Das Spital Triemli-Waid gehört zusammen mit dem Kantonsspital Obwalden und dem Unispital CHUV in Lausanne zu den letzten drei Dinosauriern, die noch als Teil der öffentlichen Verwaltung geführt werden. Alle anderen 180 Akutspitäler der Schweiz geniessen mehr Selbständigkeit und damit unternehmerischen Handlungsspielraum: Das Universitätsspital Zürich zum Beispiel ist eine selbständige Anstalt des kantonalen öffentlichen Rechts, das Spital Wetzikon Teil einer gemeinnützigen AG, und die Insel-Gruppe in Bern firmiert als Stiftung.

Dies aus guten Gründen: Die Führung eines Spitals als Verwaltungseinheit ist mit betriebswirtschaftlichen Nachteilen verbunden – etwa durch die Beschränkung der finanziellen Autonomie und Einmischung der Politik in das Tagesgeschäft. So beklagte sich der frühere Triemli-Direktor Erwin Carigiet in einem Interview, dass der Gemeinderat wiederkehrende Ausgaben ab 50’000 Franken bewilligen müsse. Ein Betrieb mit 3000 Mitarbeitern, der jede neue Stelle vom Parlament absegnen lassen muss, leidet unter einem substanziellen Wettbewerbsnachteil gegenüber seiner agileren Konkurrenz.

Teil der städtischen Verwaltung: das Stadtspital Triemli in Zürich. (Wikimedia Commons, Alessandro Della Bella)

Diese Einmischung der Politik spitzte sich 2017 zu, als das Stadtparlament von der damals zuständigen Stadträtin Claudia Nielsen verlangte, halbjährlich über den Fortschritt der neuen Strategieentwicklung zu berichten. Das verschaffte den Konkurrenten des Triemli-Spitals einen Vorsprung, noch bevor die neue Strategie überhaupt verabschiedet, geschweige denn umgesetzt war. Doch damit nicht genug: Ein in die Verwaltung integriertes Spital gerät zwangsläufig in die Mühlen der Politik. Gesundheitspolitische Entscheide werden zum Pfand für überparteiliche Verhandlungen, die mit der strategischen Führung eines Spitals nichts zu tun haben. Kein Wunder, haben sich schweizweit praktisch alle Spitäler von solch veralteten Governance-Strukturen verabschiedet.

Der im Januar 2020 angekündigte Abschreiber von 167 Millionen Franken beim Spital Triemli zeigt exemplarisch auf, wie komplex die Führung medizinischer Institutionen geworden ist. Der Fortschritt bedingt teure Investitionen, während der politische Druck für mehr ambulante Eingriffe kostspielige Konsequenzen hat. Zusätzlich führt die neue Spitalfinanzierung, die Subventionen für öffentliche Spitäler stark einschränkt, zu grossen strategischen Herausforderungen.

Trotzdem können diese Entwicklungen alleine die eklatanten finanziellen Fehlentscheide des Triemli-Spitals nicht erklären. Die neue Spitalfinanzierung wurde bereits 2007 auf Bundesebene verabschiedet und der medizinische Fortschritt sowie die steigende Konkurrenz treffen schon lange alle Spitäler gleichermassen.

Vier Jahre nach dem Ausbau der Infrastruktur im Umfang von 400 Millionen Franken ist es an der Zeit, das Triemli-Spital in die rechtliche Selbständigkeit zu entlassen. Ein solcher Befreiungsschlag hiesse nicht, dass die Politik jegliche Einflussnahme in die Gesundheitspolitik verlieren würde. Der Kanton definiert nach wie vor die Aufnahmekriterien für die sogenannte Spitalliste. Damit werden klare qualitative und wirtschaftliche Kriterien für ein Spital festgelegt. Vorgeschrieben ist auch, welche Leistungsaufträge zu welchen Bedingungen erteilt werden – etwa die Führung eines Notfallzentrums. Wie sich eine Institution aufstellt, um diesen Leistungsauftrag zu erfüllen, bleibt jedoch allein in der Verantwortung der Spitalleitung. Diese muss sich nur gegenüber seinem obersten Organ (dem Stiftungsrat, dem Spitalrat oder dem Verwaltungsrat, je nach Rechtsform) verantworten, nicht mehr der Politik.

Selbständigkeit ist nicht zu verwechseln mit Narrenfreiheit und schon gar nicht mit Qualitätsabbau – im Gegenteil. Mehr Handlungsspielraum bedingt mehr Verantwortung gegenüber den Patienten und den Mitarbeitenden. Bei Fehlentscheiden kann man sich nicht mehr hinter den launigen Entscheidungen der Politik verstecken. Wenn es gelingt, diese Verantwortung wahrzunehmen, könnten Millionendefizite zulasten der Steuerzahler verschwinden wie einst die Dinosaurier.

Dieser Text ist als Gastbeitrag bei TA-Media erschienen.