Der Léman zählt mit 40 international tätigen Organisationen und ca. 400 NGO zu den weltweit bedeutendsten Standorten für internationale Zusammenarbeit. Laut dem EDA ist in Genf die Dichte an internationalen Organisationen, gemessen an der Anzahl internationaler Akteure und jährlichen Konferenzen, weltweit einmalig; sie übertrifft sogar New York, den Hauptsitz der Vereinten Nationen.

Hohe Kosten – noch höhere Erträge

Die Positionierung als Standort internationaler Organisationen führt zu zusätzlichen Verwaltungskosten, die sich – gemäss einer Studie der Universität Genf aus dem Jahr 2015 – bei Gemeinden, Kantonen und dem Bund zusammen auf rund 890 Mio. Fr. pro Jahr belaufen. Dieser Summe steht ein Steueraufkommen von 634 Mio. Fr. gegenüber.

Dennoch ist die ökonomische Bilanz in der Gesamtbetrachtung positiv: Die internationalen Organisationen tragen im Kanton Genf mit 3,5 Mrd. Fr. schätzungsweise zu 11% des Bruttoinlandproduktes (BIP) bei und stellen 14% aller Beschäftigten. 2015 zählte man 30’000 direkt Beschäftigte und jährliche Direktausgaben von 3,3 Mrd. Fr., gegenüber total 5 Mrd. Fr. in «Grand Genève». Neben Genf ist auch der Kanton Waadt ein bedeutender Standort, wo mehr als 1300 Personen bei 36 Sportverbänden beschäftigt sind und die ökonomischen Effekte mit über 500 Mio. Fr. pro Jahr angegeben werden.

Heute zählt der Clustereffekt

Im Gegensatz zu diesen ökonomischen Wirkungen lässt sich der politische Nutzen – besonders für die Schweiz als Ganzes – empirisch kaum abschätzen. Dennoch ist anzunehmen, dass die Schweiz als Gastgeberland aufgrund der geografischen Nähe ihre politischen Interessen schneller und effizienter einbringen kann, als wenn dieselben Organisationen in einem anderen Land lägen. Die Gastland-Rolle der Schweiz ist dabei aufgrund ihrer zentralen Lage und der Neutralitätspolitik historisch gewachsen. Heute bestimmt vor allem der Clustereffekt die Standortattraktivität.

Die thematischen Schwerpunkte in Genf sind humanitäre Dienstleistungen (z.B. IKRK), friedensfördernde Massnahmen (z.B. Geneva Centre for Security Policy), Gesundheit (z.B. WHO), Wirtschaft (z.B. WTO, ILO, World Economic Forum), Wissenschaft (z.B. Cern) und Umwelt (z.B. WWF). Die Waadt ist hingegen eine gefragte Destination für Sportorganisationen (z.B. Uefa, Internationales Olympisches Komitee). Dennoch sollte man nicht vergessen, dass der Léman nicht die einzige attraktive Region ist und die Standortkonkurrenz allgemein zunimmt.

Uno-Gebäude in Genf. (ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv)

Zu den klassischen Wettbewerbern Wien, Bonn, Den Haag und Kopenhagen haben sich in den letzten Jahren Singapur, Abu Dhabi, Dubai, Doha und Seoul gesellt. Sie versuchen die internationalen Organisationen mit weitgehenden Privilegien und monetären Anreizen anzulocken. Die Schweiz ist dabei zurückhaltender, sie fokussiert vor allem auf finanzielle Kredite für Infrastrukturinvestitionen der Organisationen.

Die Stimme des Volkes

Die Standortvorteile der Schweiz und der Clustereffekt sind nach wie vor grosse Trümpfe, was sich darin zeigt, dass das «internationale Genf» im Vergleich zur kantonalen Wirtschaft überdurchschnittlich schnell wächst.

Doch auf dem internationalen Parkett gerät der multilaterale Ansatz zunehmend unter Druck, und das Recht des Stärkeren scheint an Gewicht zu gewinnen. Gerade die Schweiz mit ihrer offenen, global ausgerichteten Volkswirtschaft ist auf den multilateralen Ansatz, den die internationalen Organisationen vertreten, angewiesen. Deshalb ist innenpolitisch die Akzeptanz der Sitzstaat-Strategie bei der kantonalen, aber auch der Schweizer Bevölkerung insgesamt aufrechtzuerhalten, auch indem Verfehlungen einzelner Verbände – wie beispielsweise des Sports – konsequent geahndet werden. Denn ohne Akzeptanz in der Bevölkerung wird die Schweiz langfristig ihre Rolle als Gastgeber für internationale Organisationen nicht mehr vollumfänglich wahrnehmen können.