Im Februar 2023 wurde im Parlament ein Postulat mit der Forderung eingereicht, ein Splitting der Altersguthaben aus der 2. Säule von Paaren mit Kindern zu prüfen. Die Absicht, die negativen Folgen von Teilzeitarbeit aufzufangen, ist zwar löblich, die vorgeschlagene Lösung hingegen nicht zielführend.
Korrekte Zahlen, falsche Probleme
Gemäss dem Bundesamt für Statistik fallen die Medianrenten aus der 2. Säule bei Männern und Frauen unterschiedlich hoch aus. Im Jahr 2021 betrugen sie 2100 Franken pro Monat für Männer und 1200 Franken für Frauen. Diese Zahlen sind zwar korrekt. Doch die Folgerung, dass verheiratete Frauen dadurch benachteiligt würden, ist ein Trugschluss. Ehepaare bilden nämlich eine wirtschaftliche Einheit. Sie verwalten ihre Einkommen gemeinsam, und zwar sowohl während des Erwerbslebens als auch nach der Pensionierung. Eine Statistik nach Geschlecht, die die Haushaltszusammensetzung nicht berücksichtigt, ergibt irreführende Ergebnisse. Die angegebenen Männerrenten sind für Ehemänner zu hoch, denn sie werden mit der Ehefrau geteilt. Die Frauenrenten sind für Ehefrauen zu tief, da sie den Beitrag des jeweiligen Ehemanns ausblenden.
Die unterschiedlichen Guthaben in der 2. Säule könnten allerdings bei einer Scheidung zum echten Problem werden. Jene Person (oft die Ehefrau), die zugunsten der Familie auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet hat, könnte bei einer Trennung benachteiligt sein. Das BVG sieht aber genau für den Fall einer Scheidung ein Splitting vor und gewährleistet damit eine faire Aufteilung der während der Ehe geäufneten Altersguthaben.
Das heilige Band … des Kollektivs
Die Einführung eines Splitting-Modells für Eheleute vor einer Scheidung würde bedeuten, Phantomschmerzen an einem nicht vorhandenen Körperteil zu behandeln. Man versucht, ein statistisches Artefakt zu korrigieren, das keinen Einfluss auf den Alltag von verheirateten Paaren ausübt.
Bei der AHV ist zwar das Splitting vorgesehen. Allerdings sind die Leistungen der AHV für alle identisch. Dies trifft auf die 2. Säule nicht zu, die eine nach Branche und Berufsgruppe differenzierte Vorsorge ermöglicht. Arbeitgeber und Arbeitnehmende entscheiden gemeinsam über die Vorsorgelösung, die ihren Bedürfnissen am besten entspricht.
Mit der Einführung eines Splitting-Modells vor der Scheidung werden die Grenzen des Kollektivs gesprengt, innerhalb derer sich die Arbeitgeber und die Arbeitnehmenden ihre Interessen gleich gerichtet hatten. Wozu eine attraktive Vorsorgelösung anbieten, um qualifizierte Mitarbeitende anzuziehen, wenn die Hälfte der Guthaben in eine andere Kasse abfliesst? Wird es immer noch gelingen, mit einem grosszügigen Vorsorgeplan Talente an den Betrieb zu binden, wenn die Hälfte ihrer Guthaben andernorts versichert ist?
Unnötig kompliziert
Neben dem Verstoss gegen diese zentralen Grundsätze würde ein Splitting in der 2. Säule zahlreiche Umsetzungsprobleme aufwerfen. Was geschieht, wenn einer der Ehepartner wegen Arbeitslosigkeit oder Selbständigkeit keiner Pensionskasse angeschlossen ist? Wer garantiert dann für das investierte Geld oder gewährleistet die Renten? Was ist zu tun, wenn sich eine Pensionskasse in Unterdeckung befindet? Die Arbeitgeber, die oft den grösseren Anteil zur Sanierung einer Pensionskasse leisten, müssten auch die Lücken von Personen schliessen, die nie für sie gearbeitet haben.
Was passiert im Falle einer Teilliquidation? Die in einer soliden Pensionskasse versicherte Arbeitnehmerin würde Gefahr laufen, dass die Hälfte ihres Altersguthabens von den Entscheidungen der Kasse ihres Mannes beeinträchtigt wird und umgekehrt.
Und wie steht es um die paritätische Vertretung im Stiftungsrat? Braucht es neben den Vertretern der Mitarbeitenden dann auch Vertreterinnen der Ehepartner?
Eindeutig Privatsache
Die oben aufgeführten Beispiele zeigen es: Ein Splitting-Modell schafft mehr Probleme, als es löst. Die unterschiedlichen Altersguthaben in der 2. Säule entstehen zwar aufgrund unterschiedlicher Organisationsformen der Ehepaare, doch sie widerspiegeln nicht die finanzielle Situation der Ehefrau und des Ehemanns. Solange die Paare verheiratet bleiben, ist die Verwaltung ihrer Einkommen eindeutig deren Privatsache. Der Staat sollte keinesfalls einem Ehepaar vorschreiben dürfen, ob es seine Finanzen gemeinsam oder mit getrennter Buchhaltung zu verwalten hat. Es käme niemandem in den Sinn, den Eheleuten ein Splitting ihrer Löhne auf den jeweiligen Salärkonten aufzuzwingen. Wieso sollte eine derartige Einmischung des Staates bei der 2. Säule gerechtfertigt sein?
Die berufliche Vorsorge muss ein Ersatzeinkommen garantieren, das die Leistungen aus der 1. Säule ergänzt. Darin besteht ihre Daseinsberechtigung. Wenn es keinen Lohn gibt, braucht es auch kein Ersatzeinkommen. Die Vorsorge sollte weder zu einem Instrument des Gutmenschentums noch zum Spielball der Politik werden.
Dieser Beitrag ist in der Zeitschrift «Schweizer Personalvorsorge» 3/23 erschienen.