden können.

Dieser Beitrag ist in der Novemberausgabe 2021 der Zeitschrift «Schweizer Personalvorsorge» erschienen.